Emotionales 3D-Kino

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Emotionales 3D-Kino, Seite 2

Alles neu

Neue Darstellungsmöglichkeiten

3D sei ein ganz eigenes Medium, dass den Regisseuren ein mächtiges Werkzeug zur Emotions-Vermittlung und -Lenkung in die Hand gibt, unabhängig davon, ob es sich um einen Actionfilm oder ein dialoglastiges Drama handelt. „Die Intensität ist unterschiedlich. Die Art wie man das Volumen des Gesichtes wahrnimmt ist in 3D wesentlich intensiver. Ebenso spielt die Position des Gesichtes eine Rolle. Befindet es sich im Raum des Betrachters oder hinter dem Screen? All das hat mit dem „Staging“ zu tun, also mit der Positionierung im Raum.“ sinniert Ang Lee, der seine Erfahrungen mit dem Direktvergleich 3D-/2D-Screen am Set des Filmdrehs von „Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ vermittelt.
 
Während ihm das Schauspiel seines jungen Hauptdarstellers Suraj Sharma auf dem 2D-Regie-Screen völlig glaubwürdig erschien, empfand es Lee auf seinem 3D-Screen fast als Over-Acting, da hier die Intensität viel größer war. Er und Wim Wenders sind sich daher einig, dass das neue Medium also auch neue, zurückhaltendere Ausdrucksformen seitens der Schauspieler benötigt.

Neue Rezeptionsformen

Das Ausschlag gebende Stichwort für das 3D-Medium sei laut Wim Wenders „Präsenz“: „Momentan arbeiten wir an einer fiktionalen Geschichte, die für 3D geschrieben wird. Hier will ich erstmals 3D im narrativen Prozess berücksichtigen. Ich denke, es wird eine tolle Art sein, eine Geschichte zu erfahren, weil es Sie in die Präsenz von etwas rückt.“ Als Beispiel verwendet Wenders Ang Lees neuen Film: „Der Zuschauer sitzt hier im gleichen Boot wie Pi und der Tiger.“ Dadurch sehe der Zuschauer nicht nur einfach eine Abbildung von etwas, sondern glaubt, ihm sitze ein echter Tiger gegenüber. Die Bedrohung wäre dem Zuschauer dadurch gegenwärtiger und bewusster.
 
„Die letzten hundert Jahre haben wir Filme auf dem flachen Schirm gesehen. Wir kreierten Illusionen für den flachen Schirm. Dieser Bildschirm ist kulturell stark verankert. Und es waren über 100 Jahre, in denen man eine enge Beziehung zu dieser illusorischen Kunstform eingegangen ist. In 3D erscheint alles mehr wie im echten Leben. Es wirkt realistischer. Und die Tiefe ist noch illusorischer. Plötzlich kann ich dem nicht mehr trauen, was ich sehe.“ überlegt Ang Lee.
 
Am Ende des anderthalb-stündigen Gesprächs waren sich alle einig: Das Gebiet der Stereoskopie ist nach wie vor noch recht unerforscht, sodass es hier kaum Normen gibt, die Filmakademien an zukünftige Regisseure, Kameramänner, Beleuchter, Toningenieure und Schauspieler weitergeben können. Es ist also auch jetzt noch ein weites Experimentier-Feld, das erst im Laufe der Zeit von wegweisenden Filmemachern erforscht werden wird. Wim Wenders arbeitet derzeit an seinem Drama „Every Thing Will Be Fine“, das in 3D gefilmt wird und 2014 in die Kinos kommen soll. Ang Lees „Life Of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ ist bereits auf Blu-ray und Blu-ray 3D erhältlich.
(Falko Theuner)

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