„Deckname Kidon“: Agentenkrieg beim Wiener „Tatort“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Was auf den ersten Blick wie Selbstmord aussieht, wird für das Wiener „Tatort“-Team schnell zu einem gefährlichen Spiel: Ihr neuer Fall rund um einen toten Diplomaten führt Eisner und Fellner direkt zwischen die Fronten eines Agentenkriegs, hinter dem das iranische Atomprogramm steht.

Dass aufrechte Polizisten sich mit mächtigen Gegnern anlegen, ist beim „Tatort“ schon ein Klassiker. Menschenhändler, Pharmakonzerne, Agrarbosse und Politiker – sie alle bekamen in Deutschlands beliebtester Krimireihe schon ihr Fett weg. Neuerdings spielen auch Verwicklungen mit dem Nahen Osten eine Rolle.
 
Der Münchener „Tatort“ vom September war von Eskapaden um den Sohn des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi inspiriert. In der Wiener „Tatort“-Episode „Deckname Kidon“ am Sonntag um 20.15 Uhr gerät das Ermittlerduo Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) sogar zwischen die Fronten eines Agentenkrieges. Hintergrund ist der Konflikt um das iranische Atomprogramm. Schon der Vorspann stimmt mit arabischer Schrift und Musik aufs Thema ein.
 
Worum geht’s? Der hochrangige iranische Diplomat und Atomphysiker Dr. Ali Reza Bansari fällt aus dem Fenster seines Wiener Hotelzimmers. Den Sturz aus 15 Metern Höhe auf ein geparktes Taxi überlebt der Mann im feinen Zwirn nicht. „Das ist doch Selbstmord, was machen wir denn da überhaupt?“, motzt Eisner über den Einsatz am Sonntagmorgen. Doch ganz so einfach ist das nicht. Schluckt jemand Kopfschmerz-Tabletten zum Frühstück, hängt sein Handy an die Ladestation, bestellt noch teure Opernkarten und bringt sich dann um? Eisner und Fellner kommen Zweifel. Diese wachsen noch, als ein iranischer Botschaftssekretär in das Hotelzimmer platzt, einfach wichtige Beweisstücke einsammelt und sich höflich verabschiedet – mit Verweis auf seine Immunität.

Der barsche Polizei-Major Eisner ist stinksauer. Doch sein aalglatter Vorgesetzter Ernst Rauter (Hubert Kramar) wäscht ihm den Kopf. Der Tote sei führender Kopf des iranischen Atomprogramms gewesen und habe an der nuklearen Aufrüstung seines Landes gearbeitet. Rund um die Welt soll Bansari am Handelsembargo vorbei Material besorgt haben. Schon ein halbes Dutzend solcher iranischer Experten seien mehr oder weniger mysteriös ums Leben gekommen, sagt der Chef. „Einige wurden gezielt eliminiert oder sind ‚verunfallt‘.“ Möglicherweise stecke dahinter eine Spezialeinheit des israelischen Geheimdienstes. Fellner heftet sich derweil an die Spur einer hübschen Exil-Iranerin.
 
Ein auffälliger Tirolerhut rückt den undurchsichtigen Lobbyisten Graf Trachtenfels-Lissé ins Visier der beiden Ermittler. Dessen Credo lautet: „Ich bin bekannt für meine Diskretion.“ Der bieder-dämonische Geschäftsmann (großartig: Udo Samel) hat aber einflussreiche Freunde: „Herr Eisner, Sie können nicht gewinnen. Wir haben das Geld, wir haben die Beziehungen und wir scheißen uns nichts. Und Sie? Sie haben kein Geld, keine Beziehungen und müssen sich an die Regeln halten.“
 
Doch nicht nur die Intrigen, gegen die er ankämpfen muss, machen Eisner zu schaffen. Seine Tochter Claudia (Tanja Raunig) sitzt seit einem Unfall („Tatort: Abgründe“ vom März 2014) im Rollstuhl und verletzt sich in ihrer Verzweiflung selbst.
 
Die ORF-Produktion ist ein klassischer Sonntagskrimi ohne Ulk (wie bei Thiel und Boerne in Münster), ohne Satire (wie bei Lessing und Dorn in Weimar), ohne metaphysische Auftritte (wie beim hessischen LKA-Ermittler Murot). Wohltuend geradlinig, ohne hektische Schnitte, leider nur mäßig spannend. Dennoch: Die schauspielerischen Leistungen des hochkarätigen Ensembles machen das wieder wett. Sehenswert.

[Christof Bock/fm]

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12 Kommentare im Forum

  1. AW: "Deckname Kidon": Agentenkrieg beim Wiener "Tatort" Ja ja die komischen Östreicher Tatorte meist unter durchschnitt oft ehr bescheiden, wenn ich schon die Beschreibung lese ein "Agentenkrimi" mal sehen wie der heute wird. frankkl
  2. AW: "Deckname Kidon": Agentenkrieg beim Wiener "Tatort" Die Polizei schaut beim Mord an Leopold Trachtenfels-Lissé zu, die Mörder schauen Moritz Eisner und Bibi Fellner direkt unmaskiert ins Gesicht und die unternehmen überhaupt nichts ist die Östreichische Polizei so verbrecherisch. frankkl
  3. AW: "Deckname Kidon": Agentenkrieg beim Wiener "Tatort" Genau das hatte doch Leopold Trachtenfels-Lissé verdient. Bin mit diesem österreichischem Happy-End sehr einverstanden.
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