ZDF-Staatsvertrag im Jubiläumsjahr vors Gericht gezerrt

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Der ZDF-Staatsvertrag soll die staatliche Unabhängigkeit des Senders sichern. Aber nach Ansicht von Kritikern verfehlt das Papier diese Vorgabe – zu viele Politiker säßen in den Gremien. 50 Jahre nach der Niederschrift liegt das Werk jetzt bei den Verfassungsrichtern.

Vom Alter her ist der ZDF-Staatsvertrag mit seinen 50 Lenzen in den besten Jahren. Doch erst mit einer Rundum-Erneuerung wird das Paragrafenwerk einen zweiten Frühling erleben. Nach den Querelen um den ehemaligen Chefredakteur Nikolaus Brender, der vom überwiegend CDU-nahen Verwaltungsrat abgewählt wurde, war Kritik an dem Vertrag hochgekocht.
 
Im Fernseh- und Verwaltungsrat säßen zu viele Politiker, wettern unter anderem SPD-Ministerpräsidenten. Rheinland-Pfalz hat Klage beim Bundesverfassungsgerichteingereicht (DIGITAL FERNSEHEN berichtete). Völlig zu Recht, meint der Medienrechtler Dieter Dörr. „Die Gremien weisen eine verfassungswidrige Staatsnähe auf“, sagt der Professor an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität.
 
Allein unter den 14 Mitgliedern des Verwaltungsrates seien sechs „echte Staatsvertreter“, also Politiker aus Bund und Ländern. Eine CDU-nahe Mehrheit in diesem Gremium hatte verhindert, dass Brenders Vertrag – wie von Intendant Markus Schächter gewünscht – verlängert wurde.

Der Grundgedanke des ZDF-Staatsvertrages sei allerdings die Distanz zu Staat und Politik gewesen, betont Dörr. „Die Alliierten hatten die Idee, der Rundfunk sollte der Gesellschaft gehören, nicht dem Staat.“ Dazu zählt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk aus Gebühren finanziert und von einem Dreigestirn aus Intendant, Fernsehrat und Verwaltungsrat gelenkt wird. Träger des Zweiten Deutschen Fernsehens sind die Länder.
 
Es gab laut ZDF-Intendant Markus Schächter drei markante Wendepunkte für die Rundfunkgesetzgebung: Der erste war die Einführung der kommerziellen Sender. Danach folgte die deutsche Wiedervereinigung, in deren Zuge der ZDF-Staatsvertrag Bestandteil des „Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland“ wurde und die ostdeutschen Bundesländer miteinbezog. Zuletzt wurden die Angebote im Internet und der neuen Digitalkanäle geregelt.
 
Nach den Worten von Dörr sind nach der Wende auch die Zusammensetzung der Räte geändert und die Zahl der Sitze erhöht worden. Für den Medienrechtler ist der Fernsehrat mit inzwischen 77 Vertretern gesellschaftlicher Gruppen zu groß. Ab etwa 50 Mitgliedern leide die Handlungsfähigkeit.
 
Der Fernsehrat überwacht das Programm und wählt den Intendanten. Derzeit sieht alles danach aus, dass man sich auf Programmdirektor Thomas Bellut als Nachfolger des scheidenden Schächter geeinigt hat. Die Wahl steht am 17. Juni an.
 
Für Dörr ist es durchaus sinnvoll, dass dieses Gremium den Intendanten wählt – wenn es anders besetzt wäre. Dann könnte der Fernsehrat tatsächlich die Gesellschaft repräsentieren.
 
Ein Unding ist es für den Juraprofessor dagegen, dass der Verwaltungsrat einen großen Einfluss auf die Auswahl des Chefredakteurs hat. Hier ist laut Statuten ein Einvernehmen mit dem Intendanten vorgesehen, 9 von 14 Mitglieder müssen der Personalie zustimmen. Damit habe der Verwaltungsrat einen unangemessenen Einfluss auf das Programm – denn dafür steht ja der Chefredakteur, sagt Dörr.
 
Ursprünglich sei es eher so gedacht gewesen, dass der Verwaltungsrat die Verträge des Führungspersonals absegnet – aber nicht die Besetzung selbst. Dass die Verfassungsrichter bereits im kommenden Jahr über den Staatsvertrag urteilen wollen, sieht er als Zeichen dafür, wie wichtig das Thema in Karlsruhe eingeschätzt wird. Voraussichtlich werde es noch in diesem Herbst eine Anhörung geben. Sollten die Richter den staatlichen Einfluss beim ZDF beschneiden – und davon geht Dörr aus – hätte dies auch erheblichen Einfluss auf andere Rundfunkanstalten.
 
Die Räte sind nach den Worten von ZDF-Intendant Schächter ein wichtiges Kennzeichen der deutschen Rundfunkordnung. „Deshalb begrüße ich es, wenn das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung über die verfassungsgemäße Zusammensetzung dieser Aufsichtsgremien für die Zukunft Rechtssicherheit schafft.“[Andrea Löbbecke]

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