Wo die „Lindenstraße“ weiterlebt

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Nach 35 Jahren endet mit der „Lindenstraße“ in wenigen Tagen ein Stück Fernsehgeschichte. Das gilt aber nicht für ganz Deutschland.

Denn die Küche von Serien-Tratschtante Else Kling steht schon seit 2012 in der Pfalz. 14 Schweinebraten, 9 Teller Suppe und viele Humpen Bier wurden in diesen Kulissen aufgetischt. Ein Besuch.

Für viele Fans der auslaufenden TV-Kultserie „Lindenstraße“ muss es wie eine wohlige Reise mit der Zeitmaschine sein. Originalgetreu, vom Kruzifix über klobige Bierhumpen bis zum Volksempfänger, steht die Küche der schrulligen Filmfigur Else Kling seit 2012 im Technik-Museum der pfälzischen Domstadt Speyer. „Auch nach dem Ende der „Lindenstraße“ am 29. März soll die Serie für Fans weiterleben – und unser Wilhelmsbau soll ein Ort sein, um in Erinnerungen zu schwelgen“, sagt Museumschef Andreas Hemmer. Aus ganz Deutschland pilgern „Lindenstraßen“-Zuschauer zu den Kling-Kulissen.

An diesem März-Tag sind Stefanie und Jens Baldus aus dem fast 200 Kilometer entfernten Stockum-Püschen im Westerwald nach Speyer gekommen. Ein so weiter Weg für eine Einbauküche: Lohnt sich das?

„Auf jeden Fall“, sagt Stefanie Baldus. „Ich schaue die Serie seit vielen Jahren, und die Forterzählung ist immer spannend“, erzählt die 35-Jährige. „In der „Lindenstraße“ werden Kinder groß, und Mütter werden Omas. Diese Entwicklung der Figuren hat mich dabei gehalten.“

Ähnlich sieht es ihr Mann. „Ich habe es von klein auf geschaut, es gehörte in der Familie dazu“, sagt Jens Baldus. „Mit der Pubertät hat das Interesse nachgelassen, und 1998 bin ich ausgestiegen.“ 2003 lernte er dann Stefanie kennen. „Sie hat mich veranlasst, wieder einzusteigen“, sagt der 41-jährige Verkäufer im Baustoff-Großhandel.

„Mitten in der Kennenlernphase sagte ich während eines Telefonats: Du, ich muss auflegen – die „Lindenstraße“ kommt“, erinnert sich Stefanie Baldus. Beide lachen bei dem Gedanken an das Gespräch. „Um auf einer Welle zu sein, habe ich wieder regelmäßig geschaut“, sagt Jens Baldus. „Das war schwer, weil ich eine lange Lücke hatte. Aber ich wollte Pluspunkte bei Steffi sammeln“, erzählt er augenzwinkernd.

„Schon in der frühen Phase unserer Beziehung ist die „Lindenstraße“ zum Ritual geworden“, meint Stefanie Baldus. Gemeinsam mit ihrem Mann steht die Arzthelferin vor den Requisiten. Seit dem Start der Serie 1985 gehörte die Küche bis 2012 zu den Accessoires am Drehort Köln.

Hausmeisterin Else Kling, gespielt von Annemarie Wendl-Kleinschmidt (1914-2006), wachte mehr als 20 Jahre über die Sitten in Deutschlands wohl bekanntester TV-Straße und grantelte in der bajuwarischen Küche immer wieder über „Sodom und Gomera“ (sic!) bei ihren Nachbarn.

„Das war es“, sagt Jens Baldus, „gerade durch Figuren wie Else Kling erhielt man sozusagen einen Blick ins Treppenhaus, als würde man dazugehören.“ Ja, sagt seine Frau, „als wären es echte Nachbarn.“

Die Idee, die Küche nach Speyer zu holen, entstand 2009. Da erhielt der damalige Museumschef Hermann Layher den Pfälzer „Saumagen-Orden“ und traf Marie-Luise Marjan, die als „Helga Beimer“ ebenfalls zum Schauspieler-Urgestein der Serie zählt. Schnell wurde man sich einig, und Produzent Hans W. Geißendörfer besuchte Speyer und stimmte zu. Heute liegen in der Ausstellung auch viele Drehbücher sowie Kostüme und Zeichnungen. Die Wände ziert die Original-Tapete aus der Serie.

Dabei wird es nicht bleiben. Das Museum erhielt vom WDR bereits die Kulissen des Cafés Bayer und auch die des Restaurants Akropolis. Im Januar wurden sie in Köln demontiert und eingelagert. „Als nächstes wird der künftige Ausstellungsraum ausgeräumt“, sagt der Speyrer Exponatsverwalter Michael Stiller. Ende 2020 soll eröffnet werden.

Kein „Lindenstraßen“-Fan kommt den Kulissen wohl so nahe wie Steffi Schäfer. Die Frau aus Merseburg in Sachsen-Anhalt arbeitet als Kassiererin im Technik-Museum. „Ich habe die Serie schon immer geschaut. Als ich dann diese Arbeitsstelle bekam, ging ein Traum in Erfüllung“, erzählt sie. Über das baldige Ende ist Steffi Schäfer maßlos enttäuscht. „Das ist schmerzhaft und sehr, sehr schade.“

Stefanie und Jens Baldus sehen das ähnlich. „Das Ende war irgendwann zu befürchten, aber die Nachricht war trotzdem ein Schock“, meint der 41-Jährige. 2016 ergatterten beide gar Komparsenrollen für eine „Lindenstraße“-Szene. „Das war sehr cool“, erzählt Stefanie Baldus.

Und was wird das Paar am 29. März tun? „Wir werden zunächst wie jeden Sonntag mit unseren „Lindenstraßen“-Tassen frühstücken“, erzählt Jens Baldus. „Abends werden wir dann zur letzten Folge wohl ein Glas Sekt trinken und eine Träne verdrücken.“ Auf ihre geliebte Serie wollen die beiden allerdings auch künftig nicht verzichten. „Wir besitzen fast alle Folgen auf DVD“, sagt Stefanie Baldus. „Schon am Sonntag danach werden wir beginnen, die Serie noch einmal von Anfang an zu schauen.“

Bei einer Folge pro Woche reichen die DVDs etwa 25 Jahre.
[Wolfgang Jung]

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