Die Geschichte des Fernsehens: Die Geburtsstunde des Satellitenfernsehens (Teil 9)

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© Auerbach Verlag/Thomas Riegler

Die 1980er waren das Zeitalter des Videorekorders und des beginnenden Satellitenzeitalters. Dieses Jahrzehnt hatte uns vor allem eine Vielfalt neuer Programme beschert, von denen wir kurz zuvor noch nicht einmal zu denken wagten. Der Satellit machte das möglich.

Der Videorekorder setzt sich durch. Binnen weniger Jahre erobert er die meisten Haushalte. damit gewinnt der Fernsehkonsum eine neue Qualität. Man muss sich eine Sendung nicht mehr ansehen, wann sie gerade ausgestrahlt wird, sondern man kann sie aufzeichnen und dann gucken, wenn man will. Was für ein Zugewinn an Freizeit! Nicht länger muss man ab 20.15 Uhr vor der Glotze hängen, um etwa den neuesten Tatort zu verfolgen. Dank vollautomatischer Aufzeichnung, Timer genannt, nimmt der Rekorder auch während unserer Abwesenheit auf. Voll praktisch. So versäumt man selbst während des Urlaubs keine einzige Folge von „Dallas“, der erfolgreichsten TV-Serie rund um J.R. Ewing. Je nach vorhandenem Videorekorder speichern auf einer Kassette vier bis zehn Folgen.

Das wirklich Tolle am Videorekorder war aber, dass man stets die Gewissheit hatte, nichts mehr im TV zu versäumen. Während man es sich etwa im Garten beim Grillen gut gehen ließ, zeichnete der Videorekorder auf. Und wenn man auf die Schnelle keine leere Kassette gefunden hatte, wurden einfach die Mitschnitte der letzten Woche gelöscht. Ohne sie angesehen zu haben.

Das CVC-Videosystem von 1980 wurde speziell für den mobilen Einsatz entwickelt. Es arbeitete als erstes mit einer kleinen Kassetten in der Größe einer Audiokassette.
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Kampf der Systeme

Videokassetten im Freundeskreis auszuborgen, war jedoch nicht ohne weiteres möglich. Denn der Kunde hatte, zumindest während der frühen 1980er, die Wahl zwischen vier Systemen. Die meisten entschieden sich für VHS, das im Ruf stand, das qualitativ schlechteste System zu sein. Viele, besonders in Österreich, setzen auf Video 2000, das als einziges eine Wendekassette, so wie vom Audio-Kassettenrekorder bekannt, besaß. Maximale Aufnahmezeit: zweimal vier Stunden. Betamax punktete, zumindest bei den hochpreisigen ­Modellen, mit der besten Bildqualität. Da Beta, so die Kurzform, auf die kleinsten Kassetten setzte, fanden auf ihr maximal drei Stunden und 35 Minuten Platz. Einige wenige hatten zudem ein VCR-, VCR-LP- oder SVR-Gerät, alle drei nutzten dieselben Kassetten. Wen wundert es da, dass die Standardfrage unter den Film- und Serienfreaks lautete: „Welches System hast Du?“

VHS gewinnt

In der zweiten Hälfte der 1980er konnte VHS die Systemschlacht für sich entscheiden. Zumindest weitgehend. Denn VHS war nicht gleich VHS. Rekorder ab der gehobenen Mittelklasse kamen mit zwei Geschwindigkeiten und brachten auf einer Vier-Stunden-Kassette bis zu acht Stunden unter. Allerdings unter Verlust von Bildqualität. Mit Super VHS, kurz S-VHS, wurde ein verbessertes VHS-System etabliert, dessen Bildqualität kaum von der Live-Ausstrahlung zu unterscheiden war. Grundsätzlich toll. Kompatibel waren die VHS-Systeme zueinander aber nicht. Mit dem Aufkommen kompakter Videokameras wurden weitere Systeme mit kompakten Kassetten, etwa in der Größe der bekannten Audiokassette, eingeführt. Den Beginn machte CVC, das noch mit einem kleinen externen Rekorder arbeitete und kaum Beachtung fand. 1983 folgte VHS-C und 1985 Video 8, das sich allmählich durchsetzte.

