„Challengers“: Zendaya brilliert in einem Erotik-Drama über Sport und Begehren

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Zendaya und Mike Faist in
Foto: © 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pic...

In „Challengers – Rivalen“ ist Hollywood-Star Zendaya („Dune: Part Two“) Teil eines verhängnisvollen Liebesdreiecks. Ein kluger Film, in dem Sport, Kampf und Erotik zerfließen.

Luca Guadagnino ist aktuell einer der wenigen populäreren Filmschaffenden, in deren Kino Erotik noch eine zentrale Rolle spielt. Wenige erforschen so klug und facettenreich menschliche Triebe und Begierden. Nicht in dem Sinne, dass seine Filme herkömmlich als (soft)pornographisch bezeichnet werden könnten oder mit oberflächlichen, mechanischen Reizen spielen würden. Vielmehr loten sie Erotik als weites, widersprüchliches, zum Teil unbehagliches Bedeutungs- und Kräftefeld zwischen Menschen aus, in dem Erregung und Schmerz, Verlangen und Verlust, Intimität und Abstoßung gleichermaßen sinnliche wie intellektuell anregende Spannungen ergeben. Was etwa in seinem Meisterwerk „Call Me By Your Name„, dem Hexen-Horror „Suspiria“ oder zuletzt der Kannibalen-Romanze „Bones and All“ bereits in eindrucksvollen Anordnungen gipfelte, beleuchtet Guadagnino nun in „Challengers – Rivalen“ wieder aus einer neuen Perspektive.

Schon innerhalb des Vorspanns zeigt der italienische Regisseur ekstatische Körper in Großaufnahme. Oder vielmehr Ausschnitte davon, verlangsamt in ihren Bewegungen: verzerrte Münder, fokussierte Augen, glänzende Haut, der Schweiß läuft über Gesichter. Sport dient Guadagninos Film nicht zuletzt als erzählerischer Gegenstand und Zustandsbeschreibung, in der der Mensch die Verausgabung, Grenzüberschreitung und das ständige Wetteifern im Turnier ausagiert. Er wird zugleich zum Bild entfesselter Bedürfnisse und Sehnsüchte, die nur in dieser Form der körperlichen Konkurrenz und Gegenüberstellung artikuliert und ausgelebt werden können. Ein lockeres Flirten und Verführen stürzt dabei unaufhaltsam in großes Drama.

Challengers im Kino
Foto: 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

„Challengers“ erzählt von einem turbulenten Liebesdreieck im Tennis

Auf dem Tennisplatz entfaltet „Challengers“ eine Dreiecksbeziehung. Dort liefern sich Patrick (Josh O’Connor) und Art (Mike Faist) ein Duell, während Tashi Duncan (Zendaya) die beiden kritisch von der Tribüne aus beäugt. Spannungen liegen zwischen ihnen in der Luft. Einst waren die drei befreundet, teilten sich mitunter ein Bett. Mittlerweile hat Rivalität die Oberhand über den früheren Funkenflug erlangt. Tashi und Art sind verheiratet, wohlhabend. Die ehemalige Tennis-Spitzensportlerin kann nach einem Unfall allerdings nur noch als Trainerin ihres Mannes im Hintergrund agieren. Patrick ist derweil tief gefallen, kann sich nicht einmal mehr ein Hotelzimmer leisten. Für ihn wäre ein Turniersieg der finanzielle Aufstieg und er drängt erneut in die Beziehung seines amourösen Konkurrenten.

Alles in diesem Film ist von unterschwelliger Lust, von aufgegeilten, verstohlenen Blicken und sexuellen Spannungen geprägt. Von Momenten, in denen Figuren jederzeit übereinander herfallen könnten oder geschickt und manipulativ miteinander spielen, die Sehnsüchte des Gegenübers ausnutzen wissen. Dennoch stehen in „Challengers“ weder simple Darstellungen von Nacktheit oder Geschlechtsverkehr im Mittelpunkt, weil es der Regiearbeit von Luca Guadagnino und Justin Kuritzkes Drehbuch vielmehr um den Prozess des Fragens und Wühlens geht, inwiefern Erotik in einer Zeit des Leistungsdenkens und der Positionierung von Menschen als Dauerkonkurrenten überhaupt möglich ist, wie sie aussehen kann, was sie fordert und stillt.

