Hand aufs Herz

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Zu Besuch bei Metz

Ein Blick in die Broschüre der Stadt Zirndorf anlässlich des 100-jährigen Stadtjubiläums verrät: Spielzeugfiguren von Playmobil haben hier ebenso ihre Wurzeln wie das traditionelle Zirndorfer Bier. Auf den vordersten Seiten platziert sich allerdings ein Familienunternehmen, das Fernseher gegen alle globalen Trends in Deutschland produziert – der Name: Metz. „Ist das noch zeitgemäß?“, haben wir uns gefragt und sind kurz entschlossen nach Zirndorf aufgebrochen.

Viel zu sehen gibt es praktisch überall, denn neben Flachbildfernsehern werden in den Metz-Werken ebenfalls Blitzgeräte gefertigt und sogar Kunststoffteile geformt. Auf die Frage nach den Kosten erwiderte man nur, dass allein ein Werkzeug für die Kunststoffformung den Wert eines Eigenheims besitzt – etwas mulmig wurde uns deshalb schon, als wir eine komplette Halle mit ausgemusterten Formen erspähten. Das Fertigungsprinzip lässt sich am ehesten als Backen im XXL-Format umschreiben: Feinkörniges Granulat wird bei hoher Temperatur zu einer zähen Masse verflüssigt und unter Druck in die passende Form eingespritzt.
 
Der Prozess läuft in exakt vorgegebener Zeit und Temperatur ab, denn am Ende sollen weder Materialfehler noch störende Nähte erkennbar sein. Für die Vorder- und Rückseite der Gehäuse sind ebenso abgestimmte Werkzeuge notwendig wie für unterschiedliche Designs oder Bildgrößen – schnell wird uns klar, weshalb Metz über derart viele Formen zur Kunststofffertigung verfügt. Neben den eigenen Fernsehern produziert man Gehäuse für weitere TV-Hersteller und sogar der Automobilbereich wird beliefert.
 
Dank immer stärkerer Automatisierung und flexiblerer Arbeitszeitmodelle innerhalb einer 35-Stunden-Woche verlassen mittlerweile zwischen 400 bis 600 Fernseher täglich die Fabrik. 95 Prozent der Auslieferung gehen nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz, Verbreitung findet Metz zusätzlich in Russland, Italien und Australien.

Hand angelegt

Alle Platinen durchlaufen Funktionstests, damit potenzielle Störquellen bereits vor dem Einbau erkannt werden. Umweltfreundlich: Defekte Platinen werden repariert und dem Produktionskreislauf erneut zugeführt. Gleichzeitig steckt in der Signalelektronik der größte Anteil des Know-hows von Metz, denn sämtliche Leiterplatinen entstammen der eigenen Planung, auch wenn die Bauteile von Zulieferern stammen. Metz gibt sich in dieser Hinsicht weltoffen: Mikrochips, Kondensatoren und Festplatten liefern meist asiatische Anbieter, für die LC-Displays entschied man sich bewusst für die IPSTechnik von LG.
 
Auf kritische Nachfrage, was am Motto „Made in Germany“ wirklich dran ist, wenn doch kaum ein Bauteil aus Deutschland stammt, entgegnete man uns: Nicht die Einzelteile, sondern das Gesamtkonzept macht „Made in Germany“ aus. So wie ein Koch unterschiedliche Zutaten zu einem Menü verarbeitet, kann Metz, wie alle anderen TV-Hersteller auch, aus unterschiedlichen Zutaten auswählen – die Fertigung und das Zusammenspiel der Komponenten sind aber eine Eigenentwicklung und somit ist jeder Metz-Fernseher eben doch ein Produkt „Made in Germany“.
 
Dies wird insbesondere bei den Tunern und der Signalelektronik deutlich: Was aus den eingehenden Signalquellen gemacht wird, entscheidet maßgeblich die von Metz bereitgestellte Infrastruktur, und auch sämtliche Prüfprozesse gehen Hand in Hand mit der eigens entwickelten Software. Sind alle Komponenten – vom Gehäuse über die Platinen, das Display, die Lautsprecher bis hin zu den Tunern – vereint, finden die abschließenden Tests für den Empfang und die Bilddarstellung statt.

Geschraubt und gelötet

Die Zeiten, in denen Fernseher als Wertanlage angesehen wurden, sind schon lange vorbei. Fällt ein Bauteil aus, wird der Fernseher eben durch einen neuen ersetzt – Reparatur meist Fehlanzeige.
 
Bei Metz hat dieser Wegwerfcharakter noch nicht Einzug gehalten, ganz im Gegenteil: Fachhändler können den Fernseher Schritt für Schritt demontieren, falls eine Funktionserweiterung ansteht oder defekte Bauteile ausgetauscht werden müssen.
 
Zudem bearbeitet Metz jede Platine und verfügt über spezielle Auslötmaschinen für defekte Chips. Dass Metz-Fernseher nicht ganz so schlank wie die Konkurrenzmodelle daherkommen, nimmt der Metz-Kunde aus diesem Grund gern in Kauf: Hier steht der nachhaltige Umgang klar im Vordergrund.

Das Zirndorfer Geheimnis

Trotz des globalen Preisdrucks funktioniert das Metz-Konzept noch immer, und das hat – wie wir bei unserem Besuch der Fabrikhallen herausfanden – einen wesentlichen Grund: Vertrauen. Dass die zierlich wirkende Helene Metz, Frau des Firmengründers Paul Metz, selbst im stolzen Alter von 87 Jahren noch immer regelmäßig ihre Firma besucht, mag auf den einen oder anderen altmodisch wirken. Doch der enge Zusammenhalt und der Fokus auf wichtige Personen, die vor Ort die Entscheidungen treffen, sorgen für ein gesundes Arbeitsklima, das so gar nicht in die Hektik der heutigen Zeit zu passen scheint, und gerade deshalb so nachhaltig funktioniert.

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