„Prey“ bei Disney+: Blutiges, aber hohles Predator-Comeback

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Zum 35. Jubiläum des gleichnamigen Schwarzenegger-Kultfilms treibt der Predator nun in „Prey“ bei Disney+ sein Unwesen. Abgesehen von exzessiver Gewalt hinterlässt der neueste Ableger der Reihe allerdings wenig Eindruck.

Der Predator ist ein dankbares Ungetüm für die Filmindustrie. Denn er kann ja immer wieder neu als Projektionsfläche gebraucht werden, in verschiedensten Anordnungen und Epochen für Ärger sorgen, ohne sich auf eine Bedeutung festlegen zu müssen. Bei seiner ursprünglichen Gestalt ist es schon längst nicht mehr geblieben. Damals, 1987, war das außerirdische Monstrum noch Sinnbild des Vietnamkriegstraumas, das aus der Vergangenheit plötzlich als unsichtbares Gespenst auftauchte. In den Bäumen hockte es, mehr unheimliche Ahnung als sichtbare Gestalt, und beobachtete die Männer, die sich da durch den Dschungel kämpften.

Regisseur John McTiernan hatte damit nicht nur eine Heimsuchung durch die Geschichte heraufbeschworen, sondern auch ihre ideologischen Feindbilder. So war es am Ende der amerikanische Held Arnold Schwarzenegger, der gegen das ultimative Fremde in Gestalt eines entmenschlichten, kreatürlichen Aliens kämpfte – in Nacht und Nebel, Blut und Matsch. Dieses Aufladen menschlicher Auseinandersetzungen mit mythischer, rauer Archaik setzt sich in „Prey“ deutlich fort.

Brutale Emanzipationsgeschichte

Der nunmehr sechste Ableger der ikonischen Action-Horror-Reihe, der direkt bei Disney+ erscheint, führt weit in die Vergangenheit. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wird das Volk der Comanchen in den Great Plains von dem außerirdischen Predator heimgesucht. Naru (Amber Midthunder), eine junge Jägerin, stellt sich dem Vieh entgegen. Mit Naru entwirft der Film eine zeitgeistige Figur, die nicht nur ihr Volk retten, sondern es auch von der Abkehr von überholten Rollenmustern überzeugen will.

„Prey“ zelebriert damit eine reichlich bigotte Emanzipationserzählung, die das Überwinden von Stereotypen abermals mit heroischen Taten verknüpft. Zuerst müssen Blut und Schweiß fließen, um Rollenmuster aufzubrechen. Als Heldinnenfigur ist Narus Emanzipation rein an die Bedingung gekoppelt, sich todesmutig, kämpferisch beweisen zu müssen, Großes zu vollbringen. „Prey“ bedient damit im Kern ein altbackeneres Erzählmuster, als er sich womöglich selbst gern eingestehen würde.

Eine amerikanische Geschichtsstunde?

Wie ein rabiates Bootcamp für seine Protagonistin erscheint dieses Prequel von Regisseur Dan Trachtenberg („10 Cloverfield Lane“). Es wirft die Zeitmaschine an, um in ein merkwürdig anachronistisch, innerlich leer und ausgehöhlt anmutendes Schlachtfeld zu geraten. Man hätte den historischen Schauplatz nutzen können, um mit dem Einbruch des Monstrums und der Gewalt, die daraus eskaliert, von der Vertreibung und Auslöschung amerikanischer Ureinwohner zu erzählen. „Prey“ legt diese Deutungsebene zweifellos offen.

Man hat sich dabei wohl besondere Mühe gegeben, den Alltag der Comanchen möglichst realitätsnah abzubilden, wie im Vorfeld von Seiten der Beteiligten zu lesen war. Konflikte zwischen Native Americans und marodierenden Pelzjägern werden angerissen. Viel mehr als ein thematischer Oberbegriff ist mit der Wahl dieser geschichtsträchtigen Konstellation allerdings nicht herausgekommen. Dafür bleibt der Predator viel zu konkret und körperlich eine dritte Konfliktpartei, die von außen in die recht eindrucksvoll in Szene gesetzten Landschaften einfällt.

