Medienforum NRW: „Sinnvolle Regulierung sozialer Netzwerke“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Am Dienstag startet im Kölner Congress Centrum Nord neben der Anga Com auch das 29. Medienforum NRW. Im Vorfeld sprach DIGITAL FERNSEHEN mit dem Veranstalter des Medienforums NRW. Jan Lingemann erklärt was sich neben einem modernen Veranstaltungsort noch alles ändert.

DIGITAL FERNSEHEN: Das 29. Medienforum NRW findet am 30. Mai in der Kölnmesse erstmals im Congress-Centrum Nord statt. Auf was dürfen sich die Teilnehmer 2017 neben den neuen Räumlichkeiten freuen?
 
Jan Lingemann: Das Medienforum NRW fokussiert sich in diesem Jahr auf besonders brisante medienpolitische Themen wie die Regulierung von sozialen Netzwerken und Medienvielfalt in der digitalen Demokratie. Erstmals präsentieren wir dabei das neue Format „One-on-One“, bei dem zwei Experten ihre Positionen kontrovers diskutieren. 
Der Kongress startet mit einer gemeinsamen Eröffnungsveranstaltung mit der ANGA COM. Sie steht in diesem Jahr unter dem Titel „Gigabit, 4K und Over the Top: Breitband und Medien in der Disruption“. Hierzu diskutieren Dr. Hannes Ametsreiter, CEO Vodafone Deutschland / Mitglied im Executive Committee der Vodafone Group; Niek Jan van Damme, Vorstand Deutschland, Deutsche Telekom AG; Anke Schäferkordt, Geschäftsführerin Mediengruppe RTL Deutschland; Carsten Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsführung, Sky Deutschland; Lutz Schüler, CEO, Unitymedia; Ronny Verhelst, CEO Tele Columbus Gruppe und Christoph Vilanek, CEO freenet A.G. Diese enge Kooperation mit dem Kongress der ANGA COM hat sich seit 2014 sehr gut bewährt und dazu beigetragen, dass sich die Veranstaltung zu einem unverzichtbaren Treffpunkt für die Breitband- und Medienbranche entwickelt hat,  die die Perspektiven beider Branchen in einem konvergenten Gesamtkontext zusammenführt. Dazu hat auch das nachhaltige Engagement des Landes NRW maßgeblich beigetragen, das in den letzten Jahren mit seiner Ministerpräsidentin auf der gemeinsamen Eröffnung beider Veranstaltungen jeweils einen starken und vielbeachteten Impuls für die aktuellen Debatten der Branchen gesetzt hat. Auch in diesem Jahr bieten wir der Branche ein ideales Forum für den Austausch.

Neu ins Programm wurde das Format „One-on-One“ aufgenommen. Was erwartet die Teilnehmer der drei kurzen Streitgespräche?
 
Hier diskutieren jeweils zwei Experten 20 Minuten lang ein medienpolitisches Top-Thema, das die Branche bewegt. Das erste Streitgespräch befasst sich mit dem brisanten Thema „Verleger kontra Internet? – Schützt ein EU-weites Verlegerrecht überholte Geschäftsmodelle?“ Um die Zeitungsbranche im Zeitalter des Internets zu stärken, will die EU-Kommission Verlegern mehr Rechte an Online-Inhalten einräumen. Darüber sprechen Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht beim eco – Verband der Internetwirtschaft und Prof. Dr. Thomas Höppner, Professor für Wirtschaftsrecht an der Technischen Hochschule Wildau und Partner der Kanzlei Hausfeld Rechtsanwälte. Die Veranstaltung, die von 15 Uhr bis 15.20 Uhr stattfindet, wird von dem Berliner Medienjournalisten Jörg Wagner moderiert.
Mit der Frage „Wie viel – oder wenig – Plattformregulierung ist nötig, um für die Mediennutzer den Zugang zu einem möglichst vielfältigen Angebot an audiovisuellen Medieninhalten zu sichern?“ beschäftigt sich das anschließende One-on-One um 15.20 Uhr. Hier geht es um Dienste, die der Bündelung und Weiterverbreitung audiovisueller Inhalte dienen. Zusätzlich zu den klassischen Kabelnetzen sind in diesem Bereich neue Angebotsformen entstanden, z.B. Streaming-Plattformen und Smart-TVs. Im Fokus stehen Themen wie Diskriminierungsfreiheit, Transparenz und Nutzerautonomie. Dr. Wolf Osthaus (Senior Vice President Regulatory and Public Policy, Unitymedia) und Claus Grewenig (Bereichsleiter Medienpolitik, Mediengruppe RTL Deutschland) werden den Sachverhalt beleuchten. Die Moderation übernimmt die Journalistin Diemut Roether (epd medien). 
Wohl kaum ein Thema ist in der Medien- und Werbe-Branche so in der Kritik wie Adblocker. So drängt beispielsweise der Zeitungsverlegerverband Nordrhein-Westfalen auf ein Vertriebsverbot für Programme, die Werbung auf journalistischen Angeboten blockieren. Das Medienforum NRW befasst sich kontrovers damit um 15.40 Uhr: „Über Adblocker und weitere Werbehindernisse. Schutz vor Werbeüberflutung oder Gefahr für die Medienvielfalt?“ Auf dem Podium sprechen Dr. Cornelis Lehment (Rechtsanwalt, Lubberger Lehment) und Volker Tripp (Politischer Geschäftsführer, Digitale Gesellschaft). Moderation: Anja Backhaus (WDR). 
 
