[Hintergrund] Junge TV-Kommissare – ihr Boss ist eine Frau

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Echte Polizisten und Krimikommissare haben häufig nicht viel gemein: Zu unterschiedlich sind der graue Dienstalltag und die aufregend-inszenierte Jagd auf Verbrecher. Doch manchmal kommen beide Welten auch zusammen, so wie beim ARD-„Großstadtrevier“.

Sie sind kess, manchmal aufmüpfig, und sie sind jung. Jünger als die Damen an ihrer Seite. Denn mit dem weiblichen Vormarsch in die oberste Riege deutscher TV-Kommissare hat sich eine neue Konstellation ergeben. Neben den sich männlich herb anfrotzelnden Herrengespannen wie Ballauf/Schenk in Köln oder Batic/Leitmayr in München gesellt sich immer häufiger der jüngere Mann zur reiferen Kollegin.

So zur Kommissarin Lucas im ZDF. Dort ist Florian Stetter als Leander Blohm Assistent von Ulrike Kriener, aber „nicht das Hundi, das brav neben seinem Frauchen herläuft“. Aber nicht im Stil: „Harry, fahr den Wagen vor“. Das ist ferne Vorzeit.

Einer wie der Leander, meint Stetter, „hat seine eigenen Ideen, die nicht immer ins Schema seiner Chefin passen und sie zum Nachdenken zwingen.“ Woher dieses pfiffige Bübchen kommt, weiß sein Darsteller recht genau: „Der ist Reedersohn, hat den Job eigentlich gar nicht nötig und wurde gegen den Willen des Vaters Polizist“.Trotz jungen Jahren: „Wie ein altes Ehepaar“

 
Polizist aus Protest. So sieht auch Sebastian Bezzel seinen Kai Perlmann, der da an der Seite von Klara Blum (Eva Mattes) die Auen des Bodensee-„Tatorts“ durchstreift: „Ich denke mir, der kommt aus einer Anwaltshierarchie und wollte alles werden, nur kein Anwalt“. Etwas schnöselig Yuppiehaftes hatte zunächst zu seinem Rollenbild gehört. Doch schliff sich das an der bärbeißigen Klara ebenso ab wie beim Bremer „Tatort“ Oliver Mommsens schnieke Dressman-Attitüde als Nils Stedefreund am ruppigen 68er-Gehabe von Sabine Postel als Kommissarin Inga Lührs.

Auch der Ludwigshafener Kopper (Andreas Hoppe), der Senior innerhalb der Jugend-Riege und schon seit 1996 an der Seite Lena Odenthals dabei, hat sich emanzipiert. Zunächst mehr als heiter-bunter Kontrapunkt zur eher streng-düsteren Ulrike Folkerts gedacht, wurde er zunehmend zum eigenständigen Ermittler, der zuweilen die Kollegin bei manchem allzu tollkühnen Alleingang vor sich selbst schützen muss. Dass die beiden eine Wohngemeinschaft bilden, gibt der Verbindung die menschlich wärmende Nuance, und zuweilen wirken die beiden schon wie ein uraltes Ehepaar.

Ein wenig als Beschützer fühlt sich als Jürgen Simmel auch Hinnerk Schönemann an der Seite von Mariele Millowitsch in den „Marie Brand“-Krimis des ZDF, bei klarer Rollenverteilung: „Ich trete die Türen ein, durch die dann Mariele durchgeht.“ Mehr tut sich zwischen der quirligen Rheinländerin und dem mehr maulfaulen Mecklenburger nicht. Nichts hier mit Flirt und Liebelei: „Wir sind in unseren Rollen nicht einmal beim Du, und das finde ich ganz gut so“.Mann-Frau-Gespann hat im TV-Krimi noch lange nicht ausgedient

 
Hingegen mag Florian Stetter das kleine Augenblinzeln recht gern: „Die Beziehung kann ruhig etwas Flirtiges haben“. Und dann hat die Lucas ja auch noch eine jüngere Schwester: „Mal sehen, was sich daraus noch ergibt“.

Eine Frau als Chefin ist für ihn wie alle anderen kein Problem. Und alle sehen mit Respekt auf Können und Erfahrung ihrer Kolleginnen und auf ihren Schauspielnimbus auch. Bezzel: „Ich lag anfangs vor der Zadek-Ikone Mattes ganz schön auf den Knien.“ Dort liegt er zuweilen immer noch, „aber vor Lachen“. Weil man nämlich „mit der Eva ganz herrlich lustig sein kann“. Und auch Kollege Devid Striesow, als er als Jan Martensen zur grimmen Bella Block stieß, stellte bei der ebenso berühmten wie als schwierig gefürchteten Hannelore Hoger aufatmend fest: „Wir haben gottlob einen recht ähnlichen Humor und können über die gleichen Dinge sehr lachen.“ Manchmal mehr, als den Aufnahmen gut tat.

Seine Funktion hat sich inzwischen seit Bellas Rückzug in den Unruhestand verschoben. Pit Rampelt, „Bella Block“-Redakteur beim ZDF, sagt: „Er ist jetzt mehr der Informant aus dem Innenkreis der Polizei.“ Aber man schätzt und kabbelt sich wie zu Bellas aktiven Zeiten. Also Mann und Frau als Kollegenpaar in Augenhöhe, ohne Geschlechterrivalität. „Ist das typisch für unsere Zeit?“ fragt sich Rampelt und meint: „Sicher steht es für eine größere Offenheit unserer Gesellschaft gegenüber festgefahrenen Normen und ist damit ganz sicher ein erfreuliches Symptom.“ Wobei gleich auch noch ganz andere Konstellationen denkbar wären.

Älterer Kommissar/blutjunge Assistentin zum Beispiel? Rampelt wird nachdenklich: „Das war bisher nicht angedacht, aber das kann sich schnell ändern. Ich sehe jedenfalls noch manche Möglichkeit, die in solchen Doppeln stecken könnte“. [Paul Barz]

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