Das geplante Common Interface Version 2.0 ist nicht kompatibel zu den bisherigen Empfangsgeräten, soll dafür aber einen nahtlosen Kopierschutz gewährleisten. Dafür machen sich die Programmanbieter und Verschlüsselungsunternehmen stark.
Auf der Anga Cable ließen die Verantwortlichen die Katze aus dem Sack: Die großen Pay-TV- und digitalen Programm-Plattformen wollen für die millionenfach in den deutschen Haushalten etablierte Universalschnittstelle Common Interface kein offizielles Modul auf den Markt bringen.
Zwar gibt es schon längst funktionierende halblegale oder illegale Lösungen, doch viele Zuschauer hofften bisher auf eine offizielle Lösung. Denn wer sich einen Flachbildfernseher mit eingebautem Digitaltuner kauft, will sich keinen Zwangsreceiver von Premiere, Kabel Deutschland oder Unity Media dazustellen.
Da man theoretisch das entschlüsselte TV-Signal an einem Pin des Common Interfaces ohne irgendwelchen Kopierschutz abgreifen kann, blockieren die Contentindustrie sowie Premium-Content-Anbieter wie Premiere ein normales Common Interface. Oft wird dabei das Thema „fehlender Jugendschutz“ auch noch mit aufgeführt. Doch unter den DVB-Spezialisten ist es längst bewiesen, dass ein herkömmliches Common Interface einen mindestens genauso guten Jugendschutz abbilden kann wie Digitalreceiver mit fest eingebautem Verschlüsselungssystem.
Die DVB-Organisation muss deshalb gerade ein Common Interface Modul Version 2.0 standardisieren, das ähnlich funktionieren soll wie das bisher erfolglose Premiere-„Matching-Modul“, das nur in dafür vorbereiteten Digitalreceiver funktioniert. „Wir brauchen ungefähr sechs bis acht Monate nach der Standardisierung ein solches CI-Modul Version 2.0 auf den Markt zu bringen“, so Phillippe Stransky, Chief Technology Officer bei Nagravision gegenüber DIGITAL FERNSEHEN.
Die Standardisierung soll laut Helmut Stein, Moderator der Anga Cable-Diskussionsrunde „Conditional Acess und Digital Rights Management: Konzepte, Lizenzen, Zertifizierung“, voraussichtlich im Oktober abgeschlossen sein. Die ersten Module werden also frühestens Mitte 2008 in den Handel kommen – sofern es die Plattform-Anbieter überhaupt wünschen. Wann die ersten Receiver und Flachbildfernseher ein CI-Modul Version 2.0 überhaupt unterstützen werden, steht völlig in den Sternen. „Wir alle haben die letzten zwei Jahre verschlafen“, gab Klaus Bechtold, Geschäftsführer der Nagravision GmbH, zu.
Auf Steins Frage „Was machen wir denn mit all den Geräten, die im Markt sind? Haben die dann Pech gehabt?“ gab es auf der Podiumsdiskussion von Bechtold nur ein Schweigen als Antwort. „Wir reden allein von einer halben Million TV-Geräte in Deutschland, die laut einer EU-Vorschrift einen CI-Slot haben“, so Stein weiter den Finger in die Wunde legend.
Falls der Gesetzgeber oder das Bundesverfassungsgericht sich der Sache nicht annehmen, wird wieder einmal der Zuschauer der Dumme sein. Denn viele legen sich heute einen CI-Receiver in der Hoffnung zu, darüber einmal legal und offiziell hochwertige Pay-TV-Programme entschlüsseln zu können. Wer das machen will, kann nur auf halblegale oder illegale Common Interface Alternativen zurückgreifen. Ob die Contentindustrie dies wirklich will? Die Musikindustrie hat sich bereits durch überzogene und bei den Konsumenten nicht akzeptierte Kopierschutzvorkehrungen (Digital Rights Mangement) auf ähnliche Art und Weise ins Aus geschossen.
Anscheinend will das nun auch die Digital-TV-Industrie machen. Professor Ulrich Reimers monierte Anfang Mai auf dem Symposium der TV-Plattform bei dem Thema eine überzogenen „Paranoia“ der Contentindustrie. Denn geklaut werden die Filme doch bereits viel früher in der Verwertungskette. Das bestätigte Reimers auch ein zufällig anwesender Premiere-Mann. [lf]
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