Ab heute zum Streamen: Disney enttäuscht mit „Mulan“

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Einst die große Hoffnung für alle Kinobetreiber, danach folgte der große Schock. Heute erscheint „Mulan“ nun tatsächlich bei Diney+ direkt als Stream. Der kostenpflichtige VIP-Zugang lohnt sich leider kaum.

So oder so wäre es ernüchternd. Falls Disney mit seinem plötzlichen Kurswechsel einer Streamingauswertung Erfolg haben sollte, dann dürfte das ein weiterer Sargnagel für das Filmerlebnis im Kino sein. Neben dem Science-Fiction-Thriller „Tenet“ sollte die Realverfilmung des Disney-Klassikers einer der ersten kommerziellen Großerfolge nach den Corona-Schließungen werden. Doch daraus wird nun bekanntlich nichts. Disney stellt für knapp 22 Euro Mehrkosten den Abenteuerfilm direkt auf der hauseigenen Streamingplattform zur Verfügung. Ein gewagtes Experiment, ein Projekt dieser Größenordnung direkt ins heimische Wohnzimmer zu bringen! Man muss das nicht per se verteufeln. Eine Streamingveröffentlichung ist in Pandemie-Zeiten ein unkomplizierter Weg. Und vor allem: Familien werden (trotz 22 Euro Aufpreis) im Vergleich zum Kinobesuch immer noch sparen!

Auf der anderen Seite fühlen sich zahlreiche Kinobetreiber (vollkommen zurecht) von dem Konzern betrogen. Das kollektive Seherlebnis auf der großen Leinwand scheint nicht mehr zu interessieren. Nach dem überraschend besucherstarken Start von „Tenet“ dürften wohl auch im Hause Disney Zweifel aufgekommen sein, ob der Streamingplan nicht doch der falsche Weg war. „Mulan“ hätte im Kino finanziell erfolgreich werden können. Ob die Streaming-Käufe da nun mithalten können, werden die nächsten Tage zeigen. Zeit für eventuelle Schadenfreude bleibt ohnehin nicht. Zwar könnte sich zeigen, dass der TV-Bildschirm der Leinwand doch nicht das Wasser reichen kann. Den Kinos wird das aber auch nicht aus der Krise helfen.

Nicht so gut wie das Original

Bei all den hitzigen Diskussionen, die zum Auswertungsformat des Disney-Streifens nun geführt werden, darf jedoch eine Tatsache nicht in den Hintergrund geraten. „Mulan“ ist schlichtweg kein sonderlich guter Film geworden. Der Plan, die feministische Heldin eines der besten Disney-Filme überhaupt neu in Szene zu setzen, geht nach hinten los. Dafür fehlt es in erster Linie mal wieder an Herz und Seele. Für diese Live-Action-Version hat man den Animationsfilm von 1998 weitgehend von Humor, Musical-Kitsch und sprechenden Drachen befreit, Sinn und Zweck erschließen sich dabei nicht ganz. Disney verfolgt hier einen faden Weg! Man wird langsam müde, die ewig gleichen Probleme all der Neuverfilmungen aufzuzählen, die das Studio in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft hat. Tim Burton konnte dem Realfilm-„Dumbo“ noch eine eigene Handschrift aufdrücken. Bei „Aladdin“, „Susi und Strolch“ und vor allem „König der Löwen“ blieben nur noch Irritation zurück. Besonders letzterer verkam zur reinen Technikdemonstration.

Da ist „Mulan“ insofern wieder eine Steigerung, als die Geschichte der als Mann verkleideten Kämpferin hier zumindest ansatzweise versucht, ihre eigene optische DNA zu entwickeln. Doch man verkennt erneut, dass mehr Ernsthaftigkeit und Realismus nicht immer der klügste Schritt sind. Gerade die technische Brillanz, die Detailverliebtheit und Atmosphäre des Klassikers fehlen hier völlig. „Mulan“ greift zwar nach den epischen Bildern des Zeichentrickfilms, wenn in den beeindruckenden Landschaften und über den Dächern des Kaiserpalastes gekämpft wird. Doch die Wirkung ist nicht die gleiche. Zu viel stümperhafter Schnitt, zu fahle Bilder, die Computereffekte selten auf der Höhe der Zeit. Dann doch lieber noch einmal das immer noch glänzende Original!

