
Erwachsene und Jugendliche geraten in einer Schule ins Visier eines Amokläufers. Der Täter ist selbst ein Teenager. Eiskalt löscht er im neuen „Polizeiruf 110“ aus Magdeburg fünf Leben aus. Warum?
„Du kannst es tausendmal üben, aber die Realität ist viel krasser. Mir ist schlecht.“ Jeremy (Mikke Rasch) spricht diese zwei Sätze in eine Kamera, die ihm um den Hals hängt. Sie hat aufgezeichnet, wie der 17-Jährige an seiner Schule kurz zuvor zwei Menschen erschossen hat. Kaltblütig. Skrupellos. Jeremy wirkt getrieben. Er läuft wie eine Marionette durch die dunklen Flure. Der Teenager will weiter morden. Er ist noch nicht fertig. Doch was treibt ihn an? Oder besser: Wer?
Die verschanzte Schulsekretärin (Karla Trippel) wählt den Notruf. „Hier wird geschossen. Der läuft Amok.“ Mehr kann sie nicht tun. Der Täter hat die Warnanlage der Schule zerstört. In den Klassenzimmern herrscht Ahnungslosigkeit. Es fallen weiter Schüsse.
Das Erste zeigt die neue Magdeburger „Polizeiruf 110“-Folge „Sie sind unter uns“ am Sonntag (21. September) um 20.15 Uhr. Regisseurin war Esther Bialas („Charité“), das Drehbuch stammt von Jan Braren (Homevideo», „Aus der Haut“). „Unser Film erzählt stark über die Tonebene: die Stille, das Summen von Lampen, entfernte Kinderstimmen, Türen, die sich in der Ferne öffnen und schließen“, sagte Bialas. „Mir war von Anfang an klar, dass ich die Tat nicht ausstellen, sondern nüchtern aus der Perspektive von Jeremy darstellen möchte, ohne Sensationslust und ohne Überhöhung.“
Tat eines „Psychos“?
Und während Jeremy weiter schwer bewaffnet durch die Schule geht, formieren sich die Einsatzkräfte. Auf Dächern positionierte Scharfschützen sollen bei Bedarf Jeremy stoppen, dessen Go-Pro-Kamera den Amoklauf live auf eine Gaming-Plattform überträgt. „Fuck. Die Bullen sind schon da. Ich muss mich beeilen“, kommentiert der Täter für die, die zusehen.
Kriminalhauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) betritt das Gebäude, während mehr als 900 Schülerinnen und Schüler in Sicherheit gebracht werden. Es kommt zu einem folgenlosen Schusswechsel zwischen ihr und dem Amokschützen, bald darauf befinden sich Schülerinnen und Schüler in Jeremys Gewalt. Der zunehmend überforderte 17-Jährige verschanzt sich in einem Klassenraum – gemeinsam mit einem Dutzend Geiseln.
Wilde Verschwörungstheorien als Amok-Auslöser
Brasch taucht in Jeremys Leben ein. Sie muss herausfinden, was den sonst so ruhigen Schüler antreibt, der sich um seine schwer kranke Mutter kümmern muss und nach Aussage von Mitschülern „voll krass drauf“ und womöglich „einfach durchgedreht“ ist. Von wegen „Verschwörungs-Bullshit“ und so. Jeremys Mutter (Maja Beckmann) verhält sich unkooperativ. „Mein Sohn macht sowas nicht. Er ist weder aggressiv noch bösartig“, sagt die Alleinerziehende.
Auf dem Computer ihres Sohnes finden die Ermittler rund um Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler) ein verstörendes Abschiedsvideo. Parallel halten Spezialisten über das Smartphone Kontakt zu Jeremy. Doch auch ein Unbekannter ist mit ihm permanent in Verbindung, stachelt ihn an, weiter zu töten. Jeremy scheint die Kontrolle zu verlieren. Doch er hat längst einen Plan.
Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?
Die 21. Folge „Sie sind unter uns“ des „Polizeiruf 110“-Krimis aus Magdeburg hat sehr starke letzte 15 Minuten. Ein ebenso unerwartetes wie konsequentes Finale. Eine Handvoll Menschen sind gestorben – Lehrer und Schüler. Die allein ermittelnde Brasch hat keinen Mörder zu überführen, aber sie hat viele Fragen. Sie bohrt im Freundeskreis und kommt auf Ruben (Lasse Stadelmann), ein Mitschüler des Amokläufers. Ist der smarte Sohn aus gutem Hause die Schlüsselfigur? Am Ende nimmt die Kriminalhauptkommissarin das Wort „Vendetta“ in den Mund. Es ist das italienische Wort für einen Rachefeldzug.
Informationsflut im Netz befeuert Manipulation
„Sie sind unter uns“ zeigt die erschütternden Folgen von Manipulation. Etwas, das laut Claudia Michelsen in Zeiten von Social Media, Live-Gaming & Co. „eine andere Dimension erreicht“ hat. „Wir erleben das ja auf unterschiedlichste Weise gerade auf vielen Gebieten. Die Gefahr ist groß, vor allem durch den ungebremsten Informationsfluss auf so vielen Ebenen. Jeder sucht sich, was er glauben möchte“, sagte die Hauptdarstellerin der Deutschen Presse-Agentur. „Das Wahrnehmen des Außen, des Gegenübers, wenn nicht sogar von einem selbst, ist doch völlig verrutscht und verloren gegangen.“
Text: Sabrina Gorges, dpa / Redaktion DF: mw
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