Gericht: Verbot von ProSiebenSat.1-Übernahme war rechtswidrig

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Im Rechtsstreit um die abgeblasene Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Medienkonzern Axel Springer hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am Mittwoch ein wegweisendes Urteil gefällt und die 2006 erfolgte Untersagung der Firmenhochzeit durch die bayerische Landesmedienanstalt BLM für rechtswidrig erklärt.

Die BLM war bei ihrer am 15. Mai 2006 verkündeten Entscheidung rechtlich an eine Vorentscheidung der KEK (Kommission für die Ermittlung der Konzentration im Medienbereich) gebunden. Die Medienhüter waren zu der Einschätzung gelangt, dass Axel Springer durch die Übernahme von ProSiebenSat.1 „vorherrschende Meinungsmacht“ im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags erlangen würde, weshalb die BLM die Erteilung  der beantragten Unbedenklichkeitsbescheinigung abgelehnt hatte. 
 
Wie die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in ihrer Urteilsbegründung (Az. 7 BV 11.285) ausführten, war das Abweisen des Antrags von Axel Springer auf Erteilung einer medienrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Erwerb der Anteile an der ProSiebenSat.1 Media AG im Jahre 2005/06 rechtswidrig. Die zugrundeliegende KEK-Entscheidung sei „mit dem  Rundfunkstaatsvertrag unvereinbar“, hieß es.  Die Behörde habe den ihr zustehenden Handlungsspielraum „in mehrfacher Hinsicht überschritten“.

So sei etwa für die Frage, ob die Veränderung der Beteiligung an dem Münchner TV-Konzern medienrechtlich unbedenklich sei, der geplante Gesamtzuschaueranteil entscheidend. Der habe 2006 für die Sender Sat.1, ProSieben, Kabel Eins, N24 und 9Live zusammengenommen aber nur bei 22,06 Prozent gelegen und damit unter dem Schwellenwert von 25 Prozent. Damit hätte der Einfluss etwa der „Bild“-Zeitung und anderer Medienaktivitäten Springers nicht berücksichtigt werden dürfen. 
 
Wenig schmeichelhaft für die Medienkontrolleure ist auch ein weiterer Kritikpunkt. Die KEK habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Rundfunkstaatsvertrag vorschreibe, dass etwa regionale Fenster und Sendezeiten für andere Anbieter vom Zuschaueranteil noch abgezogen werden müssten, im Fall von ProSiebenSat.1 damals immerhin weitere fünf Prozentpunkte. Dazu kämen weitere Fehler und Wertungen, die die KEK gar nicht habe treffen dürfen. Die Entscheidung sei damit insgesamt unangemessen.
 
Die Axel Springer AG sieht sich laut einer am Mittwochmittag verbreiteten Stellungnahme durch das Urteil in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Die KEK wollte sich nicht äußern und erklärte, zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten zu wollen. Springer hatte am 5. August 2005 den milliardenschweren Kauf des TV-Konzerns von Investoren um den US-Milliardär Haim Saban angekündigt, der Deal scheiterte aber am Widerstand der KEK und des Bundeskartellamts. 
 
Springer hatte seine Übernahmepläne daraufhin abgeblasen, zum Zuge kamen später die Finanzinvestoren KKR und Permira. Allerdings wollte Springer anschließend im Rahmen einer sogenannten Fortsetzungsfeststellungsklage gerichtlich klären lassen, ob die Ablehnung der Behörden tatsächlich zulässig war. 
 
In einer ersten Runde 2009 hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärt, dass nach der Aufgabe der Übernahmepläne das „erforderliche berechtigte Interesse“ an einer nachträglichen Klärung fehle. Dem hatte aber das Bundesverwaltungsgericht widersprochen.
 
Vor allem für die Zukunft könnte die Entscheidung der Münchner Richter interessant sein. Im März 2011 waren in der Wirtschaftspresse Spekulationen kursiert, wonach Axel Springer erneut einen Einstieg bei ProSiebenSat.1 ins Auge fasst (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete). Der Bundesgerichtshof hatte im Sommer 2010 für das ebenfalls beteiligte Bundeskartellamt allerdings entschieden, dass die Behörde die Übernahme untersagen durfte.
 
Update 12.55 Uhr: Einzelheiten aus der Urteilsbegründung ergänzt[ar]

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