[Interview] ZDF-Chefredakteur Frey: „Jünger und frecher werden“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Seit einem Jahr heißt der Chefredakteur des ZDF Peter Frey. Als der heute 53-Jährige am 1. April 2010 sein Amt antrat, hatte er unter anderem angekündigt, für ein „frecheres“ Programm zu sorgen.

Nicht nur jüngere Zuschauer könnten mit Nachrichtensendungen gelockt werden – wenn diese gut gemacht sind und Hintergründe erklären. Dabei gewinnen die Online-Angebote des Senders nach wie vor an Bedeutung. Die Nachrichtenagentur dpa hat für DIGITAL FERNSEHEN mit Peter Frey gesprochen.
 
Wo sehen Sie die wichtigste Herausforderung des ZDF in den kommenden Jahren?
 
Frey: „Wir müssen alles daran setzen, den Generationenabriss, den wir Anfang der 90er Jahre erlitten haben, zu überwinden. Dazu gehört vor allem unsere Präsenz im Internet. Wir wollen mit den neuen Medien, mit unseren Webseiten zdf.de und heute.de, Publikum zurückerobern, das wir mit dem klassischen Hauptprogramm ein Stück weit verloren haben. Die Bilanz unseres Online-Angebots mit von Monat zu Monat steigenden Zugriffszahlen ist dabei ermutigend.“

Nachwuchssorgen – der Begriff ist auch anderen großen Organisationen nicht fremd…

Frey: „Ja, auch andere tun sich damit schwer, auch andere Sender, Qualitätszeitungen, die Kirchen, die Gewerkschaften oder viele Sportvereine haben das Problem, dass sich die jüngere Generation im Nirwana der Digitalisierung irgendwie auflöst. Den Trend müssen wir aufhalten. Der durchschnittliche ZDF-Online-Nutzer ist 44 Jahre alt, unser durchschnittlicher Fernsehzuschauer ist 61. Das macht fast 20 Jahre Unterschied und deshalb müssen wir an der Stelle Kraft investieren.“

Als Sie vor einem Jahr Chefredakteur des ZDF geworden sind, haben Sie angekündigt, der Sender wolle frecher werden und so auch jüngeres Publikum ansprechen. Wie weit sind Sie in diesem Punkt gekommen?

Frey: „Wir sind dabei. Ich glaube, jüngeres Publikum spricht man zum Beispiel durch Erklärformen im Fernsehen an. Nachrichten müssen heute stärker als früher Orientierung, Erläuterungen geben. Die Zahl der Smartphones hat sich im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent erhöht. Das heißt, auch während des Tages, am Arbeitsplatz, auf dem Weg dorthin sind Menschen online und informieren sich schon über die wesentlichen Ereignisse. Wenn sie sich dann abends vor den Fernseher setzen, wollen sie die Erklärung haben. Nicht nur: Was ist passiert, sondern: Warum und wie genau? Und: Was steckt dahinter? Darauf müssen sich Nachrichtensendungen mehr und mehr einstellen und das ist es, was ein jüngeres Publikum erwartet.“

Erklärstücke – etwa zum Atomunglück in Japan – sind ja gerade in diesen Tagen sehr gefragt. Was hat die Arbeit des ZDF während der Katastrophe in Japan noch ausgezeichnet?

Frey: „Wir haben die Balance zwischen aktueller Berichterstattung, Analyse und einfühlsamer Reportage sehr gut gehalten. Unser Büro in Japan ist seit einigen Jahren nicht mehr mit einem dauerhaften Korrespondenten besetzt. Da hatten wir das Glück, dass Johannes Hano, unser China-Korrespondent, gerade zur Berichterstattung vor Ort war.
 
Er hat im ‚Morgenmagazin‘ als erster berichtet. Das ZDF war also vom ersten Moment an mit seinen sehr kompetenten Einschätzungen präsent. Vor Reisen in den Norden mussten wir dafür sorgen, weitere Reporter ins Land zu bekommen. Ich habe dazu erst mein OK gegeben, als sicher war, dass die aktuelle Berichterstattung weiterläuft und kein Risiko für die Kollegen besteht. CNN oder die BBC stellen sich als Nachrichtensender in solchen Krisen anders auf – oft mit Dutzenden Mitarbeitern vor Ort.“

Welche Rolle spielen Talkshows im ZDF? Welches Format spielt eine besonders große Rolle?

Frey: „Wir konzentrieren uns auf unsere Talkshow am Donnerstagabend, ‚Maybrit Illner‘. Ansonsten setzt die Chefredaktion nicht alles auf Talk, sondern stark auf Dokumentationen, auf filmische journalistische Leistungen. Wir führen in den nächsten Monaten insgesamt vier filmische Rubriken ein oder erneuern sie zum Teil stark. Das sind das Label ‚ZDFzeit‘ am Dienstag um 20.15 Uhr – zur Hauptsendezeit – für große, auch historische Themen und am Mittwoch ‚ZDFzoom‘ für die klassische, investigative journalistische Leistung.
 
Am Sonntag wollen wir Umweltthemen nicht mehr in Form eines Magazins, sondern mit eindringlichen Filmen präsentieren, die ‚ZDFreportage‘ wandert eine halbe Stunde nach vorne und wird kantiger, markanter. Damit haben wir vier 30- beziehungsweise 45-minütige filmische Angebote – Woche für Woche. Eine Meinung haben viele, Ahnung haben wenige. Wir wollen dazu beitragen, dass die Leute, wenn sie ZDF sehen, auch Ahnung entwickeln.“

Welche konkreten Relaunches sind geplant?

Frey: „Wir sind im Moment auf einer breiten Schiene der Erneuerung mit einem Dutzend wichtiger Projekte, die unser Erscheinungsbild nachhaltig verändern werden. Ich denke an das neue ‚heute-journal‘ und an die Renovierung der Talksendung von Maybrit Illner. Auch ‚WISO‘ wird am kommenden Montag mit einem neuen Layout auf den Schirm gehen, die Berliner Formate ‚Frontal 21‘ und ‚Berlin direkt‘ denken über neue Erscheinungsformen nach, auch ‚Mona Lisa‘ ändert sich und wird zum Magazin für ‚Frauen, Männer und mehr‘, das ‚auslandsjournal‘ stellt sich auf früherem Sendeplatz neu auf. Wir wollen mit unseren Informationsinhalten unser Publikum halten, aber auch bei der Generation der 30- bis 50jährigen, in der Mitte der Gesellschaft ankommen.“INTERVIEWs im Überblick

[dpa/ar]

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