„Eine deutsche Partei“ schaut hinter die Kulissen der AfD

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Simon Brückner wurde für „Eine deutsche Partei“ ein Einblick in die Arbeit der AfD gewährt. Am Mittwoch feierte der Dokumentarfilm Premiere auf der Berlinale.

Politiker-Dokus tappen meist ganz schnell eine Falle, man kennt das auch auf der Berlinale. Erst vor zwei Jahren lief dort das Porträt „Wagenknecht“ über die gleichnamige Linken-Politikerin. Auch dort gab es interessante Einblicke in deren Alltagsgeschäfte zu sehen, zweifellos, doch mühte sich dieser Film allzu sehr an der Bürde des Arbeitens und des öffentlichen Rollenspielens ab. An dem Druck, jederzeit die Fassade zu wahren. Das sind nun inzwischen keine Neuigkeiten mehr, das erklärt kaum politisches Handeln. Von anderen Filmprojekten wie der TV-Produktion „Die Getriebenen“ über Angela Merkel ganz abgesehen, wo Politik permanent mit den Blicken durchs Schlüsselloch banalisiert wurde. Simon Brückners AfD-Studie „Eine deutsche Partei“ umgeht diese Falle. Ihm ist ein ganz hervorragendes, forderndes Werk gelungen.

Zwischen 2019 und 2021 hat Brückner Politiker oder Nahestehende der Alternative für Deutschland begleitet, gedreht wurde im Zweierteam. Gleich zu Beginn filmt er während eines Meetings. Prüfende Blicke werden in die Kamera und zum Publikum geworfen. Soll man sich wirklich bei allem filmen lassen? Sollen nicht gewisse Debatten und Entscheidungen vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben? Was soll es, 2022/23, wenn der Film erscheint, wird das alles eh keine Rolle mehr spielen, wird da sinngemäß in die Kamera gesprochen. Falsch gedacht! Es ist nur einer von vielen Momenten, in denen sich der Film zur Realsatire aufschwingt, die sich kein Drehbuchautor gewitzter und erschreckender ausdenken könnte.

Blick auf den AfD-Nachwuchs

Hochrangigen Politikern folgt Simon Brückner, einer von ihnen ist Georg Pazderski. Aber auch Neulinge treten in diesem Film auf. Die Arbeit der Jungen Alternative findet ebenfalls ihren Platz im Film. Mit Volksliedern im Autoradio fährt man zum Wahlkampf. Ein junger Mann ist gerade dabei, in die Reihen der Partei zu geraten. In Berlin tritt er auf einer Anti-Corona-Demo auf und hält eine Wutrede, später trifft er sich mit Rechten aus dem Ausland.

Man kommt in Gedanken kaum umhin, sich zu fragen, wie die bisherige Biographie dieses Jungen wohl abgelaufen sein muss. Was ihn bewegt hat, in derartige Kreise zu geraten. Doch genau an dieser Stelle verweigert „Eine deutsche Partei“ glücklicherweise simple Psychologisierungen, er interessiert sich für Taten und er interessiert sich für Menschen abseits wandelnder Karikaturen.

Eine Partei in sechs Kapiteln

Das ist kein Film, der noch einmal alte Litaneien aufsagt, was Menschen in rechte Gefilde rutschen lässt. Ebenso wenig amüsiert er sich über gewisse Gestalten, so abstruse Dinge sie auch sagen mögen. Ja, hier und da gibt es Szenen von öffentlichen Veranstaltungen zu sehen, bei denen Kapellen Volkslieder spielen, während angetrunkene Männer zwischen Bierzeltgarnituren ihren Frust dahinpöbeln. „Eine deutsche Partei“ gibt solche Momente weder der Lächerlichkeit preis, noch verharmlost er sie. Stattdessen liegt ihm daran, eine adäquate wie nüchterne filmische Form zu finden, ein rissiges Mosaik für eine Parteipolitik zu entwerfen, die von permanenten Widersprüchen, gedanklichen Schleifen und Richtungskämpfen geprägt ist.

Sechs Kapitel zeigt Simon Brückner, jedes davon besteht noch einmal aus zahlreichen kleinen Fragmenten, die das Unabgeschlossene und Konkurrierende suchen. Es stimmt, das ist kein Werk, das einen die AfD noch einmal grundlegend mit neuen Augen sehen lässt, aber das eine Möglichkeit findet, ihre Trugschlüsse, Phrasen und Kalkulationen in ein ebenso verzweigtes wie fragiles Zeitdokument zu verwandeln. Das in seinen Anhäufungen von Eindrücken provoziert, Kritik in seiner Auswahl der Bilder übt, ohne selbst aggressive Töne anzuschlagen. Auch das Bürokratische hält dabei immer wieder Einzug in „Eine deutsche Partei“, die Organisation von PR-Aktionen etwa. Es unterscheidet sich kaum von anderen Fraktionen und Lagern, was man hier zu sehen bekommt. Das unbestimmte „Eine“ im Filmtitel ist nicht grundlos gewählt. Der ganz normale politische Alltag, wie er wohl in jeder anderen Partei ebenso stattfindet. Würde nicht im nächsten Moment wieder etwas Krudes über „die“ deutsche Identität oder ähnliche Hirngespinste geschwurbelt werden.

„Eine deutsche Partei“ feierte seine Weltpremiere im Rahmen der 72. Internationalen Filmfestspiele Berlin in der Sektion Berlinale Special. Ein Kinostarttermin ist derzeit noch unbekannt.

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Bildquelle:

  • deutschepartei: Spicefilm
  • eine-deutsche-partei: Spicefilm

4 Kommentare im Forum

  1. Die entlarven sich doch mit Sicherheit selbst. Wobei, das wird die Hardcore Anhänger wahrscheinlich nicht tangieren. Die wählen sie ja gerade deswegen.
  2. Diese Dokus taugen leider alle nüscht. Wird alles schöngezeichnet und von den Protagonisten penibel genau abgesegnet. Auch Wagenknecht und Kühnert sind kaum über das typische Politikergephrase, was man täglich in den Tagesthemen sieht, in ihren Dokus hinausgekommen.
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