Art und Patrick in "Challengers"
Foto: 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Liebe, Konsum und Leistung

Die Soziologin Eva Illouz legte mit „Der Konsum der Romantik“ eine vielschichtige Bestandsaufnahme vor, wie sich der Kapitalismus und Vorstellungen von Liebe und Erotik gegenseitig durchdringen, auf welchen Ebenen Romantik nebst aller Klischees als Ware gehandelt wird und von wirtschaftlichen Interessen durchzogen ist. Wie Werbeversprechen und Produkte das Liebesverhalten von Menschen beeinflussen, steigern, aber auch in gewisse Grenzen zwängen, wie das Zahlen und Erwerben Teil von Liebesritualen ist. Illouz‘ Studie gipfelt dabei nicht zuletzt in einer Auseinandersetzung mit vorherrschenden Klassenunterschieden. Sie richtet den Fokus darauf, wie Liebe als Utopie, Traum und Freiheit zugleich eine Freiheit in Berufs- und Privatleben voraussetzt, welche ökonomisch jedoch ungleich verteilt ist, trotz aller Grenzverwischungen und Annäherung in den verschiedenen sozialen Praktiken.

„Challengers“ in einem solchen Rahmen und Zusammenhang zu lesen, ist gewinnbringend, weil diesem Film eine sehr ambivalente und verunsichernde Zuspitzung und Überzeichnung der Verflechtung von Begehren und kapitalistischen Interessen und Denkmustern gelingt. Nicht nur, weil er über die entstandenen Klassenunterschiede innerhalb seines Liebesdreiecks eine Hierarchie konstruiert, die immer wieder an den jeweiligen Stellungen schraubt oder aber sie sich zunutze macht: Die liebende, getriebene Ehefrau, die irgendwann den Bedürftigen zu manipulieren versucht, um ihrem schwächelnden Partner wieder Ansehen zu verschaffen und die soziale und ökonomische Stellung der Familie zu erhalten. Leistung, Leistung, Leistung ist alles, was zählt in dieser Welt, die alle in Rivalen verwandelt, welche selbiges Spiel wiederum lustvoll mitspielen. Dass Tashi durch einen unglücklichen Schritt daran scheitert, wirft ihr gesamtes Leben aus der Bahn und bringt eine weitere Fallhöhe in die Karrieren der drei Hauptfiguren.

"Challengers" mit Zendaya und Josh O'Connor
Foto: 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Werbegesichter

„Challengers“ geht noch weiter in seinen Implikationen! Wenn seine männlichen Protagonisten in die Sphäre der angehimmelten Tashi geraten, dann begegnen sie auch deren Antlitz auf Adidas-Plakaten. Ein Werbegesicht, eine überhöhte, makellose Gestalt, deren Aura und Schönheit auf dem Tennisplatz längst in einen Markt integriert wurde. Schönheit, Lust und Verlangen sind hier immer auch von ihren Illusionen, Versprechen und verkauften Trugbildern her gedacht.

Wenn sich Art und Patrick irgendwann ihr Match liefern und die Kamera ihre Körper studiert, fragmentiert, wenn Muskeln angespannt, Grimassen gezogen werden, der Schweiß in Strömen läuft und auf die Kamera tropft, ist das nicht nur die Eskalation des amourösen Konflikts dieses Films. Es ist ebenso die zwiespältige Verwandlung in überstilisierte Medienkörper, in ein Idealbild des bis ans Äußerste gehenden, disziplinierten Menschen, das von jenen Werbeplakaten nicht mehr zu trennen ist. Je kreatürlicher der Mensch, desto künstlicher, geformter erscheinen die Aufnahmen. Nur, wer wird am Ende als Sieger hervorgehen? Spielt das gar keine Rolle, kann es hier nur Verlierer geben?

„Challengers“ zeigt die Erotik als ewige Auseinandersetzung

Liebe und Sexualität finden in „Challengers“ als ständiger, sich liebevoll neckender, dann wieder energisch giftig ausgetragener Konkurrenzkampf und sich dauernd verschiebende Konstellation statt, bei der sich Eigennutz, Rücksichtslosigkeit und Zuneigung abwechseln. Genuss und Fitness bilden keine Gegenwelt und Abwechslung mehr, sondern sind vom alltäglichen Wettkampfdenken nicht zu trennen. Liebe heißt dabei ein Feilen am eigenen Körper, ein Ringen, um Momente, Personen und alte Regeln festzuhalten. Immer gibt es jemanden, der gerade wieder eine Verunsicherung in die Paarbeziehung tragen könnte – über feste Zuschreibungen sexueller Orientierung hinweg.

