UKW wird 70 – „Welle der Freude“?

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Radio UKW Bild: © jakkapan - Fotolia.com
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Vor 70 Jahren nahm in München-Freimann der erste deutsche UKW-Sender seinen Betrieb auf. Die Technik revolutionierte damals die Radiolandschaft, galt als „Welle der Freude“. Doch ihre Zukunft ist ungewiss.

Vor 70 Jahren begann eine Erfolgsgeschichte für das Radio in Deutschland: Auf dem Gelände des Bayerischen Rundfunks in München-Freimann startete 1949 der erste deutsche UKW-Sender – gesendet wurde aus einer Baracke. „In Freimann wurde der erste UKW-FM-Sender der US-Zone am 28. Februar um 16.30 Uhr in Betrieb genommen. Der Sender arbeitet auf 90,1 Mhz.“, schrieb der Bayerische Rundfunk (BR) in seinem Wochen-Sendebericht.

„UKW war zu Beginn eher eine Notlösung“, sagt Helwin Lesch, Leiter der BR-Hauptabteilung Verbreitung und Controlling. „Aber die Technik setzte sich durch, weil sie störungssicherer und die Bandbreite größer war. Darum konnte es mehr Programme geben. Wir hätten nicht diese Vielfalt gehabt, wenn wir weiterhin auf Mittel- oder Langwelle gesendet hätten.“

Nur einen Tag später als in Bayern folgte ein UKW-Sender in Hannover. Weitere kamen in Hamburg, Stuttgart, Frankfurt, Kassel, Nürnberg, Würzburg und Köln dazu, so dass bereits Ende April 1950 rund 40 Prozent der Rundfunk-Hörer die Möglichkeit hatten, UKW-Sender zu empfangen. Die offizielle Einführung des Stereotons beim UKW-Radio erfolgte – wie viele andere wichtige Entwicklungen – zur Funkausstellung 1963 in Berlin. Übertragen wurde ein Eröffnungskonzert aus dem Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks in Berlin. Wie alle Sparten der Consumer Electronics entwickelte sich auch der UKW-Rundfunk rasant weiter:

1972 gab es erste Versuche mit der Verkehrsfunk-Senderkennung, dem Vorläufer des Traffic Message Channel (TMC), mit dessen Hilfe Navigationsgeräte Autofahrern bei Staus alternative Routen empfehlen. Seit 1988 können UKW-Radios automatisch auf den stärksten Sender umschalten, ohne das laufende Programm zu unterbrechen. Und sie zeigen Sendernamen an: Das Radio-Daten-System RDS macht es möglich. Später kam der Radiotext hinzu. So bieten kurze Laufschriften auf dem Display des Empfängers zusätzliche Informationen für den Hörer.

Heute sind alle verfügbaren Frequenzen mit hunderten Radioprogrammen belegt. Zwischen 250 und 350 sind es nach Angaben des Mannes vom BR bundesweit.  Die Ultrakurzwelle bescherte dem Radio damals einen deutlichen Sprung in Sachen Klangqualität. UKW verwendet die so genannte Frequenzmodulation (FM). Sie verbreitet die Radiosignale mit weniger Störungen und besserem Frequenzgang als die bis dahin auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle verwendete Amplituden-Modulation (AM).Doch die Ultrakurzwelle in Deutschland hat wohl ein absehbares Ende. Als Zeitraum für den Ausstieg rechnen Fachleute mit 2025 bis 2028.

Ein Grund dafür: Ein weiterer technologischer Quantensprung steht an. „Die Zukunft des Radios ist digital“, sagte der Intendant des Deutschlandradios, Stefan Raue, im Sommer 2018. Denn Digitalradio ist auf dem Vormarsch. Rund 12,7 Millionen Menschen in Deutschland verfügen über einen Zugang zu DAB Plus, wie aus dem Digitalisierungsbericht der Medienanstalten vom September 2018 hervorgeht. Das sind 1,8 Millionen mehr als in 2017. Auch die Verkäufe von DAB-Plus-Empfangsgeräten steigt stetig (DIGITAL FERNSEHEN berichtete).

Ein Digitalradio passt in mancher Hinsicht besser zur medialen Lebenswelt von heute. „Heute sind die Menschen in ihrem Musikgeschmack deutlich selektiver“, sagt Lesch. „Ein Radioprogramm, das verschiedenste Musikgenres verbunden hat, hat heute nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit wie früher.“

So ähnlich sieht das auch der Journalistik-Professor Klaus Meier von der Katholischen Universität (KU) Eichstätt-Ingolstadt: „Die Nutzung der linearen Hörfunkprogramme hat gerade bei jungen Leuten abgenommen“, sagt er. Vor 20 Jahren hätten noch 80 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Radio gehört. Heute seien es noch rund zwei Drittel. „Das heißt nicht, dass junge Menschen überhaupt kein Radio hören. Zwei Drittel sind immer noch zwei Drittel. Aber sie finden eher über digitale Kanäle zum Live-Radio.“Wie lange wird es UKW in Deutschland noch geben?

