Inception

0
84

Inception, Teil 2

Jahre verträumt

Logikelement Nummer zwei ist die Dehnung der erlebten Zeit. Definiert man die gefühlte Zeit als die Gedanken, die im menschlichen Gedächtnis verweilen, so dehnt sich diese scheinbar im Traum. Unter jenem Aspekt ist es nur noch eine simple Rechenaufgabe, innerhalb dieser Traumzeit eine weitere Traumzeit anzusetzen, die letzten Endes aus einer Zehn-Minuten-Mission eine zehn Jahre währende Reise macht.
 
Je nachdem, wer von den Teammitgliedern gerade träumt, verändert sich auch die Welt entsprechend seines Charakters. Daher schlagen sich die Helden durch die unterschiedlichsten Gebiete, geben sich einer verregneten Verfolgungsjagd per Auto hin, rauschen durch ein schwereloses Hotel oder spielen auf der letzten planmäßigen Ebene James Bond auf der Ski-Piste. Dennoch sind in jedem Traum Schlüsselelemente aus Cobbs einflussreicher Phantasie enthalten wie z. B. seine Frau Mal (Marion Cotillard) über deren Verbleib erst im Fortgang der Handlung aufgeklärt wird. Sie ist der ruhelose Geist Cobbs‘ unbewältigter Vergangenheit, die ungewisse Komponente, die seine ansonsten perfekt ausgeführten Pläne bedrohen.

Was ist Inception?

Christopher Nolan ist es mit „Inception“ ein weiteres Mal gelungen, anspruchsvolle Motive in einer komplexen aber nicht allzu verdichteten Handlung mit tadelloser Action zu verbinden. Die Charaktere sind sorgsam ausgesucht und farbenfroh gestaltet. Jeder trägt also seine Rolle und agiert bzw. reagiert logisch nachvollziehbar wie in einem Schachspiel – eine Struktur, die zwar normalerweise ausschließlich dem Krimi-Genre vorenthalten ist, hier aber konsequent auf die Thrillerebene ausgeweitet wird.
 

Ein bisschen wirkt es schon wie „Dark City“ (1998) wenn sich ganze Straßenzüge um die eigene Achse wickeln, wenn Brücken aus dem Boden wachsen und die Welt auf den Kopf gestellt wird. Allerdings gibt es in diesem Fall keine grauen Eminenzen oder „Fremde“ mit telekinetischen Fähigkeiten. Einzig der menschliche Geist ist hier der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens und verleiht dem Film eine glaubhaft surreale Note. Dadurch bietet sich den Figuren auch ein übernatürlicher Spielplatz, auf dem sie die Action losgelöst jeglicher physikalischer Naturgesetze in „Matrix“-artigen Gefechten austragen können. Für den sinnvollen und fantasiereichen Einsatz der bahnbrechenden Spezialeffekte wurde Christopher Nolan daher auch von der Visual Effects Society mit dem VES Visionary Award geehrt.

Kein „The Dark Knight“

Inhaltliche Narrenfreiheit (in einem gewissen Rahmen) bedeutet zeitgleich auch eine größere Verantwortung bei der Gestaltung von Bild und Ton. Mittels audiovisueller Eingriffe hat der Regisseur die Möglichkeit, dem Publikum entweder mehr Transparenz über die Realitätsebenen zu verschaffen oder die vermeintliche Gewissheit schleierhafter zu gestalten, gar zu zerschlagen. Nolan entschied sich für letzteres. In mehreren Einstellungen sind die Konturen beispielsweise unklar, es wird mit Tiefenunschärfen gespielt und alles wirkt ein wenig traumhafter – selbst ein paar Szenen, die man ansonsten in der Wirklichkeit verorten würde, erscheinen dadurch plötzlich zwiespältig (Kann es sein, dass Cobb ab der Sequenz in der Opiumhöhle den Rest der Handlung träumt? Selbst der Kreisel könnte täuschen, weshalb wohl nur Nolan selbst eine Antwort auf diese Frage weiß).
 
Andere Unschärfen wiederum sehen ungewollt aus, zerren an der Klarheit insbesondere der Nahaufnahmen der Protagonisten. Des Weiteren zieht sich der extrem kontraststarke Look durch den kompletten Film und beschert ihm immense Schwarzflächen mit manchmal auch ein wenig unreinem, abgedunkeltem Weiß. Übersättigte warme Farben  definieren den Großteil des Films, selbstverständlich ändert sich dies in den ungeraden Traum-Ebenen, sprich der verregneten Stadt sowie dem „Schnee-Level“. Die Brillanz eines „The Dark Knight“ schließt „Inception“ daher schon wegen der stilistisch andersartigen Prägung von vornherein aus.

Kommentare im Forum