Länderspiele: Warum bei den TV-Anstoßzeiten niemand die Wahrheit sagen mag

29
2671
DFB Länderspiel
© Tobias Arhelger - stock.adobe.com

Debatte um kinderfreundliche Anstoßzeiten: Fußball-Länderspiele locken Millionen Menschen vor die TV-Geräte und kosten daher Millionen von Euro. Die Gier nach Geld entscheidet heutzutage mehr denn je, wann gespielt wird?

Zumindest Hansi Flick, Rudi Völler und Bernd Neuendorf sind sich einig. Die Spiele der Fußball-Nationalmannschaft am Samstag in Mainz gegen Peru und drei Tage später in Köln gegen Belgien beginnen nicht zur richtigen Zeit. Anpfiff 20.45 Uhr, das haben der Bundestrainer, der Sportdirektor und der DFB-Präsident zuletzt einige Male betont, empfinden sie als zu spät.

Viele Kinder liegen um 20.45 Uhr im Bett, vor allem während der Schulzeit. Flick monierte zuletzt: „Ich habe schon Enkelkinder und werde oft von deren Mitschülern und Mitschülerinnen gefragt: Warum spielt ihr immer so spät?“

Kaum Handhabe für die Sender: Gestaltungsspielraum nur innerhalb der Prime Time

Gute Frage: Warum ist das so? Oder anders gefragt: Warum ändert der Gastgeber der Heimspiele das nicht? Das ZDF zumindest, das am Samstag überträgt, antwortet auf die Frage nach dem Anpfiff: „Ansetzungen und Anstoßzeiten der Nationalmannschaftsspiele liegen in der Hoheit des DFB bzw. der UEFA, die die Rechte an den Spielen sämtlicher europäischen Verbände zentral vermarktet.“ Ähnlich äußerte sich ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Die Anstoßzeiten seien in der Hoheit von DFB sowie des Rechteinhabers UEFA und der Vermarktungsagentur CAA Elven, „die die Länderspiele zentral vermarkten. Dort müssten die Entscheidungen getroffen werden.“

Die Europäische Fußball-Union (UEFA) erstellt in der Tat einen Plan für die zahlreichen Partien auf dem Kontinent, wenn es um die Nations League oder die Qualifikation für die EM oder die WM geht. Nur gibt es wegen der Heim-EM im kommenden Jahr eine Ausnahmesituation: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat derzeit ausschließlich Testspiele, der DFB kann sich Gegner suchen und mit denen dann Spielorte und Daten innerhalb des Rahmenkalenders festlegen. Aber nicht die Anstoßzeiten.

Die Lage ist eher unübersichtlich und durch ein Dreiecksverhältnis geprägt. Die TV-Rechte für die deutschen Länderspiele liegen – anders als früher auch für die Tests – bei der UEFA und wurden von der Agentur CAA Eleven verkauft. Bisher gibt es für den deutschen Markt nur einen bestätigten Kontrakt mit RTL. Der Sender verkündete im Mai vergangenen Jahres einen bis 2028 geltenden Vertrag. Zu den erworbenen Rechten gehört die Hälfte eines Paketes mit Partien der Nations League, der Qualifikationsspiele sowie der Tests.

Anders sieht es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern aus, die nach dpa-Informationen die andere Hälfte des Gesamtpaketes mit mindestens 60 DFB-Länderspielen erworben haben. Noch immer fehlt jedoch eine offizielle Bestätigung von ARD und ZDF zu der Vereinbarung über die Übertragungsrechte mit der UEFA und CAA Eleven.

TV-Verträge für Länderspiele sind unterschrieben – bis auf einen

Gleichwohl hat das ZDF bereits im vergangenen Jahr drei Spiele übertragen und sendet auch am Samstag. Dem Vernehmen nach funktioniert das durch Einzelvereinbarungen mit der UEFA und CAA Eleven.

Wie geht es nun weiter? „Außer den jüngsten Äußerungen von Hansi Flick und Rudi Völler sind uns keine konkreten Überlegungen des DFB bekannt, die Spiele der Nationalmannschaft künftig früher anzusetzen“, heißt es beim ZDF. „Sollte es dazu Überlegungen und Vorschläge des DFB geben, setzen wir uns damit konstruktiv auseinander.“ Auch die ARD ist laut Balkausky „in diesem Zusammenhang natürlich wie stets bereit, sich konstruktiv mit etwaigen Überlegungen und Vorschlägen des DFB auseinanderzusetzen“.

Und RTL? Der Sender will sich – genau wie die UEFA – zu der Thematik nicht äußern. Klar ist aber, dass frühere Anstoßzeiten erfahrungsgemäß zu weniger TV-Zuschauern führen – und geringere Reichweiten führen zu geringeren Werbeeinnahmen.

Die Sender haben nach dpa-Informationen Verträge, die einen Anpfiff in der Prime Time vorsehen. Bei einer Änderung und einem Anstoß vor dieser besten Sendezeit müsste über die zu zahlende Lizenzsumme neu verhandelt werden.

Lippenbekenntnisse vom DFB-Chef

Neuendorf hatte zuletzt gesagt, der DFB befinde sich weiterhin in „schwierigen“ Gesprächen. „Da sind viele Player involviert.“ Er sei aber zuversichtlich, „dass wir es punktuell hinbekommen“. Das Thema habe er sich „ins Pflichtenheft“ geschrieben. Bei den Spielen im Juni wird sich zeigen, ob der DFB-Boss einen Haken in seinem Heft machen kann.

[Michael Rossmann]

Bildquelle:

  • DFB_3: © Tobias Arhelger - stock.adobe.com

29 Kommentare im Forum

  1. Naja, zumindest das Spiel am Samstag gegen Peru kann man Problemlos um 20:45 beginnen lassen. Denke mal die wenigsten Schüler haben Sonntags schule. Von denjenigen die in die Sonntagsschule müssen abgesehen Was aber eine Minderheit sein dürfte.
  2. Einfach den Kindern von heute die Realität erklären. Fußball ist kein Volkssport mehr. Es dient rein nur der Geldvermehrung und Schaffung von überbezahlten Sportlern. Sie werden es verstehen und zukünftige Generationen werden dann auch daran das Interesse verlieren.
  3. Fußball ist ein Volkssport. Den Millionen Spielern dient es weder der Geldvermehrung noch der Schaffung überbezahlter Sportler, sondern zum Zeitvertreib, sozialem Zusammenssein mit Gleichgesinnten und sportlicher Ertüchtigung. Fußball ist nicht (nur) Profisport. Zukünftige Generationen werden zum größten teil nicht das Interesse daran verlieren. Nach meiner Erfahrung sind am Fußball völlig desinterressierte Menschen auch sonst kaum für irgendwas zu gebrauchen.
Alle Kommentare 29 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum