Theater auf dem Smartphone

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Bild: © Victoria - Fotolia.com
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Live- und Audiostreams sind auch in den Häusern der Hochkultur angekommen. Mit den digitalen Angeboten wollen Theater und Oper ein neues Publikum erschließen.

Eine Hochkultur öffnet sich der digitalen Welt: Immer mehr Theaterhäuser bieten ihre Aufführungen nicht mehr nur live auf der Bühne an, sondern auch online. Theater im Netz sei eine große Chance, „um mit einem Publikum in Kontakt zu treten, das nicht zu den typischen Theaterbesuchern gehört, und um neue Kommunikationswege zu finden“, meint der Deutsche Bühnenverein. Der Verband befasste sich erst am Wochenende auf seiner Jahreshauptversammlung mit dem Thema. Die rund 250 Intendanten und Direktoren diskutierten auf ihrer Tagung in Potsdam auch über eine stärkere Präsenz im Netz.

Vor kurzem kündigten 15 Opernhäuser aus ganz Europa an, einige ihrer Produktionen über die „Opera Platform“ ins Netz stellen zu wollen. Zum Start zeigte das Teatro Real in Madrid live Giuseppe Verdis „La Traviata“. Mit am Start ist auch der europäische Kulturkanal Arte, aus Deutschland beteiligen sich die Komische Oper Berlin und die Oper Stuttgart. Die Produktionen sind sechs Monate frei im Archiv abrufbar und werden in sechs Sprachen untertitelt. Dazu gibt es Hintergründe, Interviews und einen Blick hinter die Kulissen.

Theater-Streaming ist ebenfalls ein Lieblings-Thema des Berliner Kulturstaatssekretärs Tim Renner. Chris Dercon, Intendant der Berliner Volksbühne, plant sogar Extra-Streaming-Stücke, es soll eine neue „digitale Bühne“, genannt Terminal Plus, geben. Künstler sollen ihre dafür geschaffenen Produktionen in der Studiobühne der Volksbühne aufzeichnen und live senden. Die Bremer Schwankhalle bietet Audio-Streams an, aber auch Podcasts zum Nachhören.

Die Bayerische Staatsoper zeigt Aufführungen unter dem Label StaatsoperTV und erreicht nach eigenen Angaben pro Stream zwischen 40 000 und 100 000 User. Da die Staatsoper seit Jahren unverändert an einer Auslastung von 100 Prozent kratzt, verliert sie dadurch keine Zuschauer, sondern „generiert zusätzliches Publikum“, wie eine Sprecherin sagte.

Am ältesten städtischen Theater Deutschlands in Ulm werden schon seit 2012 Vorführungen von der Bühne abgefilmt und gestreamt. Auf 4000 Online-Zuschauer kommen sie erst pro Spielzeit. „Das ist jetzt noch nichts, wo man Angst haben muss, dass man sich das Haus leerstreamt“, sagte Verwaltungsdirektorin Angelika Weißhardt. Nicht nur Schwaben schalteten dabei zu. „Zwei Drittel sind überregional.“

„Wir betrachten es als Werbemaßnahme für Vorstellungen“, sagte der Ulmer Operndirektor Matthias Kaiser. Laut einem Auswerter-Tool beteiligten sich auch die Altersgruppen bis 45 Jahre und 60plus gleichwertig an den Streamings aktiv. Im Netz werde ebenfalls lebhaft über die Stücke diskutiert. „Viele sagen, es kann das Erlebnis gar nicht ersetzen“, sagte Theatersprecherin Susanne Lemke allerdings.

Das Theater Kiel überträgt seit 2012 Open-Air-Veranstaltungen namens „Sommertheater“ kostenlos an bisher drei unterschiedliche Orte in der Stadt. In diesem Sommer wird die Oper „Nabucco“ aufgeführt. Um mehr Menschen für das Theater und die Inszenierungen begeistern zu können, wie Sprecher Volker Walzer sagte. Die Rückmeldungen seien durchweg positiv gewesen, weil viele Zuschauer anschließend persönlich ins Theater kamen, um sich Vorstellungen „live“ vor Ort anzusehen.

Vielen Häusern fehlten aber die personellen und finanziellen Ressourcen, um digitale Strategien umzusetzen, so der Bühnenverein. Alle Aufführungen vollständig ins Netz zu stellen, lehnt der Verband klar ab. Er regt neben Livestreams großer Aufführungen an, spezielle künstlerische Arbeiten ausschließlich für das Netz zu produzieren.

Das Landestheater Schleswig-Holstein hat vereinzelt bereits Aufnahmen inszenierter Stücke gemacht und in Form von Videoclips ins Netz geladen. Komplette Videoaufnahmen der Stücke blieben wegen Qualitätsmängel der Videotechnik unveröffentlicht, sagte Sprecherin Angela Möller. Das Hessische Staatstheater Wiesbaden hat noch keine Aufführungen live ins Internet übertragen, macht sich aber Gedanken darüber. „Wir wollen das unbedingt“, sagte Marketingleiterin Heike Neumann. „Das ist aber mit hohen Kosten verbunden.“

Einen überraschenden Erfolg im Netz erzielte das Theater mit der Premiere der Mozart-Oper „Die Entführung aus dem Serail“ Ende März: Während die Musik live im DeutschlandRadio zu hören war, twitterte das Theater Bilder, Videoschnipsel und Eindrücke von hinter der Bühne. Diese seien auf der Plattform millionenfach verbreitet worden. [Nico Pointner/buhl]

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