
Als junge Frau beeindruckt sie am Theater. Ihre Kino-Karriere kommt erst spät in Schwung, gipfelt aber im Oscar-Gewinn. Mit 80 ist Helen Mirren in Hollywood weiter sehr gefragt.
Über mangelnde Rollenangebote kann sich Helen Mirren nicht beklagen. Anfang des Jahres war sie im Western-Drama „1923“ zu sehen. Aktuell spielt sie in der Gangster-Serie „Mobland“ mit. Und demnächst kommt die britische Schauspielerin mit der Krimikomödie „The Thursday Murder Club“ ins Kino. Vor ihrem 80. Geburtstag am 26. Juli macht die Oscar-Gewinnerin («Die Queen») keine Anstalten, kürzerzutreten.
Dabei verspürt sie selbst nach so langer Zeit auf der Theaterbühne und vor der Kamera immer noch Angst, wenn sie neue Rollen annimmt. „Man hat Angst vorm Scheitern, weil man dort etwas von sich preisgibt“, verrät sie vor Jahren im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Man möchte seine Schauspielkollegen, den Regisseur und natürlich das Publikum nicht enttäuschen.“
Diese Angst vor dem Scheitern ist für Mirren jedoch eher ein Ansporn als ein Hindernis. „Die Dinge, die dir wirklich Angst machen, sind die Dinge, die du machen solltest“, erklärte die wandlungsfähige Britin. „Denn es bedeutet, dass sie anspruchsvoll sind und dir eine Menge abverlangen. Aber sie machen auch Spaß. Wenn man die Angst einmal überwunden hat, dann wird es großartig.“
Durchbruch am Theater als Kleopatra
Die Rolle der Kleopatra gilt als Mirrens Durchbruch. Die Tochter einer Engländerin und eines Russen wird als Helen Lydia Mironoff 1945 in London geboren. Ihr Vater ändert den Familiennamen in Mirren, damit er britisch klingt. Ihre Kindheit und Jugend verbringt sie im Küstenstädtchen Southend-on-Sea und im Vorort Westcliff-on-Sea, wo sie bereits in Schulaufführungen mitwirkt.
Helen ist 18 Jahre alt, als sie dem National Youth Theatre beitritt. Kurz darauf spielt sie Kleopatra in Shakespeares „Antonius und Cleopatra“ am Londoner Old Vic. „Das war eine großartige Plattform für mich“, sagte sie dem ‚Telegraph‘, „und das war der Start meiner Karriere.“ Kurz darauf kommt ein Angebot der renommierten Royal Shakespeare Company. Und sie spielt erste Filmrollen.
Ihr Sex-Appeal erregt Aufsehen
In „Das Mädchen vom Korallenriff“ (1969) zeigt sie sich erstmals freizügig. Für das Drama „Savage Messiah“ (1972) über den französischen Bildhauer Henri Gaudier-Brzeska steht sie sogar nackt vor der Kamera. Auch im beinahe pornografischen Historienfilm „Caligula“ (1979) – laut Mirren eine «unwiderstehliche Mischung aus Kunst und Genitalien» – spielte sie mit. Mit Nacktheit hat sie kein Problem. In Interviews erzählt sie sogar oft, sie sei begeisterte Nudistin.
Doch ihr Sex-Appeal und ihr für damalige Verhältnisse provokantes Auftreten bringen im konservativen Großbritannien der 70er Jahre Nachteile mit sich. Mirren bekommt den alltäglichen Sexismus zu spüren. In einer BBC-Talkshow wird sie 1975 gar als „Sex-Queen der Royal Shakespeare Company“ angekündigt.
Moderator Michael Parkinson fragt, ob ihre „körperlichen Attribute“ für die Karriere hinderlich seien. „Ernstzunehmende Schauspielerinnen dürfen also keinen großen Busen haben, meinen sie das?“, kontert sie genervt. Das Interview sorgt in Großbritannien für viel Aufsehen. Jahrzehnte später blickt Mirren in der ‚Daily Mail‘ auf den TV-Talk zurück. „Er hatte recht“, sagte sie. „Wegen meines Aussehens wurde ich nicht als ernsthafte Schauspielerin wahrgenommen.“
Ein Gangsterfilm als Meilenstein
Doch das ändert sich. Der Gangsterfilm „The Long Good Friday“ („Rififi am Karfreitag“) mit Bob Hoskins – heute ein Klassiker des Genres – macht sie 1980 auf der Leinwand international bekannt. Beim Dreh zu „White Nights“ lernt sie 1985 den US-Regisseur Taylor Hackford kennen. Seit 1997 sind die beiden verheiratet.
Mit Harrison Ford spielt sie 1986 im Drama „Mosquito Coast“. „Ich war damals als Filmschauspielerin noch unerfahren“, sagt Mirren im dpa-Interview. „Ich war eingeschüchtert, und mir war gar nicht bewusst, wie viel ich von Harrison gelernt habe.“ Für die Serie „1923“ steht das Duo fast 40 Jahre später wieder zusammen vor der Kamera und Mirren – längst ein etablierter Hollywood-Star – schwärmt: „Ich lerne immer noch von ihm.“

In ihrer langen Filmkarriere überzeugt sie in unterschiedlichsten Rollen und Genres – von Historienfilmen bis zu Krimis und Komödien. Sogar in der „The Fast And The Furious“-Reihe mit muskulösen Actionstars wie Vin Diesel und Jason Statham gehört sie zur wiederkehrenden Besetzung. Mit amüsanter Ironie spielt sie die prollige Mutter eines Ex-Soldaten.
Ein Oscar für „Die Queen“ und zahlreiche Preise
Den größten Erfolg ihrer Filmkarriere feiert sie 2006. Für ihre Darstellung der britischen Königin Elizabeth II. in dem Drama „The Queen“ erhält sie den Oscar als Beste Hauptdarstellerin, den Golden Globe, den BAFTA-Award und zahlreiche andere Auszeichnungen. Auch mehrere Emmys, den Tony und den Olivier-Award hat sie mittlerweile.
Schon vorher glänzt sie als Queen Elizabeth II. am Theater. Außerdem spielt sie in der Miniserie „Elizabeth I.“ die Titelheldin, die im 16. Jahrhundert regierte. All das, obwohl sie in einem antimonarchistischen Haus groß wurde. „Ich weiß nicht, was meine Eltern davon gehalten hätten, dass ich die Königin spiele“, scherzt Mirren vor der Oscar-Verleihung in einem TV-Interview.
Mit Blick auf ihre Angst vor einem möglichen Scheitern erklärt sie der Deutschen Presse-Agentur: „Man will ja nicht, dass die sagen: ‚Naja, irgendwie hat sie das nicht hingekriegt, oder?'“ Bisher ist allerdings kein Fall bekannt, in dem Helen Mirren es nicht hingekriegt hat.
Von Philip Dethlefs, dpa / Redaktion DF: mw
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