Nach der ISS: Die Zukunft der Raumfahrt

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Bild: © jim - Fotolia.com
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Wohin entwickelt sich die bemannte Raumfahrt? Während sich Russland der Erforschung des Alls wieder solo widmen will, plant der Westen derweil einen Nachfolger der ISS.

Die eine besticht durch eine überdimensionale Scheibe aus Solarmodulen. An der anderen fallen die orange-weißen Module auf, die an längliche XXL-Luftballons erinnern: Eine Woche lang haben Studenten beim „Space Station Design Workshop“ an der Universität Stuttgart zwei Konzepte für künftige Raumstationen ertüftelt. Ein Detail dabei: In beiden Plänen taucht Roskosmos auf, die russische Raumfahrtbehörde. Plausibel findet das der Leiter des Instituts für Raumfahrtsysteme, Stefanos Fasoulas: „Solche Unternehmungen werden auch künftig nur international finanzierbar sein.“ Dabei klingen die offiziellen Töne aus Moskau eher anders.

Ein Vierteljahrhundert nach dem kontrollierten Absturz der Raumstation Mir plant Russland bei der Erforschung des Alls eine neue Ära. An der Internationalen Raumstation ISS arbeitet Moskau seit 1998 etwa mit den USA und Europa eng zusammen. Von 2024 an will die stolze Raumfahrtnation aber ihre ehrgeizigen Weltraumpläne wieder solo durchsetzen. Geht es nach Plänen des russischen Vizeregierungschefs Dmitri Rogosin, könnten die ISS zerlegt und russische Teile danach zum Bau eines eigenen Außenpostens der Menschheit verwendet werden.
 
Kremlchef Wladimir Putin kündigte den Bau einer russischen Station in der Erdumlaufbahn bereits an. Von der ISS seien nur fünf Prozent des Staatsgebiets einzusehen. „Wir brauchen eine Station, von der wir die ganze Fläche unseres Landes kontrollieren“, meinte der Präsident.
 
Die Lage zum Westen gilt unter anderem wegen der Ukraine-Krise als sehr angespannt. Daher ist auch hierzulande die Zukunft der bemannten Raumfahrt noch offen. Für Hansjörg Dittus, im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für Raumfahrtforschung und -technologie zuständig, hängt sie vor allem vom Geld ab.
 
Die reinen Betriebskosten für die ISS betragen nach seinen Angaben jährlich 2,2 Milliarden Euro, wovon rund 280 Millionen auf die europäischen Partner entfallen. Deutschland trage gut 100 Millionen Euro. „Will man mit Astronauten zu Mond oder Mars in den nächsten 30 bis 50 Jahren oder Raumstationen fern der Erde, etwa im Langrange-Orbit, betreiben, braucht man dazu einen Raumfahrt-Etat in Europa, der das zwei- bis dreifache von heute beträgt.“
 
Das entspräche in etwa den Vorschlägen der Nachwuchsforscher: Ihre Raumstationen sollten an den sogenannten Lagrange-Punkten stationiert werden, wo sich die Gravitationsfelder von Mond und Erde aufheben. Von dort aus seien andere Punkte im All leichter erreichbar, erklärt Fasoulas. Die Raumstationen sollen den Plänen der Studenten zufolge dabei als Zwischenlager und Tankstelle für Mars- und Mondmissionen dienen.
 
Damit dieses Ziel verfolgt werden kann, ist eine ISS-Nachfolge aus Dittus‘ Sicht zwingend notwendig. „Nur wenn wir Menschen in niedrigen Laufbahnen haben, können wir auch Mehrgenerationenprojekte wie Marsmissionen angehen. Wir wollen eine Ära ohne bemannte Raumfahrt vermeiden.“ Für wahrscheinlich hält er eine Station etwa im selben Orbit wie die ISS – also rund 400 Kilometer von der Erde entfernt.
 
Auch der Einstieg privater Anbieter sei Teil der Überlegungen, sagt der DLR-Vorstand. Staatliche Bedürfnisse könnten so durch gemietete Forschungsmodule erfüllt werden. „Da sehe ich einen großen Bedarf.“ Zentrale Fragestellungen sollten solche sein, die für viele Menschen von Belang sind wie Klimawandel und Ernährungslage. „Das lässt sich gut vom Weltall aus beobachten – aber eben nicht nur von Satelliten.“
 
Russland plant eine Station aus fünf Segmenten: ein Labormodul, ein Energiemodul, ein Verbindungsmodul sowie ein Transformations- und ein Wissenschaftlich-Energetisches Modul. Ob das alles umsetzbar ist, steht aber in den Sternen. Eine Wirtschaftskrise macht der Rohstoffmacht Russland zu schaffen. Zudem fallen beim laufenden Bau eines Weltraumbahnhofs nahe der chinesischen Grenze hohe Kosten an.
 
Dittus ist mit Blick auf den Westen guter Dinge: Die Planungen seien weit gediehen. „Man muss nun gucken, was realisierbar ist.“ 2016 bei der Ministerkonferenz der Europäischen Weltraumbehörde ESA müsse es eine generelle Entscheidung über die Zukunft der Raumfahrt geben.
 
Entscheidend sei, dass sich die Gesellschaft wieder dafür begeistere. „Das Thema Raumfahrt ist wieder salonfähig.“ Das sei in den vergangenen 20 bis 30 Jahren anders gewesen, mit dem Start der ISS sei eigentlich nur noch über deren Ende gesprochen worden. „Wichtig ist Begeisterung zu schüren“, so Dittus. „Das schafft auch Geld ran.“[Marco Krefting/Wolfgang Jung/kw]

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9 Kommentare im Forum

  1. AW: Nach der ISS: Die Zukunft der Raumfahrt Solange es keine Antriebe mit Nahlichtgeschwindigkeit gibt ist die bemannte Raumfahrt ein Witz! Und selbst mit Nahlichtgeschwindigkeit sind Raumfahrten gemessen an einem Menschenleben lediglich Froschhüpfer.
  2. AW: Nach der ISS: Die Zukunft der Raumfahrt Wenn Putin von der Station aus das gesamte Staatsgebiet kontrollieren will, müsste er sie in einen geostationären Orbit schicken. Dann würden auch Servicemissionen zu TV-Satelliten möglich werden.
  3. AW: Nach der ISS: Die Zukunft der Raumfahrt Die wollten gar nicht. Die USA hat sie raus geekelt und die Zusammenarbeit gekündigt. http://www.welt.de/wissenschaft/weltraum/article126510649/Nasa-stoppt-Zusammenarbeit-mit-Russland.html
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