Zweiter Anlauf für die Bildplatte

1982 schlägt die Geburt der LaserVision aus dem Hause Philips. Sie arbeitete mit 30 Zentimeter großen, silbern oder golden glänzenden Platten. Die auf ihnen gespeicherten analogen Bild- und Toninformationen wurden mit einem Laser abgetastet. 1986 kommt mit der LaserDisc das Nachfolgesystem auf den Markt. Es unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch den auf den Platten gespeicherten Digitalton. LD-Player können somit auch ältere LV-Discs abspielen. Jede Plattenseite fasste 60 Minuten Video. Womit sich ein ganzer Film auf einer Platte fand.

Nach und nach wurden für Videokameras mehrere neue, kompakte Systeme entwickelt. Von links: CVC (1980), VHS-C (1983), Video 8 (1985) und Mini DV (1994).
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Die LaserDisc machte vor allem wegen seiner exzellenten Bildqualität von sich reden. Wer in den 1980ern auf High-End und Heimkino Wert legte, kam um einen LD-Player nicht herum. Nicht einmal Live-Fernsehen konnte mit der LD mithalten und sorgte für einen Wow-Effekt. Aus heutiger Sicht ist das Bild einer LaserDisc bestenfalls Mittelmaß. In SD-Qualität, versteht sich. Obwohl die LaserDisc bis über die Jahrtausendwende verfügbar war, blieb sie eine Randerscheinung. Wohl auch deshalb, weil es die Platten nur in größeren Städten gab. Zudem waren sie mit durchschnittlich 100 Euro pro Film ausgesprochen teurer. Dafür bekam man an die fünf VHS-Kaufkassetten.

Satellitenfernsehen

Noch während der frühen 1980er wurde es als spannend betrachtet, live via Satellit an herausragenden Ereignissen, wie etwa Formel–1-Rennen aus Übersee, beiwohnen zu können. Noch damals waren solche Übertragungen gut als solche zu erkennen, weil sie häufig waagrechte, dünne schwarze Linien im Bild zeigten oder die Wiedergabe auch schon mal ruckelte. Sie zeigten uns, dass das, was gerade über den Bildschirm flimmerte, etwas Außergewöhnliches war. Live bei einem großen Sportereignis aus Übersee mit dabei zu sein, das war schon was. Dass wir aber alle schon wenige Jahre später selbst unsere Programme über Satellit empfangen würden, war um 1980 noch absolut unvorstellbar.

Sat-Empfang für Jedermann?

Bereits 1978 wurde mit OTS–2 ein experimenteller Satellit gestartet. Mit ihm wollte man erforschen, ob sich das Ku-Band für TV-Übertragungen eignet. Zugegeben, damals hat kaum jemand dieses Ereignis wahrgenommen. Stattdessen berichtete die Presse ab 1980 immer wieder von Leuten, die sich selbst eine Satellitenantenne für den Empfang des ersten russischen Fernsehens, das damals schon im C-Band über Europa ausgestrahlt wurde, gebaut hatten: große Ungetüme mit drei Meter Durchmesser. Damals eine Sensation! Russisches Fernsehen in Westeuropa! Undenkbar und gleichzeitig faszinierend.

Analoger Sat-Receiver Tratec A-1000 aus der Vor-Astra-Ära. Das Gerät stammt aus der Zeit um 1987 und bot 29 Speicherplätze.
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1982 schlug eine der Sternstunden des Satellitenfernsehens. Am 26. April ging der erste paneuropäische Satellitensender über OTS–2 on Air. Sein Name: Sky Channel. Es dauerte nicht lange bis der Sender in unsere Kabelnetze eingespeist wurde und seine Sendefolge in den Tageszeitungen abgedruckt wurde.

