
Apple TV+ startet mit „Chief of War“ sein neues Historien-Epos. DIGITAL FERNSEHEN hat die Serie vorab gesehen.
„Chief of War“ ist brachial und martialisch. Das beginnt schon bei diesem überbetonten Männerspektakel aus Muskelmassen, schimmernder Haut, nackten Hintern, Brüllen, Grunzen, Bluten, Kämpfen. An der Grenze zum unfreiwillig komischen Exzess, der sich nach einiger Zeit zum Glück etwas fängt! Dazu gibt die Pilotfolge dieser neuen, vielversprechenden Serie einen ersten Vorgeschmack auf die drastische Gewalt, die, so viel kann man andeuten, vor allem später in der Staffel zum wuchtigen Schlachtengemälde eskalieren wird.
Und schon früh rückt Jason Momoa in der Hauptrolle an vorderste Front. „Chief of War“ ist seine Serie, seine große Show. Nicht nur, dass er das Format an der Seite von Thomas Pa’a Sibbett mitentwickelt hat. Er nutzt die neun Episoden umfassende Streaming-Bühne, um sich als gestählten, kraftstrotzenden, aber auch tragischen Helden zu inszenieren. Gleich in den ersten Szenen der Serie ringt er unter Wasser mit einem Haifisch. Wenig später zieht er in den Kampf und „Chief of War“ beginnt mit allen Grausamkeiten, allem Bombast, aus dem ein solches Historien-Epos gern seine Sensationen zieht.

Machtkämpfe auf Hawaii
Die Apple-Serie spielt im späten 18. Jahrhundert auf den hawaiianischen Inseln, wo erbitterte Machtkämpfe zwischen den Königreichen ausgetragen werden. Eine Voice-Over-Stimme erklärt anfangs die wichtigsten Hintergründe und Konstellationen. Da ist die Rede von einer Prophezeiung. Die Popkultur liebt derlei mythisch aufgeladene Stoffe, auch in all ihren Schattierungen. Wiederholt geht es dort um die Abgründe derlei messianischer Vorstellungen und wie selbige ideologisch missbraucht werden können.
Eine solche Kritik spielt auch in „Chief of War“ eine zentrale Rolle. Man wartet hier darauf, dass sich die eine Führergestalt zu erkennen gibt, die die Reiche angeblich vereinen und für Frieden sorgen soll. Und natürlich streben verschiedene Parteien nach dieser Rolle. Die Serie erzählt damit ebenso von der Tyrannei, die nach der Herrschaft greift, die Blutlinien bereinigen und alles und jeden ihrem Weltbild unterwerfen will.

„Chief of War“ begeistert vor allem auf der Zielgeraden
Jason Momoa spielt in diesem Szenario einen Krieger namens Kai’iana, der zu einer umherreisenden Mittlerfigur wird und damit wiederholt mit den Möglichkeiten und Grenzen seiner Einflussnahme sowie seinem Ansehen in der Gemeinschaft hadert. Denn nicht nur die internen Machtkämpfe auf den Inseln gilt es auszutragen. Ein anderes Unheil kündigt sich bereits an. Da treiben Fremde aus der Ferne ihr Unwesen, die mit Schiffen anlegen und umherziehen. Die Gefahr einer kolonialen Landnahme und Eroberung zeichnet sich ab. Da prallen Kulturen und Zivilisationen misstrauisch bis feindselig aufeinander und müssen einen Umgang miteinander aushandeln, ehe die reine Gewalt regiert. Noch bilden diese Konflikte weitgehend den Hintergrund für die Scharmützel untereinander, aber bereits die erste Staffel von „Chief of War“ betont damit eine große Fallhöhe. Und sie zeigt die Barbarei, zu der die Eindringlinge von außen fähig sind.
Apple TV+ bekommt damit quasi sein eigenes „Game of Thrones“. Auch hier geht es um die zermürbenden Kreisläufe, einen Frieden herzustellen, der zugleich wieder von neuen politischen Kriegsschauplätzen torpediert wird. Nichtsahnend, dass man auf größere Gefahren zusteuert, die die meisten Beteiligten noch nicht erkennen können oder sehen wollen. Als Serie erscheint das über neun Episoden hinweg manchmal arg schleppend und in die Länge gezogen. Gerade der Mittelteil der Staffel erschöpft sich etwas in sehr gleichförmig gestrickten Szenen aus Empfängen, Androhungen und bedeutungsschwerem Zaudern. In Erinnerung bleibt hier eigentlich nur eine gewisse Rutschpartie an einer Klippe, die der Trailer zur Serie bereits angedeutet hat und die gerade mit ihrer Tricktechnik einen beinahe trashigen Charme erhält.

Faszinierende, unverbrauchte Filmwelt
Vollends kommt „Chief of War“ aber erst im letzten Drittel der Staffel zu sich und diese Stärke kann man der Serie durchaus lassen. Es lohnt sich am Ball zu bleiben, allein für die letzten Episoden, die mit einigen spannenden Charaktermomenten aufwarten. Jason Momoa überrascht dabei mit selten gesehener Zerbrechlichkeit. Der Held zeigt sich zerrissen und in Trauer. Und mehr noch: Auf der Zielgerade nehmen all die Konflikte, die die Staffel bis dahin ausstreut, erheblich an Fahrt auf und sie steigern sich zu apokalyptischen, endzeitlichen und extrem blutigen Szenen. Apple sucht hier das Event- und Prestige-Fernsehen und dürfte sich damit in den kommenden Wochen wahrscheinlich gut ins Gespräch bringen, wen die betreffenden Folgen ausgestrahlt werden.
Vor allem aber besticht diese Apple-Serie nach wahren Begebenheiten mit ihrer Welt an sich. Sie wird eingehegt in allerlei massentaugliche Erzählformeln, Ja, aber allein die Repräsentation, die hier vorgenommen wird, muss man wahrscheinlich schon als respektables Risiko für den Streaming-Markt sehen. Die Serie nimmt sich erstaunlich viel Zeit, die kulturellen Praktiken, die Rituale, die Kostüme, die Waffen dieser historischen Welt vorzuführen. Und das ist nun mal eine Welt, die man bislang selten so ausführlich und facettenreich in einem Film oder einer Serie bestaunen konnte. Deshalb erscheinen viele Bilder auch so unverbraucht! Dazu sind die meisten Dialoge der Serie in hawaiianischer Sprache inszeniert. Auch das kann man als mutigen Schritt bezeichnen, der sich ausgezahlt hat. Das alles ist zwar noch keine Qualität an sich, aber „Chief of War“ kreiert damit eine faszinierende Fremdheitserfahrung und eine Konfrontation mit einer marginalisierten Kultur, die über so manche erzählerische Länge hinwegtröstet. Serien-Auftakt geglückt!
„Chief of War“ läuft ab dem 1. August 2025 bei Apple TV+. Zum Auftakt erscheinen zwei Episoden. Die übrigen sieben Episoden werden dann jeden Freitag veröffentlicht.