James Franco über „127 Hours“

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James Franco über „127 Hours“, Teil 2

Echte Situationen, echte Emotionen

„Nach einer Weile wurde es ermüdend, wissen Sie?! Wir drehten insgesamt vier, fünf Wochen, jeweils sechs Tage am Stück. (…) Und es war wie in einem Flugzeug ohne Ausgang. Es war, als würden wir täglich dasselbe machen, täglich die intensivsten Szenen drehen. (…)“ fährt James Franco fort. „Dennoch hat mich Danny Boyle mit seinem Enthusiasmus und seiner inspirierenden Energie da hindurch manövriert.“ Das Schauspielern in der klaustrophobischen Enge war für Franco kein Zuckerschlecken, weshalb er für seine Rolle auf sehr spezielle Weise vorbereitet wurde: „Wir trafen Aron (Ralston, Anm. d. Red.) ein paar Tage vor dem Dreh. Er zeigte uns die Videos, die er im Canyon von sich aufgenommen hatte, und führte uns durch jede Phase seines damaligen Weges – nicht emotional, er zeigte uns einfach alles, was er damals tat.“ Während des Drehs lud Boyle den echten Aron Ralston lediglich als Zuschauer ans Set, nicht aber als Berater, da ihm für sein Drama weniger an der Person als vielmehr an deren Erfahrung gelegen war.

„Das wichtigste für die Performance war es, den Vorfall so authentisch wie möglich erlebbar zu machen. Der beste Weg für mich, ebendies zu erreichen, war es alles selber zu erleben. Soll heißen: Ich wollte nicht sklavisch versuchen, Arons Mimik und Gestik nachzuempfinden. Stattdessen sollte ich alle Phasen wirklich durchmachen. Freilich würde ich nicht meinen Arm abschneiden, aber sonst tat ich alles, was auch er tat.“ Um echte Emotionen zu erzeugen ließ Danny Boyle seinen Hauptdarsteller extrem lange Takes spielen. Dank der bereits in „Slumdog Millonär“ etablierten, ultraleichten Digital-Kamera-Technik mit dem in den Gürtel ausgelagerten Speicher, konnte er James Franco bis zu 20 Minuten am Stück verzweifelt ums Überleben kämpfen lassen. „Zum Beispiel gibt es eine Szene, in der der Charakter ein Seil über den Felsbrocken wirft, um ihn per Flaschenzug nach oben zu ziehen. Danny ließ die Kamera einfach laufen und sagte, dass ich es wirklich versuchen sollte. (…) Es kostete mich ungefähr zehn Minuten, in denen ich mich abrackern musste, ich habe es wirklich probiert. Und wenn man so lange erfolglos schuftet, frustriert einen das doch sehr. Es ist eine echte Reaktion. Und er ruft nicht „Cut!“, weshalb ich es weiterhin versuchen muss. Das ist so als ob ich es wirklich nicht schaffe. Ich kann diesen Felsen nicht bewegen und werde deshalb sterben.“

Abschied nehmen

Ebenso tragen die fantasiereichen Exkurse in die Gedankenwelt Ralstons eine ungeheure Dynamik in sich, die sich kaum in Worte fassen lässt. Egal ob die fingierte Frühstücks-Talk-Show, der schönste väterliche Sonnenaufgang aus Arons Jugend oder einfach nur der Gatorade-Werbespot, der seinen immensen Durst widerspiegelt – es vergeht kaum eine Minute ohne innovative Film-Idee. Ein wichtiges Element sind aber vor allem Ralstons Video-Botschaften, die er während der fünf Tage seiner Gefangenschaft von sich aufzeichnet.
James Franco erinnert sich an seine erste Erfahrung mit den Original-Bändern des echten Unfall-Opfers: „Ich fragte Danny vor unserem Treffen mit Aron, warum er diese Videos überhaupt herumzeigt? Sind sie verstörend oder explizit? Hat er darin einen Nervenzusammenbruch und will er, dass so viele Leute wie möglich seinen emotionalen Zustand sehen? Danny sagte aber nur: ‚Nein, überraschenderweise ist er extrem gefasst.‘ (…) Am letzten Tag, dachte er gewiss, er würde sterben.

Als ich sie mir dann selber anschaute, bestätigten sich Dannys Ausführungen. Aron war sehr ruhig und es schien so, als hätte er all dies gemacht, weil dies das letzte hätte sein können, was seine Familie von ihm sah. Er wollte die Aufnahmen so machen, dass sie auch von seiner Mutter gesehen werden konnten. Hätte er geweint, wäre das zu viel für sie gewesen, weshalb er sich also zusammen riss.“ Franco erkannte in den Aufnahmen großes Potenzial für seine eigene Performance: „Würde ich als Schauspieler die Simplizität seiner Botschaften einfangen, also einfach zu den Angehörigen sprechen, wäre das authentischer als eine große, traurige Abschieds-Rede.“  

Die Tatsache, dass der Zuschauer den Ausgang des Dramas bereits kennt, beunruhigt den 33jährigen Hauptdarsteller keineswegs. Für ihn potenziert dieses Wissen nur die Wirkung des Gezeigten: „In unserem Film wird ein Arm abgetrennt, aber viele Leute zeigen sich davon schockierter als beispielsweise von „Jack Ass 3D“ oder „Saw 3D“. Ich denke, das liegt ganz einfach daran, weil es in dieser intensiven Art gemacht wird und die Leute wissen, dass es tatsächlich so geschehen ist. (…) Die Zuschauer fühlen sich, als wären sie mit der Hauptfigur zusammen von diesem Felsbrocken gefangen. Und sie wissen, dass er am Ende seinen Arm abschneiden wird. (…)  Es gibt da einige leichtere Szenen, wie z. B. wenn sich mein Filmcharakter selbst interviewt. Das ist einerseits sehr witzig, hat zugleich aber auch einen bitteren Nachgeschmack wegen der Vorwegnahme. Folglich ruiniert das Wissen keineswegs die Intensität des Endes.“

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