Mörder verfolgt Kommissarin: Zerreißprobe beim neuen „Tatort“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Nächste Zerreißprobe für das Frankfurter „Tatort“-Team: Vor 20 Jahren brachte sie einen Mörder hinter Gittern, nun ist er wieder frei, nach wie vor hoch gefährlich, und bedrängt Kommissarin Janneke. Überrollt von ihrer Vergangenheit gerät sie immer mehr an die Grenzen dessen, was sie ertragen kann.

Ein verurteilter Mörder kommt nach fast 20 Jahren Gefängnis frei und sucht Kontakt zu Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich). Die neue Frankfurter „Tatort“-Ermittlerin war als Polizeipsychologin für das Gutachten verantwortlich, das Alexander Nolte die lebenslange Haftstrafe einbrachte. Janneke hält den „Dämon“ nach wie vor für hoch gefährlich, entzieht sich seinen bedrängenden Annäherungsversuchen aber nur halbherzig. Sie gerät in einen Strudel aus Abscheu, furchtbaren Ahnungen, Ohnmacht und Hysterie. „Die Geschichte vom bösen Friederich“ heißt der „Tatort“ des Hessischen Rundfunks, den das Erste an diesem Sonntag um 20.15 Uhr zeigt.
 
Laut, schrill und aggressiv beginnt der dritte „Tatort“ der neuen Frankfurter Ermittler Janneke und Paul Brix (Wolfram Koch): Der böse Nolte tobt in seiner Wohnung und erinnert an den Anfang der Bilderbuch-Geschichte des Frankfurter Psychiaters Heinrich Hoffmann (1809-1894) aus dem „Struwwelpeter“: „Der Friederich, der Friederich, das war ein arger Wüterich!“ beginnt darin „die Geschichte vom bösen Friedrich“.

Der Zuschauer ahnt bald: Dem manipulativen-teuflischen Charakter Noltes ist nur schwer zu entkommen. Das gilt vor allem für die Psychologin Helene Kaufmann (Ursina Lardi). Ihr Gutachten hat die Resozialisation des eloquenten, charmanten und zugleich abstoßenden Mörders ermöglicht. Sie betreut ihn auch bei seinen scheinbar vorbildlichen Versuchen in den Alltag zurückzukehren.
 
Aber auch Seiteneinsteigerin Janneke muss sich als Polizeipsychologin sehr intensiv mit dem unberechenbaren Mann auseinander gesetzt haben, der seine depressive Freundin in der Badewanne ertränkte. Nach seinem Auftauchen kümmert sich die Kommissarin zunächst jedenfalls wenig um den aktuellen Fall, den rätselhaften Mord an einem Obdachlosen im Bahnhofsviertel. Auf die zähen Ermittlungen – es gibt kaum Hinweise auf die Tat und auch kein Motiv – reagiert Janneke mit dunklen Ahnungen.
 
Ging es im zweiten Fall des Frankfurter Ermittler-Duos um die zwielichtige Vergangenheit von Kommissar Brix und die Frage, ob Janneke ihrem neuen Partner trauen kann, so ist es diesmal eher umgekehrt. Wie sind Jannekes geheimnisvolle Alleingänge zu verstehen? Lag sie mit ihrem Gutachten über Nolte richtig, das diesem unter anderem eine narzistische Persönlichkeitsstörung bescheinigte? Oder hat sie sich in etwas verrannt und ihre fachliche Beurteilung ist „einseitig“, wie nicht nur ihr Chef Henning Riefenstahl (Roeland Wiesnekker) glaubt.
 
Dem Wiener Burgtheater-Schauspieler Nicholas Ofczarek gelingt ein eindrucksvolles Psychogramm des von Gewaltfantasien besessenen, mitunter Gott spielenden Mörders. Broich kann als Kommissarin Janneke im psychischen Ausnahmezustand – unter Regie der mehrfach mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Hermine Huntgeburth – auch mehr von ihrer Schauspielkunst zeigen als in den ersten beiden Fällen. Koch tritt dagegen diesmal eher in den Hintergrund.
 
Dennoch beginnt das erste „Tatort“-Drehbuch von Volker Einrauch schleppend, richtig spannend wird es erst im letzten Drittel. Die Geschichte strotzt von unlogischen und unrealistischen Wendungen. Dazu kommen haufenweise Klischees: über das Verhältnis von Therapeutinnen zu ihren Klienten beispielsweise, über die zur Schau gestellte Bindungsunfähigkeit sämtlicher Hauptfiguren und die vorgeblichen Resozialisationsversuche eines Mörders.

[Ira Schaible/fs]

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6 Kommentare im Forum

  1. Dieser Tatort hat mich voll entschädigt für die vielen Enttäuschungen der letzten Wochen. Besonders Nicholas Ofