
„Der falsche Tote“ heißt der neunte Film der ARD-Reihe „Der Amsterdam-Krimi“. Erneut ermitteln Hannes Jaenicke und Fedja van Huêt in einem allgegenwärtigen Netz aus Verwahrlosung und Korruption. Zu sehen ist der Fall am Donnerstagabend zur besten Sendezeit.
Möwen kreischen, die Luft ist diesig. Dann auf einmal Schüsse. Unversehens töten zwei Vermummte auf offener Straße einen Mann – Passanten rennen in Panik davon. Die Täter verletzen einen Polizisten und fliehen ins Gewimmel der Großstadt. In dieser lebensgefährlichen Lage muss die Kripo blitzschnell reagieren. „Wir bilden einen Krisenstab. Ein Außenteam, ein Innenteam“, befiehlt Hauptkommissar Bram de Groot (Fedja van Huêt).
Als die Täter zurückkehren und sich in einer Kneipe verschanzen, gelingt es seinem eigenwilligen deutschen Kollegen Alex Pollack (Hannes Jaenicke), einen der beiden zu stellen. Es ist Anouar (Hamza Iallouchen), ein bisher unbescholtener Teenager arabischer Herkunft. Der Komplize entkommt.
Moderne Themen im Thriller-Genre
Das ist der Ausgangspunkt des „Amsterdam-Krimis“ mit dem Titel „Der falsche Tote“ am Donnerstag (8. Mai) um 20.15 Uhr im Ersten. Auch dieser Fall aus der scheinbar so malerischen niederländischen Hauptstadt mit ihren Grachten und alten Giebeln macht dem Ruf der seit 2018 laufenden Reihe Ehre, Krimis der Extraklasse aufzubieten. Oder vielmehr Thriller. Denn, wie es der Hauptdarsteller Jaenicke 2022 im Magazin «Prisma» formuliert hat: „Wir klären nicht, wie gewohnt, nach anfänglichem Leichenfund die dazugehörigen Morde auf, sondern erzählen komplexe, moderne Themen im Thriller-Genre.“
Als Regisseur einer nach dieser Definition durchweg aus den Fugen geratenen Welt zeichnet diesmal der „Tatort“-Macher Sebastian Ko verantwortlich – nach dem Drehbuch von Stefan Holtz („Donna Leon“). Und schließlich ist es einmal mehr die komplexe Abgründigkeit der Geschichte, ihrer Handlungsträger und deren zwischenmenschlichen Beziehungen, die den Film innerhalb des deutschen TV-Krimi-Universums außergewöhnlich und aufregend macht.
Manchmal auch verwirrend – aber das passt zum Konzept. Schließlich prägen Lüge und Verrat, Verdacht und Untreue, Geldgier und Skrupellosigkeit auf fast allen Ebenen das Geschehen. Eine Riege ausgezeichneter deutscher und niederländischer Schauspieler lässt es dabei an Vielschichtigkeit nicht fehlen.
Ein Mord aus Versehen?
So gibt es zunächst auch einen falschen Verdacht. Ist der Tote Hoogendijk, unauffälliger Familienvater und Bauamts-Mitarbeiter, nicht ein Zufallsopfer? Leidtragender des niederländischen Phänomens „Vergismoord“ – des Mords aus Versehen? Sollte nicht ursprünglich der Anwalt Versteijnen daran glauben, der gerade in einem Mafia-Prozess einen Kronzeugen vertritt? Bald geraten die Ermittler in ein Spannungsfeld von Clan-Kriminalität und Populismus.
Allerdings: „Es ist nie so, wie es scheint, Alex“, sagt dessen in mehr als dubioser Lage wieder aufgetauchte Ex-Kollegin und Ex-Freundin Katja Wolf (Adina Vetter) zu dem Deutschen, der ursprünglich als Undercover-Agent nach Amsterdam gekommen war. Immer atemloser wird der Wettlauf gegen die Zeit.
Überall scheint der Teufel am Werk
Die eigentliche Faszination des Films macht es aus, wie er all die Verkommenheit bildlich und akustisch umsetzt – durch die Kamera von David Hofmann und die Musik von Matija Strnisa.
Rasende Stadtbahnen und vorbei sausende Autos, lärmend schwirrende Hubschrauber, eingespielte Social-Media-Kommentare und flirrende Bilder von Überwachungskameras sowie eine dumpf peitschende Tonkulisse sorgen für mehr als nur ungemütliche Atmosphäre. Es ist eine Welt, in der Polizei und Verbrecher einander auch nicht klar abgegrenzt gegenüberstehen. Sondern in welcher der Teufel überall am Werk zu sein scheint – wobei die Liebe meist zu kurz kommt.
Text: Ulrike Cordes (dpa) / Redaktion DF: mw
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