Kabel-TV und Privatfernsehen

Am 1. Januar 1984 wurde deutsche TV-Geschichte geschrieben. Mit ihr ging der erste deutsche Privatsender on Air. Sein Name: PKS (Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk). Schon bald wurde der Kanal in Sat.1 umbenannt. Er konnte anfangs zwar nur von 1.200 Kabelhaushalten des Kabel-Pilotprojekts in Ludwigshafen empfangen werden, versuchte aber von Beginn an, die ganze Familie mit einem attraktiven Programm zu begeistern. Mit dem 1. April 1984 wurde Sat.1 auf den Satelliten ECS1 auf 13 Grad Ost aufgeschaltet und fand so seinen Weg in Kabelhaushalte im ganzen deutschen Sprachraum.

Nur einen Tag später meldete sich auch aus Luxemburg ein neuer TV-Sender. RTLplus wurde auf Kanal 7 über den TV-Sender Dudelange ausgestrahlt und konnte im deutschen Grenzgebiet von 200.000 Zuschauern gesehen werden. 1985 fand auch RTL plus seinen Weg auf ECS1.

Während deutsches Fernsehen zu jenen Tagen nüchtern, sachlich und korrekt war, punktete RTLplus mit den Schlagworten frisch, frech und fröhlich. Die Kleine aus Luxemburg überraschte mit ihrem unkonventionellen Programm. Vielleicht auch aus der Not heraus. Denn dem Sender stand nur wenig Geld zur Verfügung. So war Improvisationstalent gefragt und man zeigte den Leuten das, was sie sonst nirgendwo zu sehen bekamen. Darunter auch viele, eher freizügige B-Movies. Vielleicht, weil es so verrückt war, kam RTLplus von Beginn an bei den Leuten gut an. 1988 folgten Tele 5 und 1989 ProSieben. Sie wurden primär ebenfalls im Kabel verbreitet, waren aber auch über einen Intelsat-Satelliten auf 60 Grad Ost zu sehen.

Das Innenleben des Tratec A-1000 zeigt uns, dass in den ersten Sat-Receivern noch durchweg altmodische Bauteile zum Einsatz kamen.
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Deutsche Programme und mehr

1983 ging auf 13 Grad Ost Eutelsat I F1 in Betrieb. Über ihn konnten zehn TV-Programme übertragen werden. Über ihn starteten 1984 Sat.1, 3sat und TV5 Frankreich. RTL folgte 1985 und der schweizer Pay-TV-Sender Teleclub, der allabendlich aktuelle Spielfilme zeigte, 1986. Damals selbstverständlich noch ohne Codierung! Zu den weiteren Sendern auf dieser Position zählten TVE aus Frankreich und der paneuropäische Super Channel. 1985 ging zudem mit Europa-TV ein Gemeinschaftsprojekt der ARD, der irischen RTE, der italienischen RAI, Portugals RTP und NOS aus den Niederlanden on Air. Für aktuelle Videoclips sorgte Music Box.

Mit dieser breiten Vielfalt stand Mitte der 1980er eine Sat-Schüssel ganz oben auf der Wunschliste vieler TV-Fans. Das Begehren wurde angeheizt, indem erste Fachhändler eigene Empfangsanlagen installierten oder sie für begrenzte Zeit vor ihren Geschäften aufbauten. Sie waren Ungetüme von meist drei Meter Durchmesser. Ich kann mich noch an mehrere Fachhändler erinnern, die damals übereinstimmend davon ausgingen, dass auch künftig kaum etwas unter dieser Größe zu machen sei.

Diese Anlagen waren gerne mal ein beliebtes Opfer der ortsüblichen Kabelbetreiber. Die Ausrichtung der Antenne bei Nacht und Nebel geringfügig zu verändern genügte, dass am folgenden Tag keine Satellitenprogramme vorgeführt werden konnten. Im Vergleich zum terrestrischen Auslandsempfang war eine fest ausgerichtete Schüssel ein regelrechtes Schnäppchen.