Alles für die Familie

Viel schlimmer ist jedoch, dass das Jubeln über eine starke Frauenfigur einen faden Beigeschmack bekommt. Raum für Ambivalenzen, für wirkliche Charaktere bleibt ja dennoch nicht. Das Publikum hat seine ikonische Kämpferin zurück. Wofür sie eigentlich kämpft, das interessiert da leider kaum. „Mulan“ schafft sich mit dem hexengeführten Hunnenvolk, das in das Kaiserreich einfällt, eine Art totales Feindbild. Mal wieder begnügt sich ein Disneyfilm mit simpelsten Gut-Böse-Mechanismen. Die militaristischen Untertöne der Vorlage sind in der Neuverfilmung noch stärker, um am Ende die Bewaffnung der Familie zu feiern, um sich allzeit gegen das nebulöse Böse verteidigen zu können.

Fortschritt und Rückschritt gehen in „Mulan“ leider Hand in Hand. Historischer Stoff hin oder her: Leider passt diese Geschichte nur allzu gut in die heutige Zeit, in der politisch korrekte Repräsentation bejubelt wird, um sich dann doch wieder nur ins Private und in reaktionäre Ideologien zurückzuziehen, um sich mit dem Anderen nicht auseinandersetzen zu müssen. Schwarz und Weiß, Disney kann sich einfach nicht davon trennen. Umso trauriger, wenn man bedenkt, dass selbst der Zeichentrickfilm aus den 90ern da in mancherlei Hinsicht schon wesentlich differenzierter und subversiver war! Es wird langsam spannend, wie es mit dem Hollywood-Konzern weitergeht. Fast alle großen Klassiker wurden nun inzwischen recycelt. Das Zugpferd Marvel hat mit „Avengers: Endgame“ 2019 ihr vorläufiges Ende gefunden. Fast wirkt es so, als würde da bald die Feuertaufe nahen. Neue Stoffe müssen her. So kommen wir doch nicht weiter.

„Mulan“ ist ab dem 4. September bei Disney+ als kostenpflichtiger Stream verfügbar.

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Bildquelle:

  • Mulan: The Walt Disney Company Germany

12 Kommentare im Forum

  1. "Man wird langsam müde, die ewig gleichen Probleme all der Neuverfilmungen aufzuzählen, die das Studio in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft hat. Tim Burton konnte dem Realfilm-„Dumbo“ noch eine eigene Handschrift aufdrücken. Bei „Aladdin“, „Susi und Strolch“ und vor allem „König der Löwen“ blieben nur noch Irritation zurück. Besonders letzterer verkam zur reinen Technikdemonstration. Da ist „Mulan“ insofern wieder eine Steigerung, als die Geschichte der als Mann verkleideten Kämpferin hier zumindest ansatzweise versucht, ihre eigene optische DNA zu entwickeln. Doch man verkennt erneut, dass mehr Ernsthaftigkeit und Realismus nicht immer der klügste Schritt sind. Gerade die technische Brillanz, die Detailverliebtheit und Atmosphäre des Klassikers fehlen hier völlig. „Mulan“ greift zwar nach den epischen Bildern des Zeichentrickfilms, wenn in den beeindruckenden Landschaften und über den Dächern des Kaiserpalastes gekämpft wird. Doch die Wirkung ist nicht die gleiche. Zu viel stümperhafter Schnitt, zu fahle Bilder, die Computereffekte selten auf der Höhe der Zeit. Dann doch lieber noch einmal das immer noch glänzende Original!" Ja, da gibt es fast nichts hinzuzufügen.
  2. Ich kann da nun nur für mich sprechen, aber auf den Kinofilm hatte ich mich gefreut und ich wäre gerne ins Kino gegangen. Bei Disney+ werde ich dann erstmal verzichten. Große Filme gehören zuerst auf die große Leinwand und dann ins Fernsehen. Gerne auch erstmal mit Extragebühr und auch meinetwegen schon nach 3-6 Monaten, aber ZUERST ins Kino, zumal das ja zumindest in Deutschland derzeit möglich gewesen wäre.
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