Merida

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Merida

Im Gespräch mit Regisseur Mark Andrews

„Die Irrlichter leiten entweder zum Schickasl oder ins Verderben“

 
Herr Andrews, warum findet Meridas Geschichte eigentlich in Schottland statt?
 
Eine gute Frage. Ich denke hauptsächlich schreibt man immer über das, was man kennt. Meine Co-Regisseurin Brenda Chapman und ich lieben Schottland, die Geschichte des Landes und insbesondere das Mittelalter. Sie war schon ziemlich oft dort, weshalb es sehr viel Sinn machte, die Handlung dorthin zu verlegen. Als Brenda den Film vorbereitete, verband sie also einiges mit der Geschichte. Außerdem hat alles eine wirklich große, epische Dimension. Die Geschichte ist zeitlos und beinhaltet viel Magie und Mystery. Und Schottland – wenn Sie jemals dort waren, verstehen Sie, warum diese Mythen und Legenden dort entstehen, dort zwischen all den mystischen Bergen und dunklen Wäldern.
 
 
Mutter-Tochter-Geschichten sind selten. Wieviel eigene Lebenserfahrung haben Sie und Brenda Chapman in den Film mit eingebracht?
 
Die ganze Geschichte basiert auf Brendas Erfahrungen mit ihrer sechsjährigen Tochter zu der Zeit – ein wirklich lebendiger, energischer Wildfang. Sie gerieten oft aneinander. Und Brenda dachte nur: Du meine Güte, wie wird das erst werden, wenn sie ein Teenager ist. Für sie war der Gedanke der blanke Horror. Und so entstand die Story. Ich bin selber Vater einer Tochter und dreier Söhne, ähnlich wie König Fergus. Daher kann ich beobachten, wie meine Tochter erwachsen wird. Manche Worte Meridas stammen direkt aus dem Mund meiner Tochter, die sich über ihre Brüder aufregt. Oder über ihre Mutter (lacht). Hier schrieben wir also ebenfalls über etwas, das wir genau kennen. Wir schrieben Zeilen aus unserem eigenen Erfahrungsbereich, die universell sind. Über die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, die jeder kennt.
 
 
Steve Purcell ist bekannt für „Sam und Max“, warum gerade er als Drittautor und was hat er am Drehbuch bewirkt?
 
Steve war von Anfang an dabei und schrieb das Skript zusammen mit Brenda bzw. übernahm ihre Co-Regie. Als ich hinzu kam und das Skript überarbeitete, liebte ich das, was Steve mit einbrachte. Er hat einfach ein gutes Gespür dafür, die Stimmen der Figuren echt klingen zu lassen. Und das bezieht sich nicht nur auf das Schottische, sondern insbesondere auf das mittelalterlich schottische Gefühl. Wir konnten ja nicht einfach zurück gehen und uns anhören, wie die Leute damals sprachen. Aber Steve hat den Ton perfekt getroffen – die Art wie etwas gesagt wird, die Syntax – es klang einfach richtig. Und er ist zum Schreien komisch. Er ist ein richtiger Komiker. Manche Sachen von ihm, die die Lords bzw. Ihre Söhne einfach so von sich geben sind absolut genial. Wir waren ein gutes Team.
 
 
Wie haben sie die Sprecher gecastet? Der schottische Akzent ist sehr charakteristisch.
 
Wir wollten von Anfang an echte Schauspieler als Sprecher. Und es ergab sich einfach, dass alle schottischer Abstammung waren. Es war großartig. Und sie alle haben unterschiedliche Akzente. In Schottland gibt es nicht nur einen Akzent, sondern verschiedene, je nach Region. Daher hatten wir auch eine große Artenvielfalt davon im Team. Und Vielfalt ist das beste Stichwort, um Schottland zu beschreiben. Das unterschiedliche Wetter, die unterschiedlichen Landschaften … Daher ließen wir den Darstellern diesbezüglich auch freie Hand. Kelly (Macdonald) kommt aus Glasgow, ebenso wie Billy (Connolly). Emma Thompson kommt aus Südschottland. Craig Ferguson kommt aus einer anderen Gegend der Highlands. Robbie Coltrane hat diese Mount-Rushmore-Stimme. Daher probierten und spielten sie alle herum und würdigten auf diesem Wege ihre Figuren, die dadurch individueller wirkten. Ein großartiges Patchwork aus schottischen Elementen.
 
 
Wie war die Aufgabenteilung zwischen Ihnen und Frau Chapman?
 
Brenda entwarf über mehrere Jahre die Figuren, die Geschichte und die Designs. Als ich das übernahm, baute ich an dem weiter, was sie bereits geschaffen hatte. Daher war es eher wie die Übernahme des Staffelstabes als ein gleichzeitiges Schulter-an-Schulter. Sie hatte also diese grandiose Vision und ich brachte meine Ideen mit in die Handlung, leitete den abschließenden Animations-Prozess und das Rendering, um es dann letztendlich über die Ziellinie zu bringen.
 
 
Die Irrlichter erscheinen wie aus einem Videospiel. Haben Sie dieses Element bewusst ausgewählt um das „Schicksal“ darzustellen?
 
Das ist ein Element, das ich mit einbrachte und zu einem sehr großen Thema innerhalb des Films machte. Wir wollten ein wenig Magie integrieren. Irgend ein magisches Element. Und als wir von der Legende der Irrlichter hörten, war uns sofort klar, dass es Teil unseres Projektes werden musste. Vorher mussten wir uns noch einigen, was genau die Fähigkeiten der Irrlichter sein sollten und wie wir sie in die Handlung integrieren. In der Legende leiten sie einen entweder zu seinem Schicksal oder ins Verderben. Daher dachte ich, es wäre eine sehr gute Dualität. In einem Film, der hauptsächlich von den Dualitäten des Charakters handelt, den Dualitäten der Rolle als Mutter und Königin sowie der Rolle als Kind und Tochter, stellt sich die Frage: Sind die Irrlichter böse oder gut? Ist das Schicksal etwas Schlechtes oder Gutes? Retten wir unser Schicksal oder nicht? Und so integrierten wir all das in einer wundervollen Szene, in der das Schicksal stattfindet, die Irllichter aber involviert sind und das Mädchen von der Gefahr weglocken.
 
 
Und welche Bedeutung hat der Bogen innerhalb des Films?
 
Merida ist eine sehr dynamische Figur. Sie ist an einem sehr dynamischen Punkt ihres Lebens angelangt, weshalb wir ihr etwas ebenso dynamisches in die Hand gaben. Damals schien jeder eine Waffe zu besitzen, weshalb wir ihr eine Axt ode ein Schwert hätten in die Hand drücken können. Aber ein Bogen war für uns einleuchtender. Feuert man ihn ab, hat er einen Effekt auf etwas entfernt Liegendes. Zugleich zeigt es, wie geschickt Merida damit umgehen kann und wie zielstrebig sie ihren Weg verfolgt. Sobald sie einen Volltreffer landet, weiß das Publikum, dass sie sehr talentiert ist. Bei einem Schwert wäre die Darstellung des gleichen Aspekts wesentlich schwieriger. „Ah, sie ist ein guter Kämpfer, doch was bedeutet dies?“ Einfach jeder kann mit dem Schwert herumfuchteln. Daher wurde der Bogen zur Identität ihrer Passion. Sobald z. B. die Mutter ihn ins Feuer schmeißt, sagt sie ihr im Prinzip damit, dass sie nicht das werden darf, was sie werden will.
 
 
Besten Dank für das Gespräch!
(Falko Theuner)

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