Wenn Tashi im Bett einen der beiden Männer küsst, dann bleibt ein Rest Unbehagen und Eifersucht in den Blicken des jeweils anderen, bis sich wieder ganz neue Kreuzungen ergeben. Wenn die Figuren selbst in höchster sinnlich-erotischer Erregung später nur noch im Vokabular des Trainierens, des Ertüchtigens, des Duellierens und Siegens sprechen, dann speist „Challengers“ einen traurigen, bitterkomischen Humor aus dem Liebeschaos, durch das sich seine drei Hauptfiguren bewegen, bis sie im sinnbildlichen Sturm landen. Ein Extrem, gewiss, doch eignen sich Extreme im Kino hin und wieder für kluge Denkanstöße.

Gerade Zendaya spielt diesen Kraftakt mit einer ungeheuren Intensität. Ihr gelingt die ganze Bandbreite: das unschuldige Kokettieren, das Verführen, das abgebrühte Planen und Anspornen, gleich einer Lady Macbeth des Tennissports, ohne dass sie der Film jemals für ihr Vorgehen verdammen würde, sondern sie in ihren Grautönen nur noch komplexer erscheinen lässt.

Tashi, Art und Patrick in "Challengers"
Foto: 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Lustvolles Verzetteln im Beziehungsgeflecht

Diesem Film Längen oder einen Mangel an Charakterentwicklung vorzuwerfen, ist wenig sinnvoll, weil genau sein erzählerische Kreiseln und Feststecken, bis man am Ende eigentlich wieder zum Beginn zurückkehrt, der wesentliche Punkt ist. „Challengers“ beginnt auf dem Sportplatz im Jahr 2019, springt dann in die Vergangenheit, dann mal noch vorn, mal nach hinten. Dauernd werden Texttafeln eingeblendet, die zeitliche Orientierung versprechen, aber nur noch mehr Verwirrung stiften. Luca Guadagninos humorvolles Erotik-Drama gaukelt damit eine analytische Erzählweise vor, die das Publikum vermeintlich vor vollendete Tatsachen stellt und nur noch die Vorgeschichte, den Hergang erklären muss.

In Wirklichkeit verzettelt sich jenes Umherspringen in der Chronologie, bis daraus selbst ein eigener Witz entsteht. Er führt jedes schlichte psychologische Erklären an einen Endpunkt und ins Uneindeutige, weil das Geflecht aus einstudiertem Leistungsdruck innerhalb des Sports, innerhalb der ganzen Gesellschaft und dem Begehren im Privaten, das dann öffentlich als Schaukampf ausgetragen wird, nicht mit einem verengten Charakterdrama erklärt werden kann. Es kann nur als Anregung dienen, um über das soziokulturelle und ökonomische System als Rahmung nachzudenken. Es kann mittels Sprunghaftigkeit nur den Blick verstellen und entfremden, um ihn so für allgemeinere anthropologische Dynamiken und Begehrensstrukturen in allen Facetten zu sensibilisieren.

Zendaya in "Challengers"
Foto: 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

Luca Guadagnino inszeniert spektakuläre Tennis-Szenen

Was soll das nun mit dem Tennis? Wird dort eine schlichte Ersatzhandlung ausgetragen? Gelangt dort der dressierte Mensch an einen sich sinnlos verausgabenden Endpunkt seines Daseins, das sich darin auch noch einen Sinn verspricht? Bringt er verdrängte Gefühle zum Vorschein? Ist er nur ein nützliches Bild, wie sich Menschen dort die symbolträchtigen Bälle hin- und herschmettern? Wenden ihn Menschen als Kampf gegen sich selbst und ihr bisheriges Verhalten? Die Länge, mit der schließlich ein durchtriebenes Spiel bis zur Erschöpfung durchexerziert und wiederholt wird, birgt jedenfalls eine interessante Verweigerungshaltung. Auch in der quälenden Seherfahrung, die sie provoziert.

Luca Guadagninos dynamische Inszenierung kreiert im Tennisspiel Szenen, die vor Leben pulsieren. Mal fangen sie einen gesellschaftlichen Ausschnitt als vielsagende Choreographie der Massen ein, die zu wummernden Elektro-Beats (ein fulminanter Score von Trent Reznor und Atticus Ross!) synchron die Köpfe drehen. Mal kennt die Kamera selbst kein Halten, keinen Überblick in dem ganzen Treiben mehr und lässt sich mit dem Schläger über das Netz katapultieren. Immer tritt sie mit dem Publikum in Dialog, lässt es urteilen, beobachten, teilhaben, lässt Bälle mitten durch das Bild hinein in unsere Augen fliegen und wartet darauf, dass sie zurückgespielt werden.

„Challengers – Rivalen“ läuft seit dem 25. April 2024 im Verleih von Warner Bros. in den deutschen Kinos.

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Bildquelle:

  • Challengers: 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.
  • Challengers-Tashi: 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

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