Heute vor 30 Jahren veränderte „Twin Peaks“ das Fernsehen

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Bild: © 2012 Twin Peaks Productions, Inc. All Rights Reserved.

Autorenfilmer-Querkopf David Lynch setzte sich mit der grotesken Melange aus Mystery, Soap und Krimi ein Denkmal: Vor 30 Jahren startete die Ausstrahlung der bahnbrechenden TV-Serie „Twin Peaks“ in Deutschland.

Als sich der exzentrische Filmemacher David Lynch sich 1984 mit dem fatalen Scheitern seiner „Dune“-Umsetzung an den Kinokassen aus dem großen Hollywood-Geschäft katapultiert hatte, blieb für den Tolle tragenden Sonderling auf den ersten Blick nur tief sitzender Frust zurück. Auf den zweiten Blick fanden sich jedoch bei den Dreharbeiten zum Monumental-Flop zwei eigenwillige Charaktere, deren fortwährende Zusammenarbeit im Gegensatz zur Verfilmung von Frank Herberts Science Fiction ein äußerst erfolgreiches Kapitel Filmgeschichte ist: Der Regie-Rebell David Lynch und „Dune“-Hauptdarsteller Kyle McLachlan.

Das Dream-Team David Lynch und Kyle McLachlan

Zwei Jahre später sollte McLachlan in Lychs surrealem Thriller „Blue Velvet“ als junger Gegenspieler eines psychopathisch-gefährlichen Dennis Hopper so begeistern, wie es ein mimisch reduziert und ständig eingefroren wirkender Schauspieler nur kann. Die Entrücktheit von Kyle McLachlans Spiel und David Lynchs inszenatorische Merkwürdigkeit passten einfach perfekt zusammen – und konnten ohne den Ballast einer Monumentalfilm-Umsetzung wunderbar wirken.

Anfang der 90er Jahre landeten Lynch und McLachlan dann zusammen einen Coup, der die TV-Geschichte nachhaltig prägen sollte: „Twin Peaks“ war eine Seriensensation, deren schiere Unwahrscheinlichkeit im Rahmen ihrer Zeit einen Kultfaktor begründete, an den nur ganz wenige andere TV-Produktionen in der Geschichte des Mediums heranreichen können.

Die Idylle von „Twin Peaks“ ist nur Fassade

Der Mord an einem jungen Mädchen erschüttert die Kleinstadt-Idylle des titelgebenden Örtchens, das eingerahmt von purer Landschaftsromantik immer mehr in einem wahnsinnigen Alptraum versinkt. Ohnehin sind die strahlend hellen und 90er-typisch weichgezeichneten Bilder des kleinen Urlaubsortes nicht mehr als ein rissiges Make-Up, das die darunter gärende Realität aus tödlichen Intrigen, häuslicher Gewalt und den Machenschaften dämonischer Mächte niemals wirklich verdecken kann.

Kyle McLachlan als verschrobener Held

Kyle McLachlan kommt in bester Italowestern-Manier als einsamer Held nach „Twin Peaks“, um den Mord an der jungen Laura Palmer aufzuklären – und ist mindestens genauso verschroben wie die Einwohner des Bergdorfes. Was sich dann an Handlung und Nicht-Handlung entspinnt, ist mittlerweile TV-Geschichte und auch die unendlich reichhaltige Trivia um die Serie lässt kein Auge trocken: So besetzte Lynch die Rolle des Killers schlichtweg mit einem Kulissenbauer, den er zufällig bei einer Aufnahme mit gefilmt hatte.

„Twin Peaks“ startete bei RTL Plus

Als stilbildend kann „Twin Peaks“, das heute vor 30 Jahren bei RTL Plus in Deutschland erstausgestrahlt wurde, aus absolut unterschiedlichsten Gründen: Die verwobene Kontinuität der Handlung einer Serie über diverse Episoden war in dieser Form im Serienfernsehen ebenso ungewöhnlich wie die enormen Ansprüche, die das Format an ein TV-Publikum stellte, das solche Konzentrationsübungen nicht wirklich gewohnt war. Heutzutage konfrontieren ausufernde TV-Epen wie „Game of Thrones“ und vertrackte Plot-Puzzle wie die deutsche Netflix-Sensation „Dark“ die Zuschauer mit einer Selbstverständlichkeit mit Komplexität und weitläufiger Kontinuität, die ohne das Vorpreschen eines David Lynch vielleicht nicht so schnell im Fernsehen Einzug gehalten hätte.

Dritte Staffel nach 25 Jahren Pause

Dass David Lynch nicht selbiger wäre, wenn er nicht nonchalant immer noch ein wenig weiter gehen würde, als es die meisten brauchen, zeigt sich an der dritten Staffel von „Twin Peaks“: Ein Vierteljahrhundert nach dem abrupten Ende der zwei Original-Staffeln jagte Lynch dem unvollendeten Werk eine wahrlich irre Fortsetzung hinterher, die auch mit vorherigem Tiefenstudium des Ur-Materials eigentlich mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet.

Das Prequel „Fire, Walk with Me“

Kleine Warnung an alle, die „Twin Peaks“ noch nicht gesehen haben: Das Film-Prequel „Fire, Walk with Me“ darf eigentlich nicht vor der ursprünglichen Serie angesehen werden, da es kritische Spoiler enthält. Darüber hinaus kann sich die herzzerreissende Wirkung des Films nur dann wirklich entfalten, wenn die Werke in der richtigen Reihenfolge laufen.

Hinweis: Zu sehen gibt es sämtliche drei Staffeln der Kult-Serie derzeit bei Sky Ticket.

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Bildquelle:

  • twin-peaks: © 2012 Twin Peaks Productions, Inc. All Rights Reserved.

33 Kommentare im Forum

  1. Also ich kann bis heute mit dieser Serie und auch insgesamt mit Herrn Lynch, sehr wenig anfangen.
  2. Ich habe die auch nie gesehen und wollte das auch nie, dabei bin ich Serienfan. Aber die trifft halt nicht meinen Geschmack.
  3. Wenn man sie noch nie gesehen hat, kann man auch nicht wissen, ob sie einem gefällt. Ist halt gute oldschool Mystery, die vom gammeligen Sender abc etwa bei der Hälfte der 2. Staffel etwas kaputt gemacht wurde. Aber die 3. Staffel löst einiges auf oder vielleicht auch nicht :barefoot:
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