Abenteuer Wildnis

Menschliche, erklärbare Gräuel dienen diesem Film als Schlagwort für einen nicht enden wollenden Endgegnerkampf. Eine ernüchternd stumpfe Hack-and-Slay-Videospiel-Mission liegt ihm näher als eine interessante filmische Erzählung. Geschichte verleibt man sich ein, um ihre gewaltsamen Seiten in steuerbares Spektakel zu verwandeln. Das Abstrakte, das dem Predator einmal innewohnte, ist längst ins Überdeutliche gekippt. Als unsichtbare Entität, die durch die Fantasie spukte, drängt es viel zu schnell in seine greifbare Form, um die Lust an der filmischen Gewalt zu stillen. Kein Wunder, dass es ausgerechnet in einem Blutschwall eine seiner ersten körperlichen Manifestationen erfährt. „Prey“ konstruiert damit allzu leeres Entertainment, dessen Effekt in der durchaus originellen Genre-Verschränkung kaum zünden will.

Ein einziges großes Abenteuer wähnt man da: im Durchstreifen der unbarmherzigen Wildnis. Mensch und Natur liefern sich in „Prey“ einen ruppigen Zweikampf mit allerlei gefährlichem Getier und Waten im Morast. Dass gerade in der zweiten Hälfte literweise Blut fließt und Körper auf jede erdenkliche Weise zerhackt und aufgespießt werden, fügt sich nur konsequent ein in diese blinde Begeisterung für alles vermeintlich Rohe und Ursprüngliche. Eine marginalisierte Lebenswirklichkeit, wie sie Dan Trachtenbergs Film ins Bewusstsein rücken will, tritt damit in eine nur noch größere Distanz.

Archaische Digitalität

Mit seiner bloßen Effektgier hat „Prey“ nebenbei das Gespenstische des Predators aus dem Originalfilm längst überholt. Jacques Derrida hatte in den 90er-Jahren auf das Durcheinandergeraten von Zeit hingewiesen, sobald man es mit einem Gespenst zu tun hat. So verhält es sich auch in „Prey“ im doppelten Sinne, wenn der Außerirdische als solches für Angst und Schrecken sorgt. Der ungeschönte Naturalismus der historischen Wildnis, das staunende Zurückreisen in der Zeit ist längst offensiv durchzogen von künftiger Digitalität.

Computeranimierter Nebel wabert durch die gräulichen Bilder, Tiere sind mehr Pixel als Fleisch und Blut, roter Körpersaft sprudelt aus dem Rechner auf den Fernsehbildschirm. Die Verbindung aus Archaik und Animation arbeitet mehr die Brüche und Befremdlichkeiten dieses Genrehybriden heraus, als seinem Action-Szenario die beabsichtigte Härte und thematische Schwere zu verleihen. Von der Realität, die sich dieser Film erschafft, bleibt dadurch ein aufgesplitterter, kühler Kosmos übrig, der lediglich eine alte Fremdheitserfahrung reproduziert. „Prey“ zeigt eine untergehende Welt, der die filmische Form bereits jedes Leben entzogen hat.   

„Prey“ ist ab dem 5. August 2022 bei Disney+ zum Streamen verfügbar.

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Bildquelle:

  • prey: The Walt Disney Company Germany

30 Kommentare im Forum

  1. Der Film war richtig gut gemacht, ich wurde sehr gut unterhalten, keine langweilige Minute, klasse Bildqualität in UHD und DV, 9/10 Bei Disney+ habe ich bis jetzt noch nicht ansatzweise Filmleichen wie bei Amazon gefunden. Klar, über Geschmack kann man sich nicht zwingend streiten, aber wenn man schon in den ersten Sekunden an der Synchronisation erkennt, (und dazu muss man nicht mal die Augen öffnen) das es sich nur um Schrott handeln kann, fällt mir nichts mehr ein und Dergleichen gibt es bei Disney+ nicht. Ich kann mir vorstellen "Prey" noch einmal anzusehen...
  2. Tja, das größte Problem dürfte für den DF-Rezensenten sein, dass der Film nicht zuerst bei Sky lief .
  3. Disney + entwickelt sich dank Star und National Geographic inklusive wirklich ausgezeichnet. Dazu neben ATV+ meiner Meinung die beste UHD Qualität.
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