ARD-Intendant Volker Herres: Vier Baustellen – viele Chancen

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Degeto, MDR, „Tagesschau“-App, Gebühren: Diese vier Begriffe sind für die ARD und ihren Intendanten Volker Herres derzeit Reizworte. Der Senderverbund hat einige Baustellen. Ihre Reparatur ist zäh und langwierig.

Die ARD ist Deutschlands elektronischer Riese. Rund ein Dutzend Fernseh- und mehr als 50 Hörfunkprogramme werden von den neun Landesrundfunkanstalten des Verbundes ausgestrahlt. Doch in den vergangen Tagen und Wochen zwickt es den gebührenfinanzierten Mediengiganten mehr als sonst an einigen, weit voneinander entfernt liegenden Stellen. Eine Lösung der Probleme, die aktuell für Schlagzeilen sorgen, dürfte längere Zeit beanspruchen. Woran liegt es, was genau sind die Hintergründe? Die geschäftsführende Anstalt, der Westdeutsche Rundfunk (WDR), wollte die Ereignisse auf Anfrage aktuell nicht kommentieren.
 
Baustelle Nummer eins: die Gebührendebatte. Den Höhepunkt erreichte der unter anderem bei der TV-Konkurrenz verbreitete Unmut, als bekanntwurde, dass die ARD für all ihre Radio- und Fernsehsender in der kommenden Gebührenperiode von 2013 bis 2016 rund 900 Millionen Euro mehr Bedarf angemeldet hat. So heißt es im formalistisch geprägten Deutsch der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), die aus den Wünschen der öffentlich-rechtlichen Anstalten den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer Vorschläge zur Gebührenhöhe unterbreitet. Die ARD-Vorsitzende Monika Piel rechnet für die Jahre 2013 und 2014 jedoch nicht mit steigenden Gebühren, von denen die gesamten ARD-Anstalten derzeit jährlich rund 5,5 Milliarden Euro bekommen. Dennoch bleibt das Thema die nächsten Monate virulent.

Baustelle Nummer zwei: die Degeto. Als hätte ein Dramaturg seine Finger im Spiel gehabt, brachte kurz vor Bekanntwerden der Gebührenwünsche die „Süddeutsche Zeitung“ einen Bericht über die finanzielle Situation der ARD-Tochterfirma Degeto. Die in Frankfurt ansässige Firma, die für die Produktion und den Einkauf von TV- und Spielfilmen verantwortlich ist, teilte daraufhin mit, dass es in den kommenden zwei Jahren zu einem deutlichen Rückgang in der Auftragsvergabe kommen werde. Der Grund: In den vergangenen Jahren sei zu viel Geld ausgegeben worden. Auch dieses Thema ist längst nicht ausgestanden.
 
Baustelle Nummer drei: die „Tagesschau“-App. Der Dauerstreit zwischen der ARD und privaten Zeitungsverlegern spitzte sich in diesem Sommer zu. Im Juni reichten acht Zeitungsverlage eine Klage vor dem Landgericht Köln ein, weil sie sich durch die kostenlosen Handy-Anwendungen der ARD im Wettbewerbsnachteil sehen. Für einige Smartphone-Angebote aus der privaten Verlegerbranche muss der Verbraucher dagegen zahlen. Der Gesetzgeber verbietet den öffentlich-rechtlichen Sendern „presseähnliche“ Verbreitungsformen im Netz. Aus Sicht der ARD kommt eine Anwendung wie die „Tagesschau“-App aber nicht einem Presseangebot gleich. Die Gerichtsverhandlung ist für den 13. Oktober anberaumt. Zuletzt hatte NDR-Intendant Lutz Marmor die weiße Flagge in Richtung der Verleger gehisst.
 
Baustelle Nummer vier: der MDR. Am Montag scheiterte die Wahl des neuen Intendanten im Verwaltungsrat. Damit setzte sich das Gezerre um den ostdeutschen Flächensender für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fort. Erst vor wenigen Wochen wurde Unterhaltungschef Udo Foht wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten entlassen. Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt gegen sechs Beschuldigte – darunter der Musikmanager Hans R. Beierlein – wegen Bestechung, Untreue, Betrugs und Bestechlichkeit.
 
Die Ursachen für diese Probleme dürften vielfältig sein. Die Größe und die damit verbundene Unübersichtlichkeit des Systems gehören sicher dazu. Es mag an der einen oder anderen Stelle auch zu wenig Kontroll-Ebenen geben. Zudem hat der MDR, als ostdeutsche Drei-Länder-Anstalt, die nach der Wende 1991 neu gegründet wurde, im ARD-System immer eine gewisse Sonderrolle gespielt. Unregelmäßigkeiten kamen aber in den vergangenen Jahren auch bei West-Sendern vor.
 
Und was ist mit dem fürs Publikum Wichtigsten, mit dem Programm des „Ersten“? Droht hier in der Saison 2011/2012 auch eine Baustelle? Die Frage lässt sich wohl erst in ein paar Monaten beantworten. Die Talkshows am Abend, Krimiserien der leichten Art am Vorabend ab Ende Oktober und Thomas Gottschalks Verpflichtung ab 23. Januar sind die neuen Zutaten in der laufenden Saison. Die neu sortierten Talkshows sind jetzt nach der Sommerpause seit einem Monat im Programm – die Quoten schossen allerdings bislang noch nicht durch die Decke.
 
Die Reform des ARD-Programms ist unser aktuelles „Thema des Monats“ auf DIGITALFERNSEHEN.de. Die bisher erschienenen Beiträge lesen Sie hier.[Carsten Rave/ar]

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