Das Radio hat sich aber mittlerweile auch von der Erstbezugsquelle für neue Musik zum Berieselungs-Medium gewandelt. Das Programm bietet immer weniger Diversität. Auch wenn Meier richtigerweise glaubt, dass Radiosender künftig auch noch mehr auf Kooperationen mit den Big Playern der digitalen Welt und ihren Angeboten setzen müssen – ebenso wie mit Automobilherstellern. Denn „nach wie vor hören viele Menschen im Auto Radio“. Inzwischen spielten eben auch vernetzte Lautsprecher eine Rolle, die mit Siri, Alexa oder dem Google Assistent laufen.

Doch Digitalisierung bedeutet nicht gleich mehr Relevanz. Die neuen technischen Möglichkeiten auch programmatisch zu nutzen, um ein größeres Angebots-Spektrum von Musik- bis hin zu Themen-Vielfalt bei den Wortanteilen, scheint unabdingbar, wenn nicht der Trend weg vom Radio sich nicht auch im digitalen Zeitalter fortsetzen soll. Denn Youtube und Spotify ticken schon lange mehr wie die junge Generation. Die traditionellen Radiosendern funken eher auf angestaubten Wellen.

Für die öffentlich-rechtlichen Sender ist die veränderte Mediennutzung aber nur ein Grund unter mehreren dafür, sich langsam aber sicher von der Ultrakurzwelle zu verabschieden und in eine digitale Zukunft aufzubrechen. Dazu kommt, dass DAB-Sender mit einem Hundertstel der Energie von UKW-Sendern auskämen. „Weniger Energieverbrauch, mehr Vielfalt“, betont Lesch.

Nach Angaben der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) kann heute jeder Hörer in Deutschland im Schnitt rund 20 Programme über UKW empfangen. Beim Digitalradio wären es rund 100. Platz für mehr Vielfalt könnte man meinen. Die befürchtete größere Konkurrenz ist aber auch ein Grund dafür, dass einige Sender, die jetzt einen Platz im limitierten UKW-Bereich haben, der Sache eher kritisch gegenüber stehen, lieber wenig als viel am Status Quo rütteln und am UKW-Empfang festhalten wollen.

„Die Radioindustrie ist ohne UKW tot“, sagte Michael Tenbusch von der Vereinigung Bayerischer Rundfunkanbieter im Herbst 2018 bei den Medientagen München. „Der Versuch, ein Abschaltdatum für UKW zu finden, ist aus meiner Sicht ein Anschlag auf die Radioindustrie. Wir verdienen unser Geld mit UKW.“

UKW abschalten oder nicht? „Das ist eine der schwierigsten Fragen, die man medienpolitisch diskutiert“, sagt Helwin Lesch. Aus Sicht des Journalistik-Professors Klaus Meier ist DAB Plus bei aller Diskussion inzwischen eine gute Alternative zur UKW-Ausstrahlung. Denn so wichtig UKW auch war für die Entwicklung der Radiolandschaft – die ultrakurze Welle hat auch Schwächen: „Es gibt auch heute noch UKW-Funklöcher in Bayern – in Tälern wie bei uns in Eichstätt.“

Neue Technik hin oder her – Programme müssen sich Meier zufolge weiterhin von der Landesmedienanstalt lizenzieren lassen. „Das bedeutet in Zeiten der Digitalisierung aber natürlich auch, dass in Bayern ansässige Sender eine Erlaubnis brauchen – ein Sender, der in den USA oder China sitzt und übers Internet in Bayern zu hören ist, aber nicht.“[Britta Schultejans/bey]

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45 Kommentare im Forum

  1. Die Zukunft des Hörfunks insgesamt ist ungewiß, ob der auf 100 MHz stattfindet oder weiter oben ist dabei uninteressant.
  2. UKW sollte uns noch viele Jahre erhalten bleiben, erst wenn die Audio-Qualität über DAB+ signifikant verbessert wird und eine Verdichtung vom Sendernetz erfolgt, dann könnte über eine UKW-Ablösung nachgedacht werden. Radio über das Internet kann kein Ersatz sein, anonyme Nutzung nicht möglich, aber zusätzliche Abzockkosten.
  3. Den sie wissen nicht was sie tun und verschwenden die guten Sendefrequenzen permanent ans Mobiltelefon. Jammerschade um das gute alte Radio mit UKW, KW, MW und LW. Und was bietet DAB+ , 1 Bundes Mux und 1 lokalen Mux pro Bundesland, was Denken die sich dabei die Radiohörer so einzuschränken. Ich erwarte von einem guten Ersatz fürs alte Radio mindestens alle deutschen Radiosender Bundesweit und zusätzlich eine Auswahl von europäischen Sender. DVB-T ist eigentlich das gleiche Dilemma. Internet und Sat kann eine gute Radioversorgung, z.B im Auto, nicht ersetzen. Ich erwarte für meine Gebühren auch fürs Radio eine entsprechende Programmvielfalt.
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