Experte: Elektronikbranche drohen Rohstoff-Engpässe [Interview]

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Bild: © lassedesignen - Fotolia.com
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Immer kleiner, immer schneller und hochkomplex: Ständig werden neue Computer, Handys oder Tablet-Computer gebaut. Die Elektronikbranche boomt, die Nachfrage ist riesig, wie die führende US-Messe für Unterhaltungselektronik CES in Las Vegas gerade gezeigt hat. Doch vereinzelt werden die Rohstoffe knapp.

Seltene Erden für Bildschirme, Gallium für Handy-Chips: In modernen Kommunikationsgeräten stecken Rohstoffe, die noch vor wenigen Jahren kaum eine Rolle spielten. Die gefragten Stoffe sind ohnehin rar, können aber durch politische Probleme noch knapper werden. Welche Rohstoffe für die Produktion der Geräte benötigt werden und welche Herausforderungen dadurch auf Forschung und Industrie zukommen, erklärt Professor Michael Stelter von Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie im sächsischen Freiberg im Interview.
 
Smartphones, Tablet-PCs oder Notebooks sind stark gefragt – Welche Rohstoffe spielen beim Bau dieser hochkomplexen Geräte eine Rolle?
 
Michael Stelter: Wir haben heute in einem Tablet-PC oder modernen Kommunikationsgeräten zum Teil um die sechzig verschiedenen Elemente. Das reicht von seltenen Erden über Indium und Gallium bis hin zu einzelnen Elektronikbausteinen mit Tantal. Sehr stark wird über die seltenen Erdmetalle diskutiert. Sie werden für die Herstellung von Bildschirmen gebraucht und derzeit zum Großteil aus China importiert. Das ist eine Marktlücke, die durch andere Vorkommen, etwa in den USA, geschlossen werden soll.
 
In Deutschland wird über die Deutsche Rohstoff-AG versucht, seltene Erden im Erzgebirge zu explorieren. Auch andere Elemente sind am Weltmarkt schwer zu bekommen, zum Beispiel Gallium. Das ist wichtig, denn jedes Handy hat einen Gallium-Arsenid-Chip, der für die Hochfrequenz-Kommunikation sorgt.

Was muss in der Forschung und Rohstoffgewinnung künftig passieren?
 
Stelter: Einerseits muss man mehr dieser Stoffe über den Verarbeitungsprozess gewinnen. Gallium etwa wird normalerweise als Nebenprodukt aus der Aluminiumproduktion gewonnen, aber nur etwa die Hälfte der Aluminiumhersteller tut das überhaupt. Im Endeffekt landet deswegen Gallium im Rotschlamm auf der Deponie. Andererseits ist Recycling wichtig, da haben wir noch erhebliche Defizite. Beim Elektronikschrott gewinnen wir nur die Edelmetalle zurück, dazu Nickel und Kupfer, manchmal noch Tantal, aber das war es dann auch schon. Alle anderen Elemente, etwa die seltenen Erdmetalle, Gallium oder Indium werden nicht zurückgewonnen.
 
 
Auf welchem Weg befindet sich Deutschland zurzeit?
 
Stelter: Das Defizit ist, dass wir die Grundlagenforschung, die vorgeschaltet werden muss, bisher nicht leisten konnten, weil das Geld dafür einfach nicht da war. Die Finanzierung muss staatliche Aufgabe sein, denn Industriepartner greifen erst dann ein, wenn sie sich wirtschaftlichen Erfolg versprechen. Zumindest teilweise hat sich das aber inzwischen geändert. Wir haben in Freiberg etwa das Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie gegründet, das vom Bundesforschungsministerium und dem Land Sachsen finanziert wird. Dort haben wir etwa Projekte zur Rückgewinnung von Gallium laufen oder zur Gewinnung von seltenen Erden oder Lithium.
 
Wie wahrscheinlich ist es, dass es dennoch zu Engpässen kommt?
 
Stelter: Engpässe könnten aus zwei Gründen stattfinden: Zum Einen, weil so wenig Material vorhanden sein könnte, dass es nicht mehr zu vernünftigen Preisen eingesetzt werden kann. Zum Anderen aufgrund von wirtschaftspolitischen Maßnahmen, etwa Sanktionen durch Produzenten wie China. Da könnte es zum Teil schwer werden, Ersatzmaterialien zu finden. Generell glaube ich, die wirtschaftliche Abhängigkeit und politische Verknappung sind das größere Problem bei den Rohstoffen als der eigentliche Mangel des Rohstoffes selber.
 
Vielen Dank für das Gespräch.[Interview: Alexandra Stahl]

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