Lasst „Big Brother“ endlich sterben!

Ein Kommentar von Richard W. Schaber

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Big Brother; obs/SAT.1
obs/SAT.1

Als vor 20 Jahren Zlatko und Jürgen eine Männerfreundschaft im videoüberwachten Container begründeten, schauten alle zu. Es war zwar schon damals nicht sonderlich spannend, aber neu. Jetzt zeigt sich: Selbst mit extrem inszenierten Stories interessiert das voyeuristische Format „Big Brother“ heutzutage kaum noch Zuschauer.

Ein kleiner Haufen Menschen lässt sich in eine Container-Landschaft einpferchen und rund um die Uhr filmen. Klingt eigentlich erstmal langweilig, aus heutiger Perspektive. Ein Tabubruch war es aber damals – noch bevor das DSL-Internet die meisten Privathaushalte erreichte. Noch bevor auf Facebook und später Instagram jeder dazu eingeladen wurde, mit der Öffentlichkeit zu teilen, was zu analogen Zeiten noch klar in den Raum der Privatsphäre gehört hatte.

Die Privatsphäre ist längst Geschichte

Mittlerweile publizieren selbst Grundschüler und Rentnerinnen semiprofessionell Bilder von ihrem Mittagessen und ihren Haustieren und unter Zwanzigjährigen ist es längst ein valider Karriereplan, in Unterwäsche auf retuschierten Urlaubsfotos zu posieren und dabei als Influencer Schleichwerbung für Kosmetik- und Lifestyle-Produkte zu machen.

Wer will also noch irgendwelchen Normalos beim Duschen zusehen? Das Internet versorgt schließlich bereits seit Jahren die voyeuristischen Bedürfnisse von Medienkonsumenten wesentlich radikaler und erschöpfender, als es im frei empfangbaren Fernsehen jemals vorstellbar wäre. Das RTL-Dschungelcamp behauptet mit niederträchtigem Ekel-Event-TV zwar noch seine Ausnahmestellung – aber dafür müssen sich immerhin C-Prominente in Ungeziefer wälzen.

Inszenierte Skandale als Verzweiflungsmaßnahme

Nun werden im „Big Brother“-Container Inzest-Stories ausgepackt, um dem quotenschwachen und mittlerweile gestrig wirkenden TV-Format über einen gezielt inszenierten Tabubruch neuen Schub zu verleihen. Wirkt verzweifelt, verdammt gewollt – und riecht verdächtig nach „Scripted Reality“.

Und selbst das scheint nicht zu Funktionieren – bei Sat.1 trudelt das voyeuristische TV-Format trotz Primetime-Sendeplatz nun in den einstelligen Quotenbereich.

Plädoyer: Hört bitte auf!

Wenn selbst aus schierer Verzweiflung inszenierte Skandale das Format nicht retten können – läge es nicht langsam nahe, „Big Brother“ in die TV-Geschichte eingehen zu lassen? Die Erinnerung an den Abend, als die ersten Bewohner in die Containerwelt einzogen und damit ein neues TV-Zeitalter eingeläutet wurde, hallt noch nach. Damals fühlte es sich, trotz oder gerade wegen seiner voyeuristischen Banalität, irgendwie wichtig an. Mittlerweile würde kein Millennial mehr den Blick vom Smartphone dafür abwenden. Zeit abzuschalten!

Bildquelle:

  • df-bilg-brother: obs/SAT.1

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