Breitbandmarkt: Deutschland droht Anschluss zu verlieren

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Bild: © Victoria - Fotolia.com
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München – Laut einer Studie der Unternehmensberatung Mercer droht Deutschland bei der Zukunftstechnologie Breitband international den Anschluss zu verpassen, wenn es nicht gelingt, durch aggressive Vermarktung und Mehrwert den deutschen Konsumenten vom Breitbandnutzen zu überzeugen.

Ein Blick über die Grenzen verdeutlicht, wie sehr Deutschland beim Breitband zurückgefallen ist: Während hierzulande gerade einmal 16 Prozent der Haushalte über einen Breitbandanschluss verfügen, sind es in den Niederlanden bereits 41 Prozent, in der Schweiz 37 Prozent und in Belgien 35 Prozent. Selbst Frankreich und England haben gegenüber Deutschland einen Entwicklungsvorsprung von rund zwei Jahren.
 
Die internationale Studie „Breitband – Perspektiven einer Zukunftstechnologie“ von Mercer Management Consulting zeigt den eklatanten Nachholbedarf beim Breitband in Deutschland. Neben der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für die Telekommunikationsindustrie ist die Breitband-Markterschließung ein entscheidender Treiber für eine Reihe neuer Erlösquellen und Innovationszyklen in angrenzenden Branchen, wie der Film-, Fernseh- und Musikindustrie, aber auch bei Unterhaltungselektronik.
 
Deutschland hat im internationalen Vergleich nur eine unterdurchschnittliche Marktdurchdringung, obwohl das Preisniveau für den schnellen Internetzugang in keinem anderen Land in Westeuropa niedriger ist: Breitbandinternet ist in Österreich rund 36 Prozent und in England sogar über 50 Prozent teurer als hierzulande. Der Breitbandrückstand in Deutschland ist durch andere Faktoren begründet. Während in führenden Breitbandnationen wie Südkorea (76 Prozent Haushaltspenetration), Japan (38 Prozent) oder der Schweiz (37 Prozent) über die letzten Jahre hinweg ein aggressiver Preis- und Technologiewettbewerb stattfand, war dies in Deutschland nicht der Fall. Insbesondere der fehlende Infrastrukturwettbewerb und ausbleibende Investitionen in alternative Infrastrukturen wirken sich hier aus. Wettbewerber haben sich sehr stark zurückgehalten und sind erst 2003 ernsthaft in den Breitbandmarkt eingestiegen.
 
Zudem mangelt es noch an attraktiven Angeboten und Dienstleistungen, die den Kunden vom Mehrwert dieser Leistung überzeugen. In den Niederlanden haben beispielsweise mehr als doppelt so viele Haushalte Breitband, denn hier gab es schon frühzeitig einen intensiven Wettbewerb zwischen Kabelnetzbetreibern und DSL-Anbietern. Trotz hoher Abdeckung (55 Prozent der Haushalte sind kabelversorgt) hat der deutsche Breitbandmarkt aufgrund der besonderen Struktur des Kabels und einiger gescheiterter Investitionsvorhaben von dieser Entwicklungsphase nicht profitieren können. Der Wettbewerb hat sich erst seit dem zweiten Halbjahr 2003 deutlich intensiviert, seitdem die Festnetzsparte der Telekom die DSL-Leitung als Vorprodukt Anbietern wie AOL und freenet zur Verfügung stellt.
 
Bei den derzeitigen Rahmenbedingungen prognostiziert die Mercer-Studie für Deutschland eine Breitbandpenetration von rund 27 Prozent im Jahr 2007 und rund 35 Prozent im Jahr 2009.
 
Die Mercer-Studie ergibt, dass die nächste Wachstumswelle im Breitbandmarkt durch intensiveren Wettbewerb und vor allem durch eine grundsätzliche Neupositionierung des Produkts „Breitband“ entsteht. Standen bislang der reine Anschluss sowie die Schnelligkeit des Internets im Mittelpunkt der Vermarktung, werden in Zukunft attraktive Applikationen, Inhalte und die Bündelung mehrerer Dienste entscheidende Kaufargumente sein. „Breitband wird erst dann zum Massenmarkt, wenn die Angebotsbündel verschiedene Bedürfnisse befriedigen, die ohne Breitband keinen Spaß machen“, so Mercer-Experte Bock.
 
Mit Breitbandbündeln aus Internet und Telefonie ist eine signifikante Marktausweitung möglich. Bei Bündelprodukten, die Mehrwertdienste beinhalten und auch TV-Dienste abdecken, sind Konsumenten bereit, zusätzlich zu zahlen. Die Ausweitung des Breitbandanschlusses ins Wohnzimmer ermöglicht neuartige TV-Mehrwertdienste, die auf hohes Interesse stoßen, wenn damit das heutige Fernseherlebnis verbessert wird – zum Beispiel durch zeitversetztes Fernsehen, interaktive Dienste oder Video-on-Demand.
 
Ein durch solche Dienste und Inhalte angereichertes Breitbandportfolio erfordert auch ein Umdenken der Anbieter. Sie sollten Kunden künftig nicht nach technischen Anschlussmerkmalen in „Offliner“, „Schmalbander“ und „Breitbander“ segmentieren, sondern in Nutzergruppen denken. Aus Faktoren wie TV-Konsum, Endgeräte-Ausstattung, Interesse an digitalen Inhalten, Preisempfindlichkeit oder demographischen Informationen muss eine Kundensegmentierung entwickelt werden, die sich an den tatsächlichen Bedürfnissen des Kunden orientiert und nicht nur an der Schnelligkeit seines Internetanschlusses.
 
Eine Breitband-Innovationsoffensive kommt nur durch das partnerschaftliche Zusammenspiel in der Wertschöpfungskette zustande. Will Deutschland also den Breitband-Durchbruch schaffen und mit anderen Ländern wieder gleichziehen, wird dies nur dann gelingen, wenn die Medienindustrie, Endgerätehersteller, Netzbetreiber und Internet-Provider an gemeinsamen Breitband-Produkten arbeiten. [mg]

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