Mut zur Hässlichkeit: Die Tragikomödie „Wunderschön“

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Wunderschön
Foto: 2020 Hellinger/Doll Filmproduktion GmbH/Warner Bros. Entertainment GmbH

Eine Komödie um Ideale: Eine Schülerin will unbedingt Model werden. Eine zweifache Mutter möchte den Körper von früher zurück. Eine Frau wird 60 und hadert mit dem Alter. Und doch sind sie alle schön.

An Kino-Klassiker lässt der Titel denken: An Frank Capras „Ist das Leben nicht schön?“ von 1947, eine großartige Weihnachtsschnulze. An Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ (1997). Auch bei „Wunderschön“, der dritten Regiearbeit von Karoline Herfurth handelt es sich um eine zu Herzen gehende Tragikomödie. Schön ist auch in diesem Film, der am Montag (14. Juli) um 20.15 Uhr im Ersten läuft, nämlich beileibe nicht alles. 

Fünf Frauen sind es, die sich hier aufs Herrlich-Traurigste ein ums andere Mal in den Fallstricken des Lebens verheddern. Mit bekannten Filmgesichtern wie Emilia Schüle, Nora Tschirner, Martina Gedeck, Friedrich Mücke und Joachim Król ist „Wunderschön“ prominent besetzt. Und auch Herfurth selbst hat eine, die vielleicht zentralste Rolle inne.

Herfurth spielt Sonja, eine in zunehmendem Maße verzweifelte Mutter, die nicht nur unter ihrem Karriere-fixierten Mann (Mücke) leidet, sondern auch nicht so recht in die Mama-Rolle hineinfinden mag. Martina Gedeck ist Frauke, Endfünfzigerin, die sich mehr vom Leben erhofft als nur das Kochen für und die öden Gespräche mit dem ollen Ehemann. 

Sowohl Sohn als auch Tochter sind schon ausgezogen, letztere versucht sich in der Modelwelt – deren grausame Schattenseiten von Regisseurin Herfurth auf brutal-ehrliche Art seziert werden. 

Das Thema Aussehen (einmal fragt ein kleines Mädchen: „Wie sieht man richtig aus?“), die eigene und die Fremdwahrnehmung: Das ist der inhaltliche Fixstern, um den die allesamt sehr unterhaltsamen Geschichten des Films kreisen. Auch Teenager Leyla (wunderbar: Dilara Eylin Ziem) leidet unter ihrem Äußeren, findet schließlich im Baseball das zu ihr passende Ventil.

Balancieren zwischen Klamauk und Ernst 

Vor allem Tschirner, die fünfte Frau in diesem virtuos choreografierten Ensemble, ist ein Ereignis: Die 40-jährige Schauspielerin, Musikerin, ehemalige Moderatorin besticht durch ihre rotzig-rührende Art: Sie gibt eine alleinstehende Kunstlehrerin, die nicht nur mit ihrer verzottelten Haarpracht und einem, stets den rechten Zeigefinger schmückenden blauen Pflaster auffällt. Nein, auch ihr betagter feuerroter Golf sorgt für Interesse. So auch bei einem flotten Lehrerkollegen, mit dem sich Tschirner aber (zunächst) nur auf eine Mini-Affäre einlässt. 

Es gibt wenige hiesige Darsteller, die ihren Mut zur Hässlich- und Dreistigkeit auf so hübsch-sympathische Art auszustellen in der Lage sind – ohne dabei je vom schmalen Balancierbalken zwischen Klamauk und Ernst herunter zu purzeln.

Tschirner aber würde ihr Potenzial wohl nicht derartig gut ausspielen können, wenn sie in Herfurth nicht eine so routinierte Regisseurin und kongeniale und erfrischende Gegen- und Mitspielerin vor der Kamera hätte: Dass die Chemie zwischen beiden stimmt, lässt sich exemplarisch an einer der schönsten Szenen ablesen. Da steht die verweinte Kunstlehrerin bei ihrer nicht weniger derangierten besten Freundin an der Haustür: Bin ich eine unausstehliche Eremitin?, fragt Tschirner voller Verzweiflung. Woraufhin Herfurth sie voller – nicht nur gespielt anmutender – Wärme in den Arm nimmt: „Nein, nein, du nervst nur manchmal schrecklich!“.

Text: Matthias von Viereck, dpa / Redaktion DF: mw

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