Frachterabsturz vorprogrammiert: Schwerer Schlag für Russland

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Bild: © jim - Fotolia.com
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Nachdem der russische Raumfrachter „Progress“ seit dem 28. April auf einer falschen Umlaufbahn kreist und auch nicht auf Funksignale reagiert, herrscht Aufregung in Moskau. Die peinliche Panne kostet nicht nur Millionen, sondern wird den geplanten emotionalen Höhepunkt zur russischen Siegesfeier am 9. Mai verderben.

Was als Routinemission geplant war, ist für Russland zu einer peinlichen Millionenpanne geworden. Der unbemannte Frachter Progress M-27M kreist seit seinem Start auf einer falschen Umlaufbahn um die Erde, statt Nachschub zur Internationalen Raumstation ISS zu bringen. Alle Rettungsversuche der Flugleitzentrale bei Moskau bleiben vergeblich – nun räumt die Raumfahrtbehörde Roskosmos ein: Der Absturz des tonnenschweren Transporters ist unausweichlich.

„Ein Andocken der Progress an der ISS ist nicht mehr möglich, jetzt betrachten wir nur noch verschiedene Varianten des Absturzes“, meint Roskosmos-Chef Igor Komarow. Volker Schmid vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLF) in Bonn schließt aber eine Gefahr für Menschen auf der Erde aus. „Beim Wiedereintritt wird das Raumschiff nach bisherigen Erfahrungen verglühen. Im Gegensatz zu bemannten Sojus-Kapseln ist die Progress nicht für die Rückkehr zur Erde vorgesehen und somit nicht mit einem Hitzeschutz ausgestattet“, sagt Schmid der Deutschen Presse-Agentur.
 
Insgesamt mehr als 140 solcher Versorgungsschiffe hat die stolze Raumfahrtnation Russland in den vergangenen Jahren ins All geschickt. Fehlschläge sind selten. Diesmal sorgt die Panne aber für besonderes Stirnrunzeln in Moskau. Denn sie betrifft eine Sojus-Trägerrakete, die auch für bemannte Flüge genutzt wird. Der für den 26. Mai geplante Start von drei Raumfahrern zur ISS ist nun erst einmal unklar – Roskosmos will zunächst den Fehlschlag analysieren, um ein zusätzliches Risiko auszuschließen.
 

Der Unfall ist aus einem weiteren Grund doppelt schmerzhaft – er kommt kurz vor dem 9. Mai, dem 70. Jahrestag des Triumphes über Hitlerdeutschland, dem wichtigsten Festtag des Jahres. Bunt beklebt mit Symbolen des historischen Sieges hatte die Sojus am Dienstag vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abgehoben, an Bord auch Festtagsessen für die drei Kosmonauten. Und nun eine solche Panne!
 

Eine Expertenkommission soll die Unfallursache klären. Die als verlässlich geltende Sojus-Technik ist nach dem Aus für die US-Space-Shuttles die einzige Möglichkeit, um Menschen zur ISS zu transportieren. Russland müsse schnell moderne Alternativen entwickeln, betont Komarow. Die Sojus ist seit 50 Jahren zuverlässig in Gebrauch und gilt als „VW-Käfer des Weltalls“. „Der Unfall ist ein Hinweis für uns, auf neue Projekte zu setzen“, sagt Komarow.
 

Eine Grundsatzdiskussion über sein Raumfahrtprogramm will Russland aber nicht aufkommen lassen. Zu Sowjetzeiten habe es zehnmal so viele Pannen gegeben, versichert Boris Tschertok von der Akademie der Wissenschaften. Und auch Ex-Roskosmos-Vizechef Witali Dawydow betont, von einer „Systemkrise“ könne keine Rede sein. Kein Wunder: Für Russland geht es um viel Geld. Dutzende Satelliten will Roskosmos in diesem Jahr ins All schicken und so auf diesem umkämpften Markt Millionen einnehmen. Bei seinem Amtsantritt vor wenigen Wochen hat Komarow angekündigt, mit Flügen ins All wieder mehr Geld verdienen zu wollen. Bilder eines abstürzenden Frachters sind da nicht förderlich.
 

Mit 36 Milliarden Euro an Staatsmitteln will Komarow die russische Raumfahrt in den nächsten zehn Jahren für die Zukunft fit machen. Noch in diesem Jahr soll die erste Trägerrakete testweise vom neuen Weltraumbahnhof Wostotschny abheben. Und im nächsten Jahr will Roskosmos das international mit Spannung erwartete Nachfolgemodell für die Sojus-Raumkapseln vorstellen, mit sechs statt drei Plätzen.
 

Zunächst muss die Raumfahrtbehörde aber den Verlust der außer Kontrolle geratenen Progress verschmerzen. Sie soll zwischen dem 7. und 11. Mai abstürzen. Sollten einige Teile nicht verglühen, könnten sie in die Südsee fallen. „Das wäre dann ein Schlag ins Wasser – wie die gesamte Mission“, höhnen Kritiker im Internet. [dpa/ag]

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4 Kommentare im Forum

  1. AW: Frachterabsturz vorprogrammiert: Schwerer Schlag für Russland Ach ja, wer wollte denn jahrelang nicht miteinander zusammen arbeiten? Coordinating Committee on Multilateral Export Controls
  2. AW: Frachterabsturz vorprogrammiert: Schwerer Schlag für Russland Als Schweren Schlag würde ich eher Unglücke wie den Verlust der Challenger und Columbia betrachen. Dort kamen jeweils sieben Menschen ums Leben und es wurde jeweils nicht so einfach wiederbeschaffbare Raumfahrzeuge zerstört. Aber den Verlust einer Progress Kapsel kann man sicher verschmerzen. Und Raumfahr ist eben immer noch deutlich risikoreicher als irdische Fortbewegungsmethoden.
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