
Er kennt die Münchner Medienlandschaft wie seine Westentasche: Medienmanager Wolfram Winter arbeitete viele Jahre bei Sky, in örtlicher Nähe zu ProSiebenSat.1. Für uns schätzt er die anstehenden und laufenden Change-Prozesse bei Sky, Sport1 und ProSiebenSat.1 ein – und was sie für den Medienstandort München bedeuten könnten.
Nach der geplanten Übernahme von Sky Deutschland durch RTL wurde in dieser Woche bekannt, dass ProSiebenSat.1 möglicherweise unter das Dach von Media For Europe schlüpft, während es bei Sport1 ein Management-Beben gibt. Darüber haben wir mit Wolfram Winter, früherer Manager und Kommunikationschef von Sky, gesprochen. Er kennt insbesondere die bayerische Medienlandschaft seit Jahrzehnten.
Von einer Medientransfusion ist ja schon länger die Rede. Corona, Ukraine-Krieg und die Wirtschaftskrise haben aber dazu geführt, dass zahlreiche Medienhäuser doch ernsthaft unter Druck geraten sind. Jetzt, 2025 und 2026, scheint alles auf einmal zu kommen. Neue Partnerschaften, mögliche Fusionen. Wie sehr ist dafür auch das starke Wachstum der neuen US-Giganten Prime, Netflix und Disney+ verantwortlich?
Wolfram Winter: In der Tat findet in diesen Wochen vieles zeitnah statt, allerdings ohne direkten Zusammenhang. Eine Auffälligkeit gibt es aber bei Sky, Sport1 und ProSiebenSat.1: Da gab es in den vergangenen Jahren viele Unklarheiten in puncto Eigentümer und Gesellschafter. Comcast hatte schon über zwei Jahren quasi via bloomberg mitgeteilt, dass man Sky Deutschland loswerden will. Bei ProSiebenSat.1 gibt es seit Jahren Unruhe mit dem Großaktionär aus Italien – und dann tauchten auch noch in signifikanter Größe tschechischen Anteilseigner auf. Im Aufsichtsrat war viel Bewegung und am Ende wusste womöglich keiner so recht, wohin die gemeinsame Reise führen soll. Bei Sport1 kann man von einem 30-jährigen Versuch sprechen, einen Sportspartensender nachhaltig profitabel zu machen. Das hat nicht geklappt. Jetzt ist ein türkisches Unternehmen am Ruder, das günstig Unterhaltungsformate produziert.
Ob das alles eine Reaktion auf die angesprochenen Giganten ist kann man so deuten, dass der Wettbewerb um Zuschauer, Abonnenten und Werbegelder noch intensiver geworden ist, und dass man ohne Strategie und Investitionen alleine aus dem operativen Tagesgeschäft heraus keine Chance hat zu überleben.
Zum türkischen Investor: Offenbar kann der mit Sport an sich auch gar nicht viel anfangen.
Wolfram Winter: Wie angesprochen, der Nischensender Sport hat es nicht geschafft, nachhaltig eine ordentliche Rendite zu erwirtschaften, aber die technische Reichweite des ehemaligen DSF und heutigen Sport1 ist ein wertvolles Gut, was man ansonsten nicht so einfach aus dem Hut zaubert – man denke an Bild TV, das trotz bekannter Marke und Marketing-Push durch die Marke keine relevante Reichweite aufbauen konnte. Um nochmals den Vergleich der drei Unternehmen zu ziehen: Wenn man so will, waren deren Gesellschafter und Eigentümer in den vergangenen Jahren auf der Suche nach Orientierung – und einige sind zu dem Schluss gekommen zu verkaufen.
Große Fragezeichen schweben ja derzeit über dem Medienstandort München. Welche Zukunft sehen Sie?
Wolfram Winter: Im Grunde war es über viele Jahre so, dass die bayerische Medienpolitik viel Wert auf München als Medienstandort gelegt hat. In den vergangenen Jahren gab es aber einen Fokus auf andere Branchen und Themen. Sehr erfolgreich unterwegs war man bei den Tech-Riesen in deren Ansiedelung signifikanter Standorte in München. Es ist ein Verdienst der bayerischen Politik, dass zuletzt auch Open AI ein Office dort eröffnet hat.
Der Medien-Standort Unterföhring ist allerdings zuletzt kein Wachstumsmotor gewesen. Behördliche Zustimmung vorausgesetzt wird Sky integriert und in Köln Entscheidungen gefällt werden, bei ProSiebenSat.1 wird Mailand nicht nur vermehrtes Reiseziel werden, und Sport1 wird Impulse aus der Türkei empfangen.
Durch eine Fusion von ProSiebenSat.1 und Berlusconis Media for Europe könnten Synergien entstehen, heißt es.
