DAB Plus oder Mobiles Breitband: Ruin für das Radio?

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Radio UKW Bild: © jakkapan - Fotolia.com
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Auch wenn DAB Plus international auf dem Vormarsch ist und immer mehr begeisterte Zuhörer findet, gibt es nach wie vor Skeptiker, die die heilbringende Zukunft des Radios im mobilen Internet sehen. Dies hat der große schwedische Sendernetzbetreiber Teracom kürzlich zum Anlass genommen eine Studie zum Thema zu veröffentlichen.

Ihre Erkenntnisse wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. Auch wenn sich die Untersuchung auf in Schweden ermittelten Zahlen basiert, so kann man die Resultate ohne Weiteres auch auf Deutschland, beziehungsweise den deutschen Sprachraum übertragen.
 
Ausgangssituation
 
In Schweden hören 75% der Bevölkerung, das sind 5,9 Millionen, täglich 125 Minuten Radio. Das sind 270 000 000 000 (270 Milliarden) Minuten pro Jahr. Die Nutzung fällt dabei zu 97% auf den klassischen Rundfunk und nur zu 3% auf Computer und Smartphones, also über das Internet. Am Rande bemerkt: Auch in Deutschland wird Internetradio eine höhere Bedeutung zugemessen, als sie tatsächlich hat. Würden die gehörten Programme als ohnehin nicht besonders gut klingende Datenströme mit 96 kBit/s streamen, würden sie für ein Datenvolumen von 193 000 Terabytes sorgen. Das ist mehr, als 2012 in den schwedischen Mobilfunknetzen in beiden Richtungen, also vom und zum Mobiltelefon, transportiert wurden.

Kostenvergleich
 
Dass die Verbreitung von Radio über das Internet eine kostspielige Angelegenheit ist, ist hinlänglich bekannt. Diese Erkenntnis wird auch von Teracom bestätigt. Würde man alle in Schweden gehörten Radioprogramme und Mobilfunk-Streams zu den Zuhörern bringen, würde dies pro Jahr 860 000 000 Euro (860 Millionen) verschlingen. In der Berechnung wurde sowohl die Ausstrahlung per Unicast (LTE), als auch für Multicast (eMBMS) berücksichtigt. Die Untersuchung geht ferner davon aus, dass über Mobilfunk „ausstrahlende“ Rundfunkanbieter von den Mobilfunkern Rabatte bis zu 30% bekommen könnten. Womit sich die Übertragungskosten auf rund 600 Millionen Euro reduzieren könnten. Selbst unter solchen „günstigen“ Voraussetzungen könnten diese Kosten nicht einmal ansatzweise von den Sendern getragen werden. Im Vergleich dazu, würde die flächendeckende Ausstrahlung via DAB Plus nur 10 bis 20 Millionen kosten. Damit Mobilfunk für den Rundfunk bezahlbar werden würde, müsste es bei den Übertragungskosten zu einer Preisreduktion von 96% kommen!

Nur 2% wollen zahlen
 
Im Zuge der Kostenermittlung wurde auch untersucht, wie viel die Radiohörer bereit wären, für den Empfang zusätzlich zu bezahlen. Nur 2 % der befragten können sich vorstellen, monatlich dafür neben der Rundfunk- und Mobilfunk-Gebühr rund 5,60 Euro zu bezahlen. Immerhin ein weiteres Prozent könnte es sich relativ gut vorstellen, extra zu bezahlen. Damit erteilt die Bevölkerung den Mobilfunkern eine eindeutige Abfuhr. Mit ihrer Haltung zeigt sie unmissverständlich, dass sie nicht bereit ist, extra zu bezahlen, nur damit eine an und für sich für Rundfunk absolut ungeeignete Infrastruktur zum Einsatz kommt. Schließlich wäre der Kostenfaktor auch für den Nutzer höher, als auf den ersten Blick ersichtlich. Würde Rundfunk über das mobile Internet kommen, bräuchte es für jedes Radio einen eigenen Mobilfunk-Vertrag. Alleine wenn man Radio entsprechend des abgefragten schwedischen Pay-Modells auf den Smartphones einer vierköpfigen Familie zugänglich machen würde, müsste man dafür pro Monat über 22 Euro extra bezahlen. Im Jahr wären das über 264 Euro.

