Hypnotisch schöne Bildgewalt

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Danny Boyles „Trance“

Filme, die wirklich berühren, müssen schmerzvoll sein und wehtun. Filme, die beeindrucken, müssen den Zuschauer visuell vom Hocker reißen. Sind ihre Bilder nicht stark genug, ziehen sie einfach an einem vorbei und geraten in Vergessenheit. Können Sie sich der hypnotischen Bildgewalt der folgenden drei Filme entziehen?

Der Brite Danny Boyle gehört ganz sicher zu den markantesten unter den aktuellen Top-Regisseuren. Geboren vor nicht einmal fünfzig Jahren in Manchester, ist seine noch recht übersichtliche Filmographie nur so gespickt mit Highlights, die sich niemand, der sich auch nur halbwegs für das Medium Film interessiert, entgehen lassen sollte. Nach jahrelanger Tätigkeit als Regisseur und Intendant im Theaterbetrieb, folgten ab 1987 kleinere „Fingerübungen“ im englischen TV, bevor vor gut zwanzig Jahren dann seine nicht immer geradlinige, aber doch stets hochinteressante Kinokarriere ihren Anfang nahm.
 
Ein absoluter Kultfilm wie „Trainspotting“ geht ebenso auf sein Konto wie die moderne Science-Fiction-Perle „Sunshine“ – Beinahe-Mainstream wie „The Beach“ steht bei ihm ganz selbstverständlich neben einem harten Genre-Reißer wie „28 Days Later“. Mit „Slumdog Millionaire“, dem genialen Kaleidoskop eines ganzen Lebens, gelangte er 2008 schließlich völlig verdient zu höchsten Oscar-Ehren, nur um zwei Jahre später mit dem mutigen und wunderschönen „127 Hours“ erneut zu verblüffen und zu begeistern. Doch so unterschiedlich seine Filme auch immer sein mögen: Sie haben doch allesamt diesen Hauch des Besonderen an sich, sowohl von den inhaltlichen Drehs als auch der visuellen Gestaltung her.

Danny Boyles neuester Wurf: Trance

Nach solchen Hochkarätern und dem zwischenzeitlichen Mammutprojekt Olympische Spiele (Boyle produzierte und inszenierte über ein Jahr lang die gelungene Eröffnungsfeier der Sommerspiele von London) wuchs die Erwartungshaltung für den nächsten Film natürlich beinahe ins Unermessliche. Boyle widerstand jedoch der Versuchung, seinen vorangegangenen Projekten in Sachen Größe und Bombast noch eins drauf setzen zu wollen, und wählte für seinen aktuellen Streifen „Trance“ stattdessen einen gänzlich neuen Ansatz.
 
Auf den ersten Blick ist es ein klassisches „Heist-Movie“, also eine Geschichte, die sich ganz um einen spektakulären Raub und dessen dramatische Folgen für das Leben aller Beteiligten dreht. Shootingstar James McAvoy (der dieses Jahr auch wieder als junger Charles Xavier in „X-Men: Days Of Future Past“ für volle Kinokassen sorgen wird) spielt den aufstrebenden Auktionator Simon, der mit Gangsterboss Franck (Vincent Cassel) gemeinsame Sache macht, um ein unermesslich wertvolles Gemälde von Francisco de Goya zu stehlen. Dumm nur, dass jeder auf den eigenen Vorteil bedacht ist und das Objekt der Begierde am Ende des turbulenten überfalls einfach nicht mehr aufzufinden ist!

Harter Tobak – hohes Tempo

Nach einigen ziemlich unappetitlichen Szenen, in denen Simon das Versteck des Gemäldes mittels körperlicher Gewalt entlockt werden soll, wird klar, dass dieser tatsächlich die Wahrheit sagt: Ein heftiger Schlag auf den Kopf während des Überfalls lässt ihn an partieller Amnesie leiden. Man sucht nach Alternativen und landet schließlich bei der attraktiven Hypnose-Therapeutin Elizabeth, die die so entscheidende Information aus den Untiefen des widerspenstigen Gehirns wieder ans Licht befördern soll.
 
Rosario Dawson als undurchsichtige Meisterin der Suggestion ist ehrlich gesagt die größte Überraschung in dieser an Überraschungen nicht eben armen Geschichte, denn gegen Cassel und McAvoy nicht nur zu bestehen, sondern ihnen nach und nach sogar die Schau zu stehlen, hätten wir ihr vor dem Film weiß Gott nicht zugetraut. Ihre Figur ist aber auch die mit Abstand faszinierendste, steckt sie doch voller unterschiedlichster Facetten (von größter Weiblichkeit bis hin zu erschreckender Resolutheit), die sie mit großer Souveränität und enormer Spielfreude auslebt.

Stylisher Thriller mit Hirn

Danny Boyle erzählt eine vielfach verschachtelte und zeitlich kunstvoll aufgefächerte Geschichte, die in einer chronologisch-regulären Erzählweise sicherlich einiges an Faszination verloren hätte. Die größte Stärke des Films ist seine Explosivität und seine  Lebendigkeit, die wild um sich und hemmungslos Haken schlagende Story, die immer wieder für eine Überraschung und noch eine unerwartete Wendung gut ist. Dazu kommt eine durchaus auf Sogwirkung und Beeinflussung des Zuschauers ausgerichtete Bildsprache, die mit coolem Style und großzügig eingesetzten Verfremdungseffekten die traumartigen Elemente der Handlung wirkungsvoll ins Medium Kino übersetzt.
 
„Trance“ ist somit zwar weniger das „hoch-komplexe Filmrätsel“, als das man es gerne verkaufen würde, dafür aber ein hemmungslos stylisher Thriller, der sich um Logik und Plausibilität weitaus weniger schert als um die aufregende Achterbahnfahrt eines durchweg spannenden und höchst unterhaltsamen Kinofilms. Die 100 Minuten Laufzeit vergehen wie im Fluge, und ist man bei den Credits angelangt, fühlt man sich beinahe selbst so, als ob man gerade eine intensive Hypnose-Stunde hinter sich hätte.

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