„Der Nachname“: Familiäres Gruselkabinett

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Das Ensemble von "Der Nachname"
Foto: Constantin Film

2018 inszenierte Sönke Wortmann in „Der Vorname“ einen Streit um ein Baby, das Adolf heißen soll. Nun sorgt ein Nachname für Debatten – mit Folgen für den Familienfrieden, zu sehen im Ersten.

In vielen Familien geht es nur auf den ersten Blick harmonisch zu. Unter der Oberfläche brodelt es oft gewaltig. So auch im Hause Böttcher. Der neueste Streit entzündet sich an Dorothea. Die lebenslustige ältere Dame hat nämlich ausgerechnet ihren Adoptivsohn René geheiratet, heimlich. Bei einem gemeinsamen Urlaub auf Lanzarote weiht sie ihre Kinder und deren Familien ein – und alle sind entsetzt. Das Erste zeigt die Komödie „Der Nachname“ mit Christoph Maria Herbst, Iris Berben und Justus von Dohnányi am Montag (28. Juli/20.15 Uhr) um 20.15 Uhr im ARD Sommerkino.

„Deine… was auch immer“

Die Entscheidung der selbstbewussten Alt-68erin Dorothea (Iris Berben) wird zum Brandbeschleuniger für Konflikte, die die Sippe mit sich herumschleppt. Und sie wirbelt die verwandtschaftlichen Konstellationen durcheinander. Elisabeth (Caroline Peters) und Thomas (Florian David Fitz) sind Dorotheas Kinder, René (Justus von Dohnányi) ist ihr Adoptivbruder. Doch weil ihre Mutter nun René geheiratet hat, ist er auch irgendwie ihr Stiefvater. Ein Umstand, der Elisabeths Ehemann Stephan (Christoph Maria Herbst) ratlos macht. «Meine Ehefrau», setzt der sonst so wortgewandte Literaturprofessor an und kommt schon bald ins Stocken. „Deine… was auch immer.“

Regisseur Sönke Wortmann („Der bewegte Mann“, „Das Wunder von Bern“) rührt genussvoll in dieser Melange aus Krieg und Komik. Die Protagonisten sind dabei allerdings schon bekannt. Der Kinofilm „Der Nachname“ setzte 2022 die Gesellschaftskomödie „Der Vorname“ fort, in der Familie und Freunde heftig über den Babynamen Adolf diskutierten. 2024 erschien zudem Teil 3: „Der Spitzname“.

Schocknachricht im Ferienparadies

„Der Nachname“ setzt nach diesen Geschehnissen an. Darin hat Dorothea ihre Lieben samt Anhang in die Familien-Finca auf Lanzarote eingeladen und versetzt alle in einen Schockzustand, als sie von ihrer Hochzeit erzählt. Und damit nicht genug. Sie hat auch noch Renés Nachnamen angenommen: König. Vor allem Sohn Thomas ist entsetzt, vertritt er doch ein eher archaisches Männlichkeitsbild, in dem Wörter wie „Stammhalter“ noch eine Rolle spielen. Außerdem hat das Gefühl, dass damit die Erinnerung an seinen leiblichen Vater verwischt werden soll. 

Tor ins Familien-Gruselkabinett 

Die Diskussion um den Nachnamen der verwitweten Mutter fühlt sich inhaltlich etwas krückenhaft an. Reicht so etwas wirklich noch für einen Eklat? Auch wenn sich der Film alle Mühe gibt, die Bedeutung von Namen aufzublasen. „Der Nachname ist alles. Der Nachname ist das, was von uns bleibt. Wenn wir von einem Menschen sprechen, dann sagen wir seinen Nachnamen. Und es tut sich gleich eine ganze Welt auf“, doziert Uni-Professor Stephan salbungsvoll. 

Da ist es gut, dass diese Debatte das Tor zu einem weitaus größeren familiären Gruselkabinett darstellt. All das, was in der Familie mit Schweigen und Unwahrheiten unter der Decke gehalten wurde, bricht nun brachial durch. Dabei geht es auch um Themen, über die gesamtgesellschaftlich gestritten wird: Männlichkeit, Geld oder die Frage, was Familie heute noch bedeutet. 

Wortmann hetzt sein Star-Ensemble wieder mit Dialogen aufeinander, die immer schärfer werden. Am Ende stecken sie kalt wie Messer im Rücken der vermeintlich lieben Verwandtschaft.

Text: Jonas-Erik Schmidt, dpa / Redaktion DF: mw

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