Kulturkrieg zu Wasser und zu Land: „Black Panther: Wakanda Forever“

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Angela Bassett am Strand
Foto: The Walt Disney Company Germany

Mit „Black Panther: Wakanda Forever“ nimmt Marvel Abschied von Chadwick Boseman. Sentimentalität legt sich als Schleier über eine krude Machtfantasie.

Der König ist tot, die Reihe hat ihren Helden verloren. T’Challa, der titelgebende Black Panther, liegt am Beginn von „Wakanda Forever“ im Sterben. Zeremoniell wird er zu Grabe getragen. Es ist ergreifend, aber auch ein wenig kurios, wie hier inner- und außerfilmische Realität zusammengeschaltet werden müssen. 2020 verstarb Hauptdarsteller Chadwik Boseman an einer Krebserkrankung. Das Marvel Cinematic Universe war damit aus der Bahn geworfen und lädt nun zur kollektiven Andacht.

Mit diesem Schicksalsschlag umzugehen, bildet die große Herausforderung und das emotionale Herzstück dieses Films. Immer wieder kehrt er zum Trauern zurück. Es zieht sich als Motiv durch die Handlung. Zu ruhigem Windheulen flackert das berühmte Marvel-Logo in den zahlreichen Porträts Bosemans. Traurig ist nicht nur der Verlust des Hollywood-Stars, sondern auch, wie sich selbst dieser 160-Minüter nicht verkneifen kann, dessen Ersatzbarkeit in Profit zu verwandeln.

Die Schwester von T'Challa

Wer wird der nächste Black Panther?

„Black Panther“ hätte die Gelegenheit gehabt, mit seinen eigenen Konventionen zu brechen, die Reihe in eine ganz neue Richtung zu lenken. Aber Nein, er arbeitet lediglich an seinem traditionellen Vermächtnis. An dem seines Protagonisten, aber natürlich auch am Vermächtnis der eigenen Erzählökonomie, denn irgendwie muss es ja weitergehen. Black Panther, das ist ebenso eine Marke. Die Frage ist nur, wer ihr nächstes Gesicht werden darf. „Wakanda Forever“ antwortet darauf.

Gerade das erste Drittel beweist noch erstaunliches Geschickt, seine Handlungsfäden auszubreiten, inklusive einer eindrucksvollen Horrorsequenz: Ein Schiff wird da von mysteriösen Gestalten aus dem Meer heimgesucht. Sirenengesänge locken die Besatzung in die Fluten. Namor (Tenoch Huerta), Kukulkan genannt, steigt aus Talokan mit seinem Gefolge auf, weil er eine Bedrohung durch Ausbeutung und Missbrauch des mächtigen Vibraniums wittert, das sowohl er als auch die Einwohner Wakandas horten. Nach T’Challas Tod fordern globale Mächte Zugang zu dem Rohstoff, eine Aufteilung. Shuri (Letitia Wright) und Königin Ramonda (Angela Bassett) sind nun mit dem gottgleichen Kukulkan konfrontiert, der ihnen die Pistole auf die Brust setzt, endlich zu handeln.

Meeresgott Tukulkan unter Wasser

Der Andere, das Wasserwesen

Mit Erscheinen dieser zweiten verborgenen Welt neben Wakanda, des versunkenen Atztekenreichs, das auf Rache für historische Verbrechen sinnt, offenbart sich nur noch deutlicher der reaktionäre Kern von „Black Panther“. Diversität gilt ihm als bloßes Abbild, nicht als gelebtes Miteinander. Am abschottenden, kulturessenzialistischen Geist des Vorgängerfilms hat sich in „Wakanda Forever“ nichts geändert. Vielstimmigkeit begreift er höchstens als ein Hier und Dort. Seine Kritik an Kolonialismus sitzt im Umkehrschluss einem unbehaglichen, keineswegs fortschrittlichen Weltbild und Selbstverständnis auf. Es geht allein darum, identitäre Kollektive und Differenzen zu zelebrieren, Spaltungen zu rechtfertigen. Aus Reformversuchen, die der erste Teil thematisierte, sind mit dem Königstod nur Auseinandersetzungen gewachsen, die dem Status quo in die Hände spielen.

Das reicht bis zum Ausklamüsern von Physiognomien, die man anhand des Gegners zu studieren und nachzuahmen, sich einzuverleiben versucht. Diese oder jene Gestalt ist so, weil Körper und Geist so und so gestrickt sind, aufgezogen als Fantasy-Erzählung. Dass die Gegenspieler meereskreatürlich erscheinen, fügt sich nur zu gut der ideologischen Sicht der Wakandaner. Wakanda, das sind Familien, tapfere Krieger, friedvolle Arbeiter, leckere Speisen, prächtige Landschaften. Die anderen haben ihren charismatischen Anführer, aber das sind seltsame, blauhäutige, rätselhaft magische Wesen im trüben Unterwasser. Man könnte es auch ein rassistisches Narrativ nennen. Nur zaghaft will es hin und wieder die Perspektive wechseln oder zumindest hinterfragen.

