Lokalisation: In welche Richtung hören Sie?

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Lokalisation: In welche Richtung hören Sie?, Teil 2

Entfernungshören und Psychoakustik

Das Entfernungshören

Entfernungshören verbindet man automatisch zuerst mit Lautstärke. Tatsächlich ist dieser Faktor jedoch nur von geringer Bedeutung. Da wir bei den meisten Schallquellen nicht genau wissen, wie laut sie eigentlich sind (beispielsweise ein frisierter Motor), kann unsere Entfernungseinschätzung sehr ungenau sein. Lautstärke allein kann nur bei vertrauten Geräuschen helfen, die Entfernung einzuschätzen. Sehr wichtig ist dagegen das Verhältnis von Direktschall zu Diffusschall. Je weiter sich unser Sprecher von uns entfernt befindet, desto mehr verschiebt sich das Verhältnis in Richtung Diffusschall, der Eigenklang des Raumes wird sozusagen stärker.
 
Im freien Feld ist das allerdings auch schwierig, da hier praktisch kein Raumklang vorhanden ist. Zu beachten ist aber auch, dass Luft als ein Höhenfilter wirkt. Da hohe Frequenzen stärker von der Luftmasse absorbiert werden, nimmt ihr Anteil mit steigender Entfernung ab, der Klang wird dumpfer. Dieser Effekt ist ab einer Entfernung von 15 Metern bedeutend, ein gutes Beispiel ist das dumpfe Grollen eines fernen Gewitters. Sehr nah an unserem Kopf sorgen Außerdem Beugungseffekte für klangliche Veränderungen, die unser Gehör auswerten kann.

Psychoakustik

Beim Hörvorgang spielt das Gehirn eine wichtige Rolle. Deshalb sind nicht nur physikalische Größen, sondern auch psychoakustische Effekte von großer Bedeutung. Dieses Thema werden wir in einer der folgenden Ausgaben ausführlich für Sie aufbereiten. Ein Beispiel, das auch im Hi-Fi-Bereich Bedeutung hat, ist die Ausbildung von Phantomschallquellen. Nehmen wir an, wir sitzen im Stereodreieck und geben über beide Lautsprecher ein identisches Signal wieder (gleicher Pegel, gleiche Phasenlage), so scheint sich die Schallquelle in der Mitte zwischen beiden Lautsprechern zu befinden. Dieser Effekt ist eine wichtige Grundlage für Stereofonie.
 
Unter Kopfhörern wiederum führt dies zur Im-Kopf-Lokalisation. Die Schallquellen scheinen sich zwischen den beiden Treibern der Kopfhörer zu befinden, was bedeutet, dass wir das Gefühl haben, alles spiele sich in unserem Kopf ab. Die akustische Bühne wird davon bedeutend beeinflusst. Lokalisation ist ein sehr weitläufiges Thema, dessen Erforschung noch nicht abgeschlossen ist. Insbesondere die Lokalisation von mehreren Schallquellen gleichzeitig bringt viele komplexe und interessante Phänomene mit sich. Vor allem im Surround-Bereich können immer wieder neue Erkenntnisse genutzt werden, um Verbesserungen herbeizuführen.

Lokalisation oder Ortung?

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird im Zusammenhang mit dem menschlichen Gehör oft der Begriff Ortung verwendet. Genau genommen ist das jedoch falsch. Wir bringen Klarheit in diese Verwechslung: Ortung ist die Richtungs- und Entfernungsbestimmung durch Auswertung von Sekundärsignalen. Das Prinzip ist bekannt vom Echolot oder von der Fledermaus: Es wird ein bekanntes Signal (Primärsignal) aktiv ausgesendet und die Reflexionen (Sekundärsignal) werden wieder empfangen.
 
Anhand der Beschaffenheit des reflektierten Signals werden nun Informationen über die Entfernung von Hindernissen gewonnen. Auch Radare funktionieren nach diesem Prinzip, man verwendet deshalb korrekterweise den Begriff Radar-Ortung. Bei der Lokalisation verhält es sich etwas anders. Das zu bestimmende Objekt selbst sendet Signale aus. Wir als Hörer haben dann nur die passive Rolle, diese Primärsignale auszuwerten. Die Informationen entnehmen wir dann also nicht dem Vergleich von Primär- und Sekundärsignal, sondern gewinnen sie aus den Unterschieden der beiden Ohrsignale sowie einer gewissen Hörerfahrung.
(Martin Heller)

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