Wolfram Winter: Die entstehen immer, aber ich gebe zu, dass ich in meiner gesamten Laufbahn selten welche erlebt habe, die einen Mehrwert in der operativen Zusammenarbeit erzeugten. Eine Vielzahl an Fusionen und Übernahmen scheitern ja an den operativen Realitäten und Kulturen.
Comcast verkauft jetzt Sky Deutschland, Sky Italia jedoch nicht. Synergien zwischen Sky Deutschland und Sky Italia waren offenbar zu wenig. Gelingt es ProSiebenSat.1 Synergien mit Media For Europe zu finden? Sicher, es wird welche geben, aber entscheidend wird sein, ob die Menschen in den Unternehmen mit ihren unterschiedlichen Kulturen bereit sein werden das als eine Bereicherung zu begreifen, oder als Bedrohung und es dementsprechend blockieren werden.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat sich für München bereits stark gemacht. Er sagte kürzlich, er erwarte, dass München im Fall der Fälle Sitz der neuen europäischen TV-Einheit von Berlusconi werde. Aber interessiert Familie Berlusconi, was der deutsche Kulturstaatsminister erwartet?
Wolfram Winter: Es interessiert sie vielleicht schon, muss aber nicht maßgeblich sein. Der Kulturstaatsminster hat vielleicht auch aufgrund seines bayerischen Wohnortes eine erhöhte Affinität für ProSiebenSat.1. Aber ich war baff, als er sich öffentlich so klar dazu geäußert hat, während aus der Bayerischen Staatskanzlei, die für die Medienpolitik zuständig ist, wenig dazu zu vernehmen war.
Was finden Sie persönlich derzeit eigentlich spannender: Die weitere Entwicklung von Sky Deutschland, das behördliche Zustimmung vorausgesetzt unter das RTL-Dach schlüpft, oder all das, was derzeit bei Sport1 passiert inklusive dem Managerbeben nun.
Winter: Wenn RTL alles richtig macht, dann wird etwas entstehen, das größer ist als die beiden heutigen Einzelteile. Für die amerikanischen Streamer wird es dann einen größeren Wettbewerber geben als den, den man heute schon kennt.
Das glauben Sie, obwohl RTL keine Erfahrung in puncto hochpreisigerem Abo-Geschäft hat?
Winter: RTL bekommt durch die Kollegen von Sky einen sehr wertvollen Wissens- und Erfahrungstransfer. Ich gehe davon aus, dass man diesen nutzen wird und nicht das Gegenteil eintreffen wird.
Zauberwort Innovation
Welche Veränderungen drohen ProSiebenSat.1?
Winter: Na ja, von einer Bedrohung wollte ich jetzt nicht sprechen. Es entsteht doch vielmehr Klarheit, und man darf davon ausgehen, dass die neuen Mehrheitseigentümer mehr Ahnung vom Geschäft haben als viele die zuletzt dort waren.
Ich denke, man wird viel damit zu tun haben, um Strukturen zu verstehen und so zu verändern, dass Mehrwerte entstehen werden. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Wesentliche Fragen sind, ob und wie man eine Skalierung hinbekommt in Punkto Rechteerwerbe sowohl im Fiktionalen wie auch im Sport, Eigenproduktionen, Verwertungsketten und Vermarktung. Das Zauberwort für mich ist allerdings „Innovationen“. Das fehlt im deutschen Markt nun schon seit Jahren, ist jedoch der Schlüssel wie man neue Kunden findet und Bestandskunden behält.
In dieser Woche meldete ProSieben, dass man mit „Die Cooking Academy“ nach X-Jahren endlich wieder einmal eine Daily startet und dafür das Sendeschema in der Access Prime umbaut – ob das nun funktionieren wird oder nicht, aber Programminnovationen sind das Ah und Oh für Contenthäuser. Gerne viel mehr davon.
Als Manager von Sky oder jetzt mit eigener Firma kennen Sie die deutsche Medienlandschaft schon seit Jahrzehnten. Ist es die unruhigste Phase seit der Kirchkrise, die wir gerade erleben?
Winter: Drei maßgebliche Veränderungen bei Unternehmen die alle einst zur KirchGruppe gehörten in gefühlt einem Monat, das bedeutet „Change“ im wahrsten Sinne des Wortes, inklusive Unruhe.
Sind Sie optimistisch, dass in ein bis zwei Jahren mehr Ruhe eingekehrt ist?
Winter: Wenn Ruhe einkehrt, kehrt gerne Stillstand mit ein – und damit das Gegenteil von dem was es braucht, um erfolgreich zu sein. Wenn man es mit Stabilität in der Eigentümer- und Managerstruktur gleichsetzt, dann bin ich optimistisch, insbesondere bei der angestrebten Übernahme von Sky Deutschland durch RTL.
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