Surround unter Kopfhörern

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Die neue Generation Surround-fähiger Kopfhörer

Nachdem viele Ansätze für Surround-Sound für Kopfhörer in der Vergangenheit gescheitert sind, scheint sich nun doch eine Variante durchzusetzen: HRTF-basierte Systeme. Wie diese funktionieren, zeigen wir Ihnen am Beispiel von Beyerdynamics Headzone und Sennheisers PC 333D.

Hersteller wie Sony, Sennheiser und Speedlink verfolgten in der Vergangenheit unterschiedliche Ansätze, um Mehrkanalton unter Kopfhörern möglich zu machen. Zumeist handelte es sich dabei um Lösungsansätze in der Konstruktion des Kopfhörers selbst, es kamen aber auch digitale Effekte zum Einsatz, die den Surround-Sound virtuell umsetzen sollten. Insbesondere die digitalen Lösungen waren akustisch oftmals nicht zufriedenstellend. Es entstand ein künstlich aufgeblasenes Klangbild, wodurch unangenehme frequenzielle Änderungen auftraten. Der Hörgenuss von Musik beispielsweise wurde so deutlich vermindert. Lösungen, die durch tatsächliches Anbringen von mehreren Treibern pro Ohrmuschel klanglichen Erfolg versprachen, scheiterten am Tragekomfort, an der ungewohnten Akus tik durch die vielen Lautsprecher nahe des Ohrs oder an der geringen Flexibilität der Anschlussmöglichkeiten. Nicht jedes Zuspielgerät mit Unterstützung digitaler Tonformate besitzt auch sechs analoge Ausgänge, wie für manche Kopfhörer nötig.
 
Außerdem wären selbst dann noch Adaptierungen von Cinch auf Miniklinke notwendig. Hat man einmal einen gefälligen Kopfhörer gefunden, so kann mit ihm unter Umständen nicht auf normales Kopfhörer-Stereo umgeschaltet werden. Bei Systemen mit mehreren Treibern lassen sich die Stereotreiber nicht in der Position verändern, sodass man den gewohn ten Kopfhörerklang nicht wie derherstellen kann. Ebenfalls von Nachteil ist die Tatsache, dass man in klanglicher Hinsicht an den Kopfhörer des Herstellers gebunden ist. Da Surround-Kopfhörer eher eine Nischenerscheinung sind, ist meistens nur ein Modell pro Anbieter vorhanden. Ist der Nutzer klanglich damit nicht zufrieden, besteht keine Ausweichmöglichkeit, beispielswei se auf ein vertrautes Modell. Zuletzt sollte man beachten, dass der interessierte Käufer mittlerweile das Vertrauen verloren hat: Viele Ansätze für Surround unter Kopfhörern wurden zwar vollmundig angepriesen, hielten jedoch nicht das, was sie versprachen, oder enttäuschten in einem der beschriebenen Punkte.

Der entscheidene Ansatz – HRTF

Ursprung der Idee ist ein einfacher Gedanke: Wenn wir in der Realität nur zwei Ohren brauchen, warum sollte Surround dann nicht auch mit nur zwei Schallquellen möglich sein? So kam es schon in den 1930er Jahren zu Kunstkopfaufnahmen, bei denen ein ausmodellierter Kopf samt Ohren als Hülle für zwei Mikrofone dient, die sich in Trommelfellposition befinden. Beim Anhören dieser Aufnahmen ist es wichtig, dass der Kanal für das rechte Ohr auch wirklich ausschließlich auf diesem ankommt, weshalb Kopfhörer eine Grundvoraussetzung sind. Der Hörer wird sozusagen in das Geschehen zum Zeitpunkt der Aufnahme versetzt und befindet sich in Position des Kunstkopfes. Bei Kunstkopfaufnahmen sind beeindruckend räumliche Ergebnisse mit hervorragender Lokalisation zu bestaunen, die dadurch funktionieren, dass die kompletten Informationen der HRTF enthalten sind. Die Abkürzung HRTF steht für „Head Related Transfer Funktion“, also zu Deutsch die kopfbezogene Übertragungsfunktion.
 
Dieser abstrakte Begriff beschreibt einen einfachen Sachverhalt: Beim Hörvorgang in natürlicher Umgebung ändert sich der Klang einer beliebigen Schallquelle durch Reflexionen und Beugungseffekte an Rumpf, Kopf und Ohr. An beiden Ohren kommen dabei geringfügig unterschiedliche Signale an. Diese Änderungen sind richtungsspezifisch, sie enthalten also Informationen, in welcher Richtung sich vom Hörer aus gesehen die Schallquelle befindet. Darüber hinaus verändert sich der Klang einer Schallquelle mit der Entfernung. Der Raum selbst wird angeregt und klingt sozusagen mit, außerdem wirkt die Luftmasse als Filter, der hohe Frequenzen absenkt. Systeme, die die HRTF als Grundlage für die Berechnung verwenden, schenken all diesen Faktoren Beachtung und übernehmen dabei Arbeit, die unser Gehirn eigentlich beim tatsächlichen Hörvorgang zu erledigen hätte. Es wird also für den Hörer eine virtuelle Abhörumgebung geschaffen, die möglichst viele Eigenschaften eines realen Raumes aufweist.
 
So entsteht der Eindruck, der Ton komme nicht mehr aus den Kopfhörern, sondern man befinde sich tatsächlich in einem anderen akustischen Raum. Die Richtungsinformationen für das System ergeben sich aus dem Mehrkanalton: Jeder Kanal befindet sich an einer festen Position und somit auch in einer bestimmten Richtung im erschaffenen Raum, da aus den Kanälen virtuelle Lautsprecher erstellt werden. Ein entscheidender Faktor, der bisher kaum Beachtung findet, ist die Tatsache, dass der Mensch beim Hören unbewusste Lokalisationsbewegungen mit dem Kopf durchführt. Insbesondere wenn sich eine Schallquelle genau mittig frontal vor dem Kopf befindet, kann das Gehör eigentlich keine Richtung feststellen, da es keine Unterschiede zwischen den Signalen am rechten und linken Ohr gibt, die sonst für die Lokalisation erforderlich sind. Da es so zu Verwechslungen zwischen vorn und hinten kommen würde, bewegen wir unbewusst den Kopf minimal, um die fehlenden Informationen zu sammeln. Wichtig wird dieser Sachverhalt, weil sich der Center-Kanal theoretisch genau zentral in der Front befindet. Durch diese Bewegungen wird aber auch die Lokalisation in allen anderen Richtungen verbessert. All jene Faktoren lassen klar werden, weshalb die Umsetzung von Surround-Sound viel komplizierter ist als zunächst angenommen. Aufgrund der hohen benötigten Rechenleistung liegt die Lösung momentan eher im Hardware-Bereich als in Software-Produkten.

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