„Triangle of Sadness“: Mit Fäkalhumor gegen die Schönen und Reichen

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Zwei Influencer auf der Yacht
Foto: Fredrik Wenzel/ Alamode Film

Ruben Östlunds Satire „Triangle of Sadness“ zerlegt die Welt der feinen Leute mit Kotze, Kot und Exzentrik. Jetzt läuft der diesjährige Cannes-Gewinner in den Kinos.

Ruben Östlund interessiert sich für Fassaden, aber er lässt uns nicht bei ihrem Entstehen zusehen. Er weiß, um ihre Künstlichkeit, lässt sie lustvoll zerfallen oder schaut auf Figuren, die ihre Überreste mit zitternden Händen zusammenzuhalten versuchen. Aber was findet man denn da, wenn diese Überreste erst einmal beseitigt sind? Wenn die berühmten Masken gefallen sind? So abgedroschen diese Floskel scheinen mag – sie passt zu der ebenso abgedroschenen, leicht dahingesagten Gesellschaftskritik, die Östlund auch in „Triangle of Sadness“ formuliert.

Er sucht sich im Grunde leichte Opfer für seine Geschichten aus. Jene, die es anscheinend verdient haben, so richtig runderneuert zu werden. Oder mit großer Schadenfreude durch Fäkalien gezogen zu werden, wie in seinem neuen Film. Östlund wählt dafür erneut einen geschlossenen Raum, in dem er ein Milieu des Wohlstands skizziert. Und ein Milieu jener, die unbedingt zu dieser Sphäre dazugehören wollen, ohne über ihre Mechanismen reflektieren zu können.

„Triangle of Sadness“ bildet dabei den Abschluss einer Trilogie. „Höhere Gewalt“ handelte von einem in Tristesse getauchten Urlaub, in dem ein Vater vor einer Lawine flieht und seine Familie im Stich lässt, die die Katastrophe blöderweise überlebt. Ein Riss ist durch die Sippe gezogen. „The Square“, Östlunds Cannes-Gewinner von 2017, wagte sich dann in eine Welt der Künstler und Kuratoren, in deren Museen Spießbürger gierig Buffets verschlingen oder von einem übergriffigen Affen-Performer terrorisiert werden. Und nun zum zweiten Mal die Goldene Palme in Cannes: „Triangle of Sadness“, ein Triptychon rund um eine eskalierende Kreuzfahrt.

Iris Berben in einer skurrilen Gastrolle

Die dreigeteilte Erzählstruktur ist nicht unklug gewählt. Sie versucht sich an einer Annäherung über die persönliche Ebene an ein größeres Miteinander, um es letztendlich auf einen Nullpunkt zu setzen. Östlund erzählt im ersten Kapitel von der dysfunktionalen Beziehung zweier Models und Influencer. Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean Kriek) bewegen sich durch eine künstliche Modewelt. Ein Abendessen wird zur Schimpftirade über finanzielle Ausnutzung. Wer soll die Rechnung bezahlen? Mann oder Frau?

Im zweiten Kapitel finden wir sie wieder, diese beiden Quälgeister, dieses Mal auf einer Luxusyacht, auf der allerlei menschliche Kuriositäten ihr Unwesen treiben. Egal, ob es ein reicher russischer Oligarch ist, der sein Geld mit dem Verkauf von Gülle verdient, oder eine von Iris Berben gespielte Frau, die nach einem Schlaganfall immer wieder nur „in den Wolken“ dahinkrakelt. Ja, in den Wolken, dort lauert die Utopie, die der schwedische Autorenfilmer in weite Ferne rückt. Der Zyniker kann über all das Schlamassel spotten.

Östlund bedient sich des „Titanic“-Tricks und inszeniert die Yacht als Panoptikum kapitalistischer Schräglagen. In der stärksten, weil ambivalentesten Sequenz des Films will die von Sunnyi Melles gespielte Oligarchengattin das ganze Personal an Bord dazu animieren, sich auf einer Wasserrutsche zu vergnügen. Auferlegter Spaß, befohlene Freiheit als Fortsetzung bestehender Machtverhältnisse. Natürlich muss der Kahn sinken – auch in diesem Film. Ein Überfall durch Piraten verpasst ihm den explosiven Todesstoß, als längst das Chaos regiert.