Sat-Receiver aus dem Hause Grundig aus der Zeit von 1987 bis 1989 waren bei vielen der ersten Sat-Haushalte zu finden.
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Zu jenen Tagen hatte ich ein Angebot eines Antennenbauers in der Hand, der für eine terrestrische Anlage im östlichen Oberösterreich für ARD, ZDF und Bayern 3, sechs große Yagi-Antennen vorsah und dafür rund 2.500 Euro veranschlagte. Ohne Empfangsgarantie. Eine Drei-Meter-Schüssel für 13 Grad Ost sollte gleich viel kosten. Allerdings nur für eine Empfangsebene.

Sat-Empfangsanlagen waren zudem anmeldepflichtig. Eine Betriebsgenehmigung erhielt man nur bei Vorlage von Empfangsbewilligungen mehrerer Sender, um die bei ihnen anzusuchen war. Die meisten damals schon per Sat empfangenen Programme waren, zumindest in Österreich, verboten. Es wurde sogar von Besuchen der damals dafür zuständigen Post berichtet, dass diese überprüfte, ob am Receiver auch wirklich nur die genehmigten Kanäle für den Empfang eingespeichert waren.

Sat-TV leicht gemacht?

Zu der Zeit begann man sich auch ernsthafte Gedanken zu machen, wie man Sat-Empfang mit kleinen Schüsseln jedermann zugänglich machen könnte. Dazu wurden leistungsstarke Satelliten mit Transponder-Sendeleistungen um 230 Watt erdacht. Was aus damaliger Sicht für Schüsseldurchmesser von rund 60 Zentimetern genügen sollte. Die Übertragungen sollten im Bereich zwischen 11,7 und 12,5 GHz stattfinden, wo man für den Direktempfang 40 Kanäle vorgesehen hatte. Es wurden Orbitpositionen festgelegt, auf denen mehrere solcher Direktempfangssatelliten kopositioniert werden sollten. 19 Grad West war unter anderem für Deutschland, Frankreich und Österreich vorgesehen, 31 Grad West unter anderem für die Briten. Für jedes Land waren fünf Programme vorgesehen, die über diese Positionen in der extra dafür geschaffenen Übertragungsnorm D2-Mac ausgestrahlt werden sollten.

Im nächsten Teil unserer Reihe „Die Geschichte des Fernsehens“ schauen wir uns an, wie die Satellitenflotte im All und damit die Programmvielfalt beständig wuchs.

Ältere Folgen:
Die Geschichte des Fernsehens: Wie alles begann (Teil 1)
Die Geschichte des Fernsehens: Olympia 1936 und der Krieg (Teil 2)
Die Geschichte des Fernsehens: Eine Spielerei setzt sich durch (Teil 3)
Die Geschichte des Fernsehens: Ende der 60er gelingt der große Durchbruch (Teil 4)
Die Geschichte des Fernsehens: Der Weg ins Wohnzimmer (Teil 5)
Die Geschichte des Fernsehens: Das Farbfernsehen kommt (Teil 6)
Die Geschichte des Fernsehens: Von Kabelfernsehen und einem TV-Krieg (Teil 7)
Die Geschichte des Fernsehens: Das Videozeitalter bricht an (Teil 8)

Bildquelle:

  • Geschichte-des-Fernsehens—Teil-5-1: © Auerbach Verlag/Thomas Riegler

2 Kommentare im Forum

  1. Danke für diese tolle Übersicht - mit "D2-Mac" war allerdings kein Apple-Produkt gemeint! Richtig geschrieben hieß die Übertragungsnorm "D2-MAC" (von "Muliplexed Analog Components"), Damit konnte man auch 1992 die erste europäische HDTV-Norm "HD-MAC" abwärtskompatibel im 625-Zeilen-TV empfangen...
  2. TVE ist natürlich aus Spanien und nicht aus Frankreich. Teleclub war deshalb zunächst auf Astra unverschlüsselt, da hier über Monate nur ein Trailer lief.
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