Opus 1.1

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Was kann der neue Audio-Internetstandard?

Im Alltag des Musikliebhabers ist der Codec Opus nicht gerade allgegenwärtig. Dennoch ist dieser dabei, die Audioqualität weltweit zu verbessern – und zwar im Internet. Doch was kann er, das seine Vorgänger nicht können?

Während bereits viele Audiocodecs für die Wiedergabe digitaler Musik existieren, besteht dennoch stets der Drang, deren Qualität zu verbessern. Doch je nach dem konkreten Einsatzgebiet stellen sich unterschiedliche Ansprüche an den Codec. Für das Musikarchiv zählt vor allem die Qualität, weshalb für gewöhnlich verlustfreie Codecs wie FLAC oder ALAC gewählt werden. Medienplayer mit kleineren Speichern profitieren hingegen von geringeren Dateigrößen, wobei ein Kompromiss zwischen Dateigröße und Qualität gefunden werden muss. Bei Abspielgeräten portabler Natur spielt wiederum die Komplexität des Codecs, genauer der Rechenaufwand, eine entscheidende Rolle. Ein höherer Aufwand bedeutet eine größere Belastung des Prozessors, der damit weniger von anderen Anwendungen in Anspruch genommen werden kann und andererseits mehr Leistung aufnimmt und damit die Akkulaufzeit verkürzt. Bisher ist jedoch nur die Rede von Codecs für zuvor kodierte und so gespeicherte Audiodaten. Noch größere Anforderungen werden dagegen an sogenannte Live-Codecs gestellt, die also Daten in Echtzeit kodieren und dekodieren sollen. Hier geht es darum, möglichst wenige Millisekunden Verzögerung bei der Kodierung und Dekodierung hervorzurufen, um die Anwendung zum Beispiel bei Internettelefonie zu ermöglichen. Ist hier die Verzögerung zu groß, kommt es zu der unangenehmen Situation, bei der mehrere Teilnehmer des Gesprächs durcheinanderreden, weil sie nicht mitbekommen haben, dass am anderen Ende der Leitung auch schon die Entscheidung zum Weiterreden gefallen ist.
 
Genau hier kommt Opus ins Spiel. Das hochgesteckte Ziel des Projektes ist es, einen echtzeitfähigen Codec zu entwickeln, der sowohl Sprache als auch Musik effizient reduziert und dabei bei gleicher Bitrate subjektiv besser klingt als seine Vielzahl an Konkurrenten. Oder kurzum: Er sollte neuer Internet-Standard werden – und hat es auch geschafft. Im September 2012 hat die Internet Engineering Task Force (IETF) die Spezifikation und eine Referenzimplementierung als Standard festgelegt. In Zukunft sollen sowohl der bewährt Codec G.711 (ITU-T) als auch Opus für Live-Anwendungen auf Basis des neuen Standards HTML5 verwendet werden. Der große Vorteil des Codecs: Im Gegenteil zu Varianten wie MP3, WMA und Co. fallen keine Lizenzgebühren an, der Codec darf kostenlos genutzt und sogar modifiziert werden. Zwar existieren Patente für Teile des Codecs, diese sollen jedoch nur dem Schutz vor anderen Patentinhabern dienen.
 
Hinter Opus stecken wohlbekannte Namen: Er entstand und wird weiterentwickelt unter der Obhut der Xiph Foundation. Das Licht geht spätestens dann auf, wenn erwähnt wird, dass dies die Organisation ist, die das Projekt des OGG-Vorbis-Codecs ins Leben gerufen hat, um einen Konkurrenten zu den lizenzgebührenbehafteten Formaten zu entwickeln. Seitdem hat Xiph sich stets für die Verbreitung für offene (und kostenfreie) Multimedia-Standards eingesetzt und mittlerweile auch Codecs wie FLAC, Speex und das Videoformat Theora unter seiner Schirmherrschaft. Gründer und Erfinder des Ogg-Codecs Chris „Monty“ Montgomery arbeitet derzeit mit Mozilla an Daala, einem Video-Codec der dem neuen H.265-Codec qualitativ überlegen sein soll, und im Gegensatz zu diesem natürlich auch wieder frei verfügbar ist.
 
Doch genug der allgemeinen Worte. Es bedarf eines genaueren Blickes auf Opus, um dessen Leistung zu erkennen. Opus arbeitet mit einer minimalen Latenz von 5 Milisekunden (ms), Was ein sehr guter Wert für Echtzeitanwendungen ist. Steht nur eine geringe Bandbreite zur Verfügung, ist ein Chat schon ab 6 kbit/s in Mono möglich. Um bei einer solch geringen Datenrate noch Verständlichkeit zu gewährleisten, muss der Algorithmus hervorragende Arbeit leisten. Im Audio-Enthusiasten-Forum „HydrogenAudio“ wurde ein großangelegter Hörvergleich durchgeführt, wo die 64-kbit/s-Variante des Codecs mit denen anderer verglichen wurde, wobei sich Opus erfolgreich an der Spitze platzieren konnte. Eine Besonderheit des Codecs ist, dass ihm genaugenommen zwei Reduktionsverfahren zugrunde liegen, die zuvor schon als separate Codecs veröffentlich wurden: SILK und CELT. SILK wurde von Coen Vos für Skype entwickelt und ist für die Codierung von Sprache optimiert. CELT wurde von Montgomery sowie Jean-Marc Valin und Timothy B. Terriberry (beide Mozilla und Xiph) entwickelt und ist für Musik geeignet.Während bei 64 kbit/s CELT stets am besten klingt, entscheidet der Codec darunter selbstständig und abhängig vom analysierten Inhalt, welches Verfahren zum Einsatz kommt. Nur in einigen Bereichen kommt SILK festgelegt zum Einsatz. Die automatische Selektion ist allerdings eine Neuerung, die erst mit Version 1.1 des Codecs hinzukam, veröffentlicht am 5. Dezember 2013. Dort wurde auch die Surround-Kodierung (bis zu 255 Kanäle möglich) weitreichend optimiert, um Klang und Datenrate zu verbessern. Viele kleinere (und kompliziert zu erläuternde) Änderungen lassen sich auf xiph.org nachlesen. Generell arbeitet der Codec jedoch so, dass sowohl Bitrate als auch Samplingrate stets variiert werden können. Zu Beginn unterstützten Programme wie Firefox, foobar2000 und der VLC-Player den Codec, mittlerweile dürften es dank der kostenlosen Lizenz wesentlich mehr sein. Hauptsächlich wird jedoch zunächst die Verbreitung bei Voice-Over-IP-Anwendungen erwartet.

Kerndaten von Opus

  • Bitrate von 6 kbit/s bis 510 kbit/s
  • Samplingrate von 8 kHz bis 48 kHz
  • Frame-Größen zwischen 2,5 ms und 60 ms
  • Unterstützung fester (CBR) und variabler (VBR) Datenraten
  • Flexibel wechselbare Optimierungen für Sprache und Musik
  • Flexibel anpassbare Bitrate, Samplingrate und Framegröße
  • Kanalzahl zwischen 1 und 255

(Martin Heller)

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