Action auf Asiatisch

0
82

Action auf Asiatisch, Teil 4

Merantau

Merantau

Seit der Veröffentlichung von „Ong-Bak“ (2003) zählen auch vermehrt thailändische Martial-Arts-Streifen zum festen Kanon asiatischer Kultfilme. Das liegt keineswegs an den dramaturgischen Meisterleistungen der thailändischen Drehbuchautoren, deren Geschichten eher kurze Überleitungen zwischen den actionreichen Kämpfen sind. An der schauspielerischen Leistung kann man den Erfolg ebenfalls kaum festmachen. Es sind die Kampf-Choreografien, die eine unwiderstehliche Attraktivität ausüben, den Zuschauer in den Bann ziehen, ihn ganz schwindlig machen mit ihrer Dynamik. Niemanden interessiert es, ob Martial-Arts-Star Tony Jaa den Statuenkopf des Dorfheiligen Ong-Bak zurückgewinnt oder nicht.
 
Die Vergeltung des Diebstahls reicht jedoch als Ausrede für Jaas kunstvollen Körpereinsatz, seine geschmeidigen Bewegungsformen, die nicht von dieser Welt zu stammen scheinen. Auch die beiden Fortsetzungen funktionieren ähnlich und lassen sich in einem Satz zusammenfassen. Ein Waisenjunge adliger Herkunft wird in der Kampfkunst unterwiesen und lebt nun auf der Straße, um nach einer Vielzahl von Kämpfen den Mörder seiner Eltern zu stellen. Seine Rolle als aufrichtiger Kampfmönch machte Tony Jaa zur Martial-Arts-Legende, doch sein Thron ist heiß umkämpft, denn es streben einige weitere junge Talente nach oben, die es mit seiner Choreografie aufnehmen können.
 
Einer davon ist der Indonese Iko Uwais, dessen Einstand in dem Film „Merantau“ klares Potenzial erkennen lässt. Bevor das große Spektakel beginnt, erklärt der Film kurz die Herkunft des Titels und damit auch das Grundthema. Merantau bedeutet übersetzt so viel wie die traditionelle Mannwerdung, ein Prozess, der mit dem Verlassen der elterlichen Heimat beginnt und durch die Unwegsamkeiten des Lebens auf der Straße zur Selbstfindung führt. Tradition hin oder her, die wahre Motivation Yudas (Iko Uwais) ergibt sich erst in der großen Stadt, denn dort lernt er die schöne Astri (Sisca Jessica) und ihren kleinen Bruder kennen, die sich fortan abwechselnd von bösen Menschenhändlern entführen lassen. Und da ist er wieder, der Grund zum Eintauchen in die vielschichtige Welt der kämpferischen Selbstdarstellung. Aber wie gesagt tut die Story nichts zur Sache, die Kampfperformance ist erstaunlich genug, um über 112 Minuten Laufzeit zu unterhalten.

Die Essenz des Kämpfens

Zunächst glaubt man sich einem Geplänkel gegenüber, das aus schon oft gesehenen Tritten und Schlägen besteht. Doch plötzlich entwickelt die Kamera eine ganz eigene Dynamik, die sich perfekt an die Bewegungen ihres Stars anpasst. Mit einem schlangenartigen Griff zieht Uwais seinen Gegner an sich heran, drückt ihn wieder nach vorn und wirbelt ihn in einer Rolle von sich fort. In jeder Handbewegung lässt sich eine neue Form der Ästhetik erkennen. Die mittaumelnde Kamera spiegelt dabei eine absolute Leichtigkeit wider, die kaum in Worte zu fassen ist. Das also ist der Kampfstil „Silat“, hört man sich sagen.
 
Und ist der Kampf Mann gegen Mann nicht auch eine kunstvolle Form der Kommunikation? Er ist es – dessen kann man sich nach diesem Film sicher sein. Wer die Artisten bei ihrer Arbeit beobachtet, stellt bemerkenswerte, oft winzig kleine, individuelle Unterschiede fest, die sich am Charakter manifestieren und seine Absichten durchblicken lassen. Ganz so ikonografisch wie Jackie Chans oben beschriebene Choreografien ist Uwais Stil allerdings noch lange nicht. Hierfür braucht er einen erfahrenen Actionregisseur, der genau weiß, in welche Situationen er seinen Star werfen muss, damit dieser die richtige Kombination aus Unterhaltung und verausgabender Kampfkunst erzielt.
 
Immerhin ist es die Bedeutung, die jedem Kampf seine Seele verleiht; die Inszenierung solch choreografischer Meisterleistungen wiederum führt die Filmemacher zu neuen Horizonten mit neuen Perspektiven. Nicht ohne Grund schauen Hollywoods Regisseure immer häufiger gen Osten, wenn sie nicht weiterwissen. Sie lieben es Asiens Sinn für Ästhetik in ihren hoch budgetierten Werken zu zitieren. Die dort zelebrierte, völlig unbefangene Schönheit der Action ist eben einmalig auf dieser Welt.

Kommentare im Forum