Die Talokaner auf einer Brücke

„Black Panther“ zelebriert Stereotype

Der Soziologe Andreas Reckwitz attestiert in „Das Ende der Illusionen“ dem Kulturessenzialismus die Aufgabe einer Stabilisierung der symbolischen Grenze zwischen Innen- und Außenwelt. Er schreibt weiter, das Ideal dessen sei die Homogenität der Gemeinschaft, ihre Eindeutigkeit und Einheitlichkeit. Nichts anderes spricht aus den exotisierenden Ethnokitschbildern und -klängen von „Wakanda Forever“. Sie arbeiten mit Eindrücken und Schlagworten, die auch in den Schaufenstern irgendwelcher Reisebüros flimmern könnten.

Reproduziert werden auf beiden Seiten jahrhundertealte Stereotype naturverbundener Ursprünglichkeit. Ihre Lebensrealitäten sind hermetisch abgeriegelte, zusammengefasste, leicht identifizierbare Systeme. Eine Menschheit existiert nicht mehr, nur Völker, die nach wiederhergestellten Trennungslinien sinnen. Ein Rückzug aus dem Rest der Welt wird in Staatsdoktrin und Machtansprüche übersetzt.

„Wakanda Forever“ heischt dabei nach Jubel, neben afrikanischen Kulturen nun auch die indigenen Südamerikas auf der Leinwand zu repräsentieren, verfrachtet sie aber nur in einen Kulturkampf der Unter- und Überordnungen, der zuvorderst effektvoll ausgeschlachtet wird. Marginalisierte gehen sich gegenseitig an die Gurgel. Ihre Interessen mögen parallel erscheinen: Wakanda und Talokan, das Oben und das Unten, ein Spiegelbild auf der Meeresoberfläche. Beide wollen sich vor imperialistischen Übergriffigkeiten verschanzen. Ebenbürtig denkt sie der Film dennoch nicht. Seine Sympathien sind durch die Perspektivierung klar gesetzt. Der Titel verrät es bereits.

Tanz-Zeremonie in Wakanda

Verhandeln mit dem Meeresgott

Der Merjungmann Namor mag derjenige sein, der zuerst mit Krieg droht, gewiss. Abstrahiert man die Konstellation, könnte man jedoch zugleich sagen: Er ist die einzige Gestalt, die überhaupt so etwas wie eine Öffnung des geschlossenen Systems und Prinzips Wakanda provozieren könnte. Der irgendwann einen Vorschlag der Solidarität im Vorgehen gegen globale Missstände, Rassismus und Raubbau unterbreitet, wenngleich auch er nur militärische Lösungen kennt. Hier könnte der Film ins Gespräch kommen, aber dafür sind seine Feindbilder viel zu strikt als Bedrohung für die Hegemonie Wakandas gedacht. Unrecht ist nur, was der andere tut.

Die Black-Panther-Welt allein wähnt sich der Aufgabe moralisch gewachsen, das Vibranium zu behüten. Bei allen anderen wird man misstrauisch. Ähnlich funktionieren tagesaktuelle Aufrüstungsideologien. Würde dem Film daran liegen, sie nicht nur zu bedienen, sondern zu unterwandern, fände er mehr in ihnen als Feuerholz für noch mehr Spektakel. Wakandas vermeintliche Rechtschaffenheit wird mit martialischem Schwören und Brüllen, mit Speeren, Schusswaffen, Flammenwerfer und Meeresgetier in epischen Duellen umkämpft, dass einem übel werden kann. Dass „Wakanda Forever“ dem reaktionären, kriegerischen Narzissmus aller Parteien nichts entgegenzusetzen weiß, sondern in ihm nach Sympathien und Absolution sucht, ist sein großes Vergehen.

Feuer in Wakanda

Gefestigte Dominanz-Ansprüche

Ryan Cooglers Bombast-Inszenierung lässt kaum Ambivalenzen zu, die im Drehbuch angelegt sein mögen. Das schlechte Gewissen, welches er in der Erkenntnis gemeinsamer Racheverblendung findet, ist keine Aussöhnung, kein Reflektieren, sondern gipfelt in einem beschwichtigenden Diktat. Ein Einigen auf eine Koexistenz festigt lediglich die tradierte Dominanzfantasie. Alles gut, solange jeder da bleibt, wo er ist und ja keinen Laut von sich gibt. Schutz dafür, dass der andere nach der eigenen Pfeife tanzt. Eine Machtdemonstration und Unterwerfung als Happyend.

Geopolitik, aufgelöst in Weltverdrossenheit, Ethnopluralismus und Familienkitsch nebst Jenseitsreisen ins lila leuchtende Ahnenreich. Und das Publikum soll für dieses System auch noch mitfühlend weinen. Schließlich wissen wir um die Tragik seiner gefallenen Helden. Rihanna liefert die Musik dazu. Feuer und Tränen sollen sich vermischen, während die Erbfolge für das eigene Franchise gedeiht. Der Krieg ist nur kurzzeitig erkaltet, um sich selbst zu vertagen.

„Black Panther: Wakanda Forever“ läuft seit dem 9. November 2022 im Verleih der Walt Disney Company in den deutschen Kinos. Der erste Teil von „Black Panther“ ist unter anderem bei Disney+ zu sehen.

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