100 Tage im Amt: MDR-Intendantin Karola Wille zieht Bilanz

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Nach schweren Skandalen will die neue Intendantin Karola Wille den krisengeschüttelten MDR wieder in die Spur bringen. Dabei stellt die 52-Jährige alles auf den Prüfstand.

Der krisengeschüttelte Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) will sich nach schweren Skandalen neu erfinden. Es gehe darum, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und die Programme der Dreiländeranstalt zu erneuern. Es komme alles auf den Prüfstand, sagte MDR-Intendantin Karola Wille zu ihrer 100-Tage-Bilanz.
 
Die Verpflichtung von „Bauer sucht Frau“-Star Inka Bause und Moderatorin Madeleine Wehle waren offensichtlich nur der Anfang. „Wir wollen neue Gesichter, andere Anmutungen“, sagte Wille. Und vor allem neue Gesichter aus der Region.
 
Dazu solle es eine breite Diskussion, eine Zukunftswerkstatt geben. Ob die beiden nebeneinander existierenden Radio-Jugendwellen Jump und Sputnik in dieser Form auch weiter eine Zukunft haben, dazu wollte sie sich nicht äußern. Alles sei möglich. Der MDR werde sein öffentlich-rechtliches Profil schärfen, publizistischer, regionaler und jünger werden. Ein Schritt sei etwa die Ausweitung der 18-Uhr-Fernseh-Nachrichten. Diese Pläne nannte sie bereits bei ihrem Amtsantritt vergangenes Jahr im Gespräch mit DIGITALFERNSEHEN.de.

Mit Blick auf die angepeilten Veränderungen sagte Wille: „Das ist ein allmählicher Prozess.“ Man müsse junge Leute gewinnen, ohne die Älteren zu verprellen. Das Durchschnittsalter des MDR-Publikums liege bei 61 Jahren. „Wir haben jetzt die 40- bis 49-Jährigen im Visier.“
 
Ob das etwa mit der Inka-Bause-Sendung „Drei Wünsche für…“ anstelle von Petra Kusch-Lücks Geburtstagsshow „Alles Gute“ gelingt, bleibt abzuwarten. „Wir experimentieren, wir haben auch keine Quoten vorgegeben“, sagte Wille. Die behutsame Modernisierung der Angebote im Fernsehen, Hörfunk und Internet werde für die kommende Zeit ihr Schwerpunkt sein.
 
„Bisher war ich mehr Verwaltungs-Intendantin.“ Das sei aber notwendig gewesen, um Konsequenzen aus den Skandalen der jüngeren Vergangenheit zu ziehen und verlorengegangene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

In einem der größten Betrugsfälle beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen hatte ein inzwischen verurteilter früherer Herstellungsleiter des Kinderkanals Kika mit Hilfe eines Komplizen Millionen an Gebührengeldern in die eigene Tasche gewirtschaftet, um seine Spielsucht zu befriedigen.
 
In einem anderen Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den inzwischen entlassenen, früheren TV-Unterhaltungschef Udo Foht und elf weitere Beschuldigte aus der Medien- und Musikbranche wegen Bestechlichkeit und Bestechung, Untreue und Betrugs. Wer Nachfolger des gefeuerten Unterhaltungschefs werden solle, wollte Wille noch nicht sagen.
 
Der Schaden aus dem Kika-Betrug betrage 8,9 Millionen Euro, sagte Wille. Als Konsequenz aus diesem Skandal seien unter anderem Strukturen beim gemeinsamen Kinderkanal der ARD und des ZDF überarbeitet worden. Der Kika werde stärker in den MDR integriert. Im Mai treten verschärfte Dienstanweisungen in Kraft. Kernpunkt sei die konsequente Anwendung des Vier-Augen-Prinzips. „Wir werden die Federführung mit noch größerer Sorgfalt ausführen“, sagte Wille.
 
Der MDR sendet in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Wille ist seit dem 1. November 2011 Intendantin des Senders. Sie folgte Udo Reiter, der sein Amt nach zehn Jahren abgegeben hatte.[Gitta Keil/su]

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3 Kommentare im Forum

  1. AW: 100 Tage im Amt: MDR-Intendantin Karola Wille zieht Bilanz Der MDR hat ein unverwechselbares Profil. Mich interessieren vor allem die vielen Dokus die sich vor allem mit der Teilung der beiden deutschen Staaten beschäften & alles was daraus bis heute resultiert. Ich hoffe, dass man sich nicht den Einheitsbrei vieler anderer Sender einreiht, denn ein HR hat für mich nicht ein solch unverwechselbares Profil wie der MDR. Und ich wäre als mittdreißiger sogar in der Zielgruppe - aber als Österreicher dann doch wieder nicht ;-)
  2. AW: 100 Tage im Amt: MDR-Intendantin Karola Wille zieht Bilanz Sie hat "die 40-49 Jährigen im Visier". Das ist ja niedlich. Offenbar hat der öffentlich rechtliche Rundfunk die Zielgruppe 14-39 komplett aufgegeben. Traurig. Ab 50 darf ich dann ARD Hauptprogramm gucken. Ab 70 dann endlich, endlich das ZDF. Dann kann ich in Frieden vor dem Fernseher dieser öffentlich-rechtlichen Welt entschlafen. Vielleicht aber schon ab 40 vor dem MDR-Fernsehballett.
  3. AW: 100 Tage im Amt: MDR-Intendantin Karola Wille zieht Bilanz Also ich bin über dreißig und sehe recht gerne die ÖR in Deutschland - bin aber trotzdem kein Mensch der in den Keller lachen geht und sich anzieht wie mit 80. Ich find schon, dass vor allem das ZDF oft sehr gute Dokus hat, aber auch letztens die Sendung über Mediamarkt & Co hab ich mir angeschaut. Von ZDFneo/kultur etc gar nicht zu reden. In Österreich haben Sie das umgekehrte, da glaub der ORF er muß nur die Zielgruppe von 14 bis 30 ansprechen. Würde man das Logo von ORF1 ausblenden, dann könnte das jeder x-beliebige Privatsender sein. Und wenn dann eine gute Serie produziert wird (wie jetzt mit Braunschlag), dann kommt das ganze zuerst einmal als DVD-Edition heraus und im Herbst erst ins Fernsehen, damit doppelt abkassiert werden kann. Ich find Eure Rundfunklandschaft in D schon toll - würden wir die nicht als Österreicher mitbenützen können - dann wärs in unseren Fernsehern traurig. Zumindest bei all denen, die mit dem Einschaltknopf des Fernsehers nicht automatisch das Hirn ausschalten. Denn genau Eure ÖR sind die Bereicherung bei uns. Ob der Sender jetzt RTL oder ATV oder Sat1 bzw. Puls4 heißt ist egal, es läuft überall das selbe. Bei Bauer sucht Frau bei RTL mit deuschen Menschen, bei ATV mit österreichischen.
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