Weiterer Netzausbau erforderlich
 
Um Radio über Internet flächendeckend anbieten zu können, ist auch ein gravierender Ausbau der vorhandenen Mobilfunknetze erforderlich. Diese sind derzeit weder in der Lage, die für Radio erforderlichen Übertragungskapazitäten im geforderten Ausmaß einer alleinigen Rundfunkversorgung bereitzustellen. Weiter mangelt es noch an der Netzdichte. Besonders für öffentlich-rechtliche Sender ist eine Vollversorgung des Landes entscheidend. Die vermag Mobilfunk, egal ob in Schweden oder bei uns, nicht annähernd zu gewährleisten. Abgesehen von den astronomisch hohen Übertragungskosten würden, um beim schwedischen Beispiel zu bleiben, auch enorme Kosten für den weiteren Netzausbau kommen. Die Teracom nimmt an, dass alleine dafür an die 450 000 000 Euro aufzubringen wären. Wie aufwändig Rundfunk via Mobilfunk wäre, zeigt auch eine Gegenüberstellung der benötigten Sendeanlagen. Schweden ist mit seiner Fläche von rund 450 000 km² um rund 1/4 größer als Deutschland. Für eine Vollversorgung des Landes (99,8%) kommen 54 Hauptsendeanlagen und rund 130 kleinere Sendeanlagen zum Einsatz. Beim Mobilfunk darf der Maximalabstand zwischen Basisstation und Handy nur 5 km betragen. Damit wären jedenfalls über 20 000 Mobilfunksender erforderlich. Heute arbeiten die schwedischen Mobilfunker noch nur über rund je 7 000 Basisstationen. Alleine um ein einziges Mobilfunknetz auf den geforderten Ausbaugrad zu bringen, wären 450 Millionen Euro zusätzlich zu investieren.
 
Betriebssicherheit
 
Vom Rundfunk wird auch ein sehr hohes Maß an Betriebssicherheit gefordert. Gerade bei Katastrophen ist es wichtig, die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen oder sie zu informieren. Etwa, über den Stand der anlaufenden Hilfsmaßnahmen. Anlässe dafür gibt es genügend. Dazu brauchen wir nur an die Hochwässer oder starken Stürme der letzten Jahre zu denken. Von solchen Ereignissen sind Rundfunksendeanlagen kaum betroffen. Einmal sind zumindest wichtige Hauptsender überaus stabil gebaut. Weiter sind sie auf Bergen errichtet, worüber sie große Regionen erreichen. Zuletzt verfügen sie auch über Notstromgeneratoren. Sie erlauben es ihnen, bis zu mehrere Wochen auf Sendung bleiben zu können. Alleine der erste große Herbststurm in Schweden (Sturm Simone Ende Oktober 2013) führte zu einem großflächigen Zusammenbruch des Mobilfunknetzes südlich der Linie Göteborg und der weitgehend ebenfalls betroffenen Insel Gotland im Osten. Wäre Radio ausschließlich über Mobilfunk verbreitet worden, wäre die Bevölkerung Südschwedens komplett von für sie wichtigen Informationen abgeschnitten gewesen.

Was wäre zu erwarten?
 
Radio ausschließlichüber Mobilfunk? Die Folgen für uns alle wären verheerend. Einmal wärendie Programmveranstalter mit nie dagewesenen Übertragungskostenkonfrontiert. Dabei stellt sich die Frage, wie viele Anbieter sich dieAusstrahlung noch leisten könnten. Weiter gilt zu hinterfragen, wie sichder Radiokonsum entwickeln würde, Es darf von einem signifikantenRückgang der Radionutzung ausgegangen werden. Geringere Reichweitenwürden auch dazu führen, dass das Medium für die Werbewirtschaft anInteresse verlieren würde. Womit die Sender mit höherenübertragungskosten bei sinkenden Einnahmen konfrontiert wären.Zuletztsollten wir uns fragen, ob wir uns überhaupt mit Radio zufrieden geben,das nicht einmal annähernd UKW-Klangqualität erreicht?[Thomas Riegler]

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68 Kommentare im Forum

  1. Mein Reden ... Wenn das sich schon in Schweden nicht rechnet, bei eine Bevölkerungsdichte von 21 Einwohnern /km², wie soll das Abschalten des Rundfunks in D mit der zehnfachen Bevölkerungsdichte sinnvoll sein, wo auch jeder Rundfunkmast 10 x mehr Hörer erreichen kann...
  2. AW: DAB Plus oder Mobiles Breitband: Ruin für das Radio? Also entweder hat die Studie einen Denkfehler, oder in dem Artikel ist etwas faul. Zwar steht dort, dass in der Studie sowohl Uni- als auch Multicast berücksichtigt wurde, doch wo sind die Zahlen dazu? Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob ich ein Signal nur ein einziges mal ausstrahlen (wie bei DAB) oder eben jeden Empfänger einzeln bedienen muss.
  3. AW: DAB Plus oder Mobiles Breitband: Ruin für das Radio? Identische Streams mehrfach über Mobilfunk im selben Verbreitungsgebiet auszustrahlen ist ohnehin sehr ineffizient. Deshalb wird auch im Mobilfunkbereich an Broadcast-Lösungen gearbeitet (LTE-Broadcast). Die ÖR werden allerdings weiterhin auf Broadcast setzen, bzw. setzen müssen, weil diese einen Versorgungsauftrag haben u. möglichst viele Bürger erreichen müssen. Allerdings gibt es nirgendwo im Rundfunkstaatsvertrag eine Festlegung in welcher technischen Norm die ÖR ihre Inhalte verbreiten müssen. Das könnte demnach genauso LTE-Broadcast sein, nicht zwangsläufig DAB+. Dagegen spricht dass die ÖR über eigene Sendernetze verfügen und deshalb nicht auf Mobilfunkanbieter angewiesen sind. Für private Anbieter könnte LTE-Broadcast allerdings eine Alternative zu DAB+ sein.
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