Im Gegensatz zur parallel stattfindenden ANGA COM zeichnet sich das Medienforum NRW vor allem durch medienpolitische Themen aus. 2017 steht ein Thema, was unseren Alltag mehr beherrscht als viele andere, das Thema Hasskommentare im Netz, weit oben auf der Agenda. Wie wichtig sind die allgegenwärtigen Diskussionen zu diesem Thema?
 
Dieses Thema hat eine enorme Relevanz und das Medienforum NRW diskutiert traditionell die Wechselwirkung zwischen Medien und Gesellschaft. Leider ist es noch nicht gelungen, verbindliche Spielregeln für das Internet durchzusetzen, die der Spezifik dieses globalen Distributionsweges entsprechen und auch von der Mehrzahl der Nutzer akzeptiert werden. Wir müssen Wege finden, wie Normen angewandt werden können, um Handlungen zu ahnden und einzugrenzen, die gegen bestehendes Recht verstoßen.
Natürlich machen internationale Selbstverpflichtungen oder Kodizes mehr Sinn als nationale. Aber jeder weiß, wie schwer es ist, sie verbindlich umzusetzen. Deshalb glauben wir, dass auch nationale Debatten und Konzepte, wie die NRW-Initiative „Netzkodex gegen Hass“, notwendig sind und den Handlungsdruck für globale Entscheidungen erhöhen können.
 
Ein weiteres Thema ist die Medienvielfalt in der digitalen Demokratie. Sehen Sie diese Vielfalt aktuell gefährdet?
 
Wir wissen noch zu wenig darüber, wie Meinungsbildungsprozesse durch soziale Netzwerke beeinflusst werden. Diese Wirkung zu verstehen, ist aber für die Bewertung der Regulierungsanforderungen essentiell. Die erste Herausforderung bei den sozialen Netzwerken ist also eine realistische Bewertung und Prognose ihrer weiteren Entwicklung. Die zweite Herausforderung ist die Festlegung einer sinnvollen Regulierung, um den positiven Aspekt sozialer Netzwerke, einen Beitrag zur demokratischen Partizipation leisten zu können, nicht zu zerstören, sondern zu fördern. Damit sind wir bei der größten Herausforderung der Medienpolitik: Die Medienvielfalt nicht nur zu sichern, indem die klassischen Medien unterstützt werden, sondern einen fairen Wettbewerb zwischen neuen und alten Playern sicherzustellen und dabei natürlich auch neue Akteure, neue Plattformen, neue Ideen für eine uneingeschränkte Verbreitung und Nutzung publizistischer Informationen zu fördern. Darüber diskutiert zum Beispiel das Podium „Medienvielfalt in der digitalen Demokratie. Make the Truth great again!“
Und natürlich wollen wir die Debatte über soziale Netzwerke auf dem Medienforum NRW differenziert führen, verschiedene Szenarien beleuchten und dabei auch die internationale Ebene berücksichtigen.
 
Die Eröffnungsveranstaltung gemeinsam mit der ANGA steht einmal mehr im Zeichen des Breitbandausbaues. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage in der Bundesrepublik ein? Sind wir wirklich noch ein Entwicklungsland beim Breitbandausbau? 
 
Die Bundesregierung hatte ja im Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, dass es bis zum Jahr 2018 in Deutschland eine flächendeckende Breitbandversorgung von mindestens 50 Megabit pro Sekunde geben soll. Dieses Ziel wird sie wohl erreichen. Mittlerweile geht es nun um das Ziel eines Netzausbaus auf 5 Gigabyte. Der Bundesverkehrsminister hat die Initiative „5 Schritte zu 5G“ gestartet, damit wir als erstes Land ein flächendeckendes 5G-Netz bereitstellen. Neue Anwendungen wie Virtual Reality, automatisiertes Fahren und weitere Vernetzungen führen zu einem enormen Datenwachstum. Deshalb brauchen wir in Zukunft mehr Bandbreite, um für diese Aufgaben gerüstet zu sein. Ich bin zuversichtlich, dass mit diesen Initiativen der Rückstand, den es in Deutschland in der Tat gegeben hat, bald der Vergangenheit angehört. Ein ausgebautes Breibandnetz bedeutet Teilhabe aller Bürger am digitalen Leben, Chancen für die Industrie, aber auch Bereiche wie Lehre, Forschung und Soziales. Es muss deshalb ein mit größter Priorität verfolgtes Ziel für alle politischen Ebenen und Parteien bleiben.
 
Vielen Dank für das Gespräch![red]

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

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