„Guardians of the Galaxy: Volume 3“: Murks mit guter Mucke

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Chris Pratt in
Foto: The Walt Disney Company Germany

James Gunn verabschiedet sich mit „Guardians of the Galaxy: Volume 3“ aus dem Marvel-Universum. Weil er nichts zu erzählen hat, versucht er es mit Sentimentalität.

Es gibt zwei Reihen, die in der zuletzt arg angerosteten Maschinerie des Marvel-Universums formal besonders herausstechen. Oder umgekehrt: die selbige womöglich in ihrer ursprünglichsten DNA entlarven. Beide arbeiten in hohem Maße mit Mitteln der Parodie und verkaufen den Blick in das eigene Getriebe als Unterhaltung. Einerseits handelt es sich um die Deadpool-Filme, die das Konstruierte und Verzweigte ihrer popkulturellen Blase veräppeln und sich dabei mit viel Blut und Fäkalhumor in das Gewand einer Grenzüberschreitung kleiden.

Andererseits die „Guardians of the Galaxy“, die sich im Grunde genommen von einem handlungsorientierten Erzählen fast gänzlich verabschieden. Sie verwandeln zuvorderst den naiven Exzess und das Selbstzweckhafte dieser Spielzeug-Welt in komödiantische, beliebig fort- und zusammensetzbare Vignetten, angetrieben von kultigen Musik-Hits vergangener Jahrzehnte. Die Science Fiction blickt in eine ausgeflippte Zukunft und rettet sich doch an den Anker der Nostalgie. Filme wie Poster im Jugendzimmer. Die eine Filmreihe ist für Kinder, die gern erwachsen wären, die andere für Erwachsene, die noch Kind sein wollen.

Die Guardians of the Galaxy
Foto: The Walt Disney Company Germany

„Guardians of the Galaxy 3“ verabschiedet seine Helden

„Guardians of the Galaxy Volume 3“ ist nun ein Film des Stillstands, eine Grabrede für die eigenen Helden, die vorläufig in den Ruhestand geschickt werden, bevor sie überhaupt irgendetwas Interessantes auf der Leinwand vollbringen durften. Zumindest verabschiedet man sie solange, bis sie in künftigen MCU-Formaten und -Konstellationen wiederkehren. Unfassbar lange zweieinhalb Stunden nimmt sich Regisseur und Mit-Autor James Gunn Zeit, um seinen Fans vor seinem Wechsel zur Marke DC noch einmal das zu geben, was sie sehen wollen. Aber was soll das überhaupt sein?

Gewiss, da tauchen die vertrauten Figuren alle auf. Jede darf noch einmal ihre markanten Sprüche und Gesten vorführen. Man wirft Referenzen an die Vorgänger ein, zieht sich noch tiefer in Insider-Gags und Erinnerungen zurück, welche Neulingen quasi gar keinen Eintritt mehr gewähren. Zeitlupen schwelgen wiederholt in Gruppenbildern, um das zu verlangsamen, was bald zerfallen soll. Dazu versammelt der Soundtrack wieder einen bunten Mix an Songs, die von Radiohead über Space Hogs, Bruce Springsteen und Alice Cooper reichen. Aber was macht diese Figuren und ihre Welt überhaupt so reizvoll? Vielleicht, dass ihr Klamauk im Gegensatz zu anderen MCU-Titeln gar nicht erst vorgibt, irgendetwas Gehaltvolles erzählen zu wollen.

Chris Pratt in "Guardians of the Galaxy 3"

Kunterbunte Monster-Parade

„Guardians of the Galaxy Volume 3“ ist einer der visuell spektakulärsten Marvel-Filme, was zum Teil auch an dem verstärkten Einsatz praktischer Effekte liegt. James Gunn schickt seine Figuren etwa durch eine organische Raumstation, ein groteskes Zerrbild amerikanischer Vorstadt-Idylle und lässt teilweise im Sekundentakt eine absonderliche Kreatur, ein ulkiges Hybridwesen nach dem anderen auf der Leinwand erscheinen. Hätte man so viel Erfindungsreichtum in das Drehbuch gesteckt wie in all die aufwändigen Masken, Kostüme, Kulissen und Spezialeffekte – es wäre vielleicht ein erinnerungswürdiger Film geworden.