Ein System kotzt sich aus

Während des abendlichen Dinners sorgt ein Sturm für Seekrankheit. Es ist eine nicht enden wollende Sequenz der Kotzeschwälle und des Sprühdurchfalls. Es spritzt aus allen Löchern. Das ist eine beachtliche Sequenz, man muss es Ruben Östlund lassen. Weil es das einzige Mal ist, dass dieser allzu schadenfrohe Film wenigstens den vollen Exzess entfesselt. Weil er seine hämische Untergangsfantasie in expressives Körpertheater übersetzt, sein Film eine gewisse Performanz und Wucht in den schwankenden Bildern entwickelt.

Und dann? Was kommt denn dann, wenn sowohl Kapitalismus als auch Kommunismus als Systeme des Miteinanders und des Wirtschaftens ausgedient haben? Sie sind ja nur noch Schlagworte für irgendwelche neunmalklugen Zitate, die Woody Harrelson und Zlatko Burić im Suff aufsagen. Östlund scheitert daran, seine Systemkritik über reines Spektakel zu erheben. Denn er bleibt nicht beim unflätigen Exzess, das hätte ja noch als Provokation getaugt. Nein, er verstrickt sich in die ganz großen Fragen, dargeboten wie in einem Stammtischgespräch.

Unnötig viel Zeit verschwendet er für einen ziellosen, ausbremsenden dritten Akt, in dem die Überlebenden auf einer einsamen Insel eine neue Ordnung errichten müssen. Nichts Perspektivisches will Östlunds Satire anbieten. Das muss sie auch gar nicht, manchmal kann schließlich allein das Beobachten des Aussichtslosen anregend sein. Doch „Triangle of Sadness“ treibt sich seine Substanz aus, indem er nun seine Sozialstudie auf irgendwelche Archaismen und Naturalisierungen zurückwirft, abgekoppelt von allen systemischen Zusammenhängen, deren Zeiger plötzlich in alle Richtungen ausschlagen. Auch das könnte eine interessante Verwirrung ergeben, passt aber überhaupt nicht zu der kontrollierten Bildführung, dem gehemmten psychologischen Schauspiel, das Östlund inszeniert.

„Triangle of Sadness“ bestraft seine Figuren

Ein lose zusammengeschustertes Matriarchat schafft sich da neue Unterdrückungen. Ausbeutungsmechanismen findet „Triangle of Sadness“ in der barbarischen menschlichen Natur, die sich zum Schluss nur noch orientierungslos und rastlos im undurchdringbaren Gestrüpp wiederfindet. Immer weniger wollen die drei Kapitel des Films zusammenpassen, auch stilistisch. Ihr gegenseitiges Befragen verstrickt sich nur in offenen Enden und Widersprüchen. Östlund sucht zwar nach Sympathien in seinem Ensemble der oberen gesellschaftlichen Prozente, setzt sie aber dennoch einer fatalistischen Gladiatorenarena, einem filmischen Bestrafungsprozess aus. Wir, das Publikum, werden da gänzlich ausgeklammert und können uns zurücklehnen.

Oberflächlichkeiten der Oberflächlichkeit, Vulgarität der Vulgarität entgegenzusetzen, mag Klatscher und Lacher zu ernten, Kino als populären, geselligen Raum auskosten, diese Kraft besitzt „Triangle of Sadness“. Es bestätigt im Geist aber lediglich den gewohnten Lauf der Dinge, die immerwährende Alternativlosigkeit, die Ruben Östlund eigentlich anzuprangern versucht. Es ist ein Kino, dem trotz seines überbordenden Erzählkonstrukts Ideen und Luft ausgehen. Schlimm mag es sein, schlimm wird es auch weitergehen. Warum also all die Mühen aufwenden, wenn doch eh alles vergebens ist?

„Triangle of Sadness“ läuft seit dem 13. Oktober 2022 im Verleih von Alamode Film in den deutschen Kinos. Eine Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray erfolgt voraussichtlich am 24. März 2023.

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