Über drei Filme plus Gastauftritte hat sich bei den Guardians allerdings im Grunde nichts Nennenswertes getan. Sicher, da gab es hin und wieder mal einen Verlust zu verkraften, man hatte so manches Abenteuer zu bestehen, aber natürlich wird sich da nichts Größeres entwickeln. Veränderungen und kritische Ideen sind Gift für die Konzernlogik dieser Filme. Und so geschieht auch in Teil 3 nicht mehr als ein zielloses, langatmiges Hetzen von einer Station zur nächsten. Erst soll Rocket (Bradley Cooper) vor dem Tod gerettet werden, dann müssen ein paar Kinder und Tierwesen befreit werden.

Der High Evolutionary

Der Preis für die perfekte Gesellschaft

Ein Handlungsstrang im Hintergrund, der gewalttätige Einbruch von Adam Warlock (Will Poulter), bleibt derweil rätselhaftes Fragment. Der eigentlich interessante Kern bleibt bemühtes Recycling der alten Thanos-Prämisse: Welches Opfer darf man bringen, um die Gesellschaft nach den eigenen Vorstellungen zu bessern? Der sogenannte High Evolutionary (Chukwudi Iwuji), maskiert mit falschem Menschengesicht, unternimmt hier brutale Experimente, um die perfekte Zivilisation zu formen. Damit ließe sich etwas anstellen, doch „Guardians of the Galaxy“ ist ohnehin nicht daran interessiert, in seiner lockeren Form irgendetwas von Substanz zu verhandeln.

In diesem Film schreien sich Figuren permanent an, danach liefert man sich Materialschlachten, im Anschluss folgt der nächste krepierende Schenkelklopfer-Spruch, manchmal auch alles zugleich – dann geht die Leier von vorne los. Und Menschen fressen diesem abgekarteten Programm aus der Hand: Schon vor Kinostart war unzählige Male in Kritiken und Reaktionen zu lesen, wie emotional dieser Film doch sei. Der Affekt wird mal wieder per se zum Qualitätssiegel erhoben. Was Körper und Leib fühlen, kann nur das Ungetrübte, Bedeutsame darstellen. Nach dieser Logik kann der Film also vermeintlich gar nicht schlecht sein, wenn er emotional überwältigt.

Natürlich: Das Kino ist ein Ort, an dem hemmungslos gefühlt werden kann und soll. Dahinter kann sich großes Talent offenbaren! Nur entzieht es sich damit nicht automatisch einer kritischen Betrachtung, einem Blick auf die Räder im Getriebe. Ignoriert wird nämlich, wie durchschaubar und beliebig „Guardians of the Galaxy 3“ solche Affekte kreiert, wie entleert und aufgesetzt ihre Auslöser anmuten.

Rocket

Aufgesetzte Gefühligkeit

Nun ist es ja wunderbar, dass sich Menschen offenbar einigen können, dass Tierquälerei schlecht ist. Mit diesem Thema arbeitet „Guardians of the Galaxy“, wenn er in die Vergangenheit von Rocket blickt. Gleich zu Beginn greift da eine große Menschenhand aus dem Dunkel nach kleinen unschuldigen Waschbären im Käfig. Es ist das eindrucksvollste Bild im Film. Später blickt die Kamera immer wieder in herzerweichende Kulleraugen, bis sich eine Katastrophe entlädt. Die animierten Tiere wirken ohnehin lebendiger als die menschlichen Darsteller in ihren bunten Verkleidungen und Masken. Dieser Film im Film birgt Potential, dient letztlich aber nur dazu: die Suggestion einer Ernsthaftigkeit und Fallhöhe, die die Reihe nie besaß und nicht besitzt.

Keineswegs wird das Publikum damit zu irgendeiner Auseinandersetzung mit sich, der Welt, dem Kino eingeladen. Es ist jedenfalls nicht zu erwarten, dass die Szenen aus dem Tiergefängnis in „Guardians 3“ Zuschauern das Schnitzel im Anschluss an den Kinobesuch verderben werden. Was zählt, ist allein das kurzweilig Sentimentale und Gefühlige, das routiniert und mit etwas Freundschaftskitsch seine Hebel bedient und sich in lukrative Ware verwandeln lässt.

Ein Hund im Kosmonautenkostüm

„Guardians of the Galaxy 3“ ist eine lose Folge von Clips

In seinen kleinteiligen Stationen erinnert „Guardians of the Galaxy: Volume 3“ vielmehr an das Durchscrollen von kurzen Clips auf Facebook, Instagram und YouTube. Nutzer können sich von ihnen mal wieder das Herz erweichen lassen, wenn niedliche Tiere aus widrigen Umständen befreit werden oder Menschen glückliche Momente im Kreis der Familie erleben. Letzteres ist dann selbstverständlich auch das Stichwort für die einzige Utopie, die sich dieser Film denken kann. Um Zusammenhänge geht es ihm mitnichten.

Zwar reaktiviert man noch einmal das eigentlich Subversive dieser Reihe: das Befreiungsbild einer gewissen Inklusion und Solidarität, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder anderen Merkmalen. Doch selbst dieses Bild wird letztlich verwässert in einer gänzlichen Zähmung der Heldinnen und Helden, die man früher einmal als etwas grobschlächtige, ambivalent zerstrittene Raufbolde gefeiert hat.

Zoe Saldana in "Guardians of the Galaxy Volume 3"

Probleme einfach wegtanzen

Ein paar Figuren installiert man noch als erhobene Wächter der gewohnten Ordnung. Im Kern wollen sie jedoch alle nur eine Familie gründen oder zur Familie zurückkehren. So lautet die Botschaft, welche dieses furchtbar banale Finale der Trilogie bereithält. Jede Form von Diskussion fegt es mit Tanz und Dollerei vom Tisch.

Das Marvel-Universum hat über die Jahre sein Publikum in seinen Erwartungen und Anforderungen verdorben, die Messlatte zuletzt immer tiefer gehängt, von dem teils zu Unrecht gescholtenen „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ einmal abgesehen. So wird nunmehr jede kleinste Gemütsregung zur großen Bedeutung aufgebauscht, jeder spektakuläre Aufnahme mit großem Kino, jede sensationelle Überwältigung mit Empathie und erzählerischem Talent verwechselt. Nur konsequent, dass hier das Publikum gerührt dabei zusehen soll, wie sich eine zentrale Identifikationsfigur wieder in ein kleines Kind verwandelt und aus den Problemen seines Universums verschwindet.

„Guardians of the Galaxy: Volume 3“ läuft ab dem 3. Mai 2023 in den deutschen Kinos.

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10 Kommentare im Forum

  1. Das MCU ist eh in den letzten Zügen. Ich hoffe auf das DCU welches eh die weitaus besseren Helden und Storys hat. Snyders Justice League war am Ende n kleiner Vorgeschmack aber die Schauspieler sind bisweilen sehr unpassend gecastet. Allen voran Gal Gadot aber auch die Wahl von Leto als Joker ist unsinnig. Schade das Rock der nervige Super Dwayne Johnson und die peinlichen Shazam Filme auch sehr viel Geld und Zeit verbannt haben. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Vielleicht bekommen wir irgendwann was vernünftiges. Justice League DARK, Der Nagel, Apokolips War, Flashpoint Paradox usw. Es wäre so viel möglich.
  2. Ich sehe es genau so, es ist teilweise nicht zu glauben wieviel Potenzial DC verschenkt hat. Sobald ein Film gut lief wurde die Story mit einer Fortsetzung oder einem Film mit der Vereinigung anderer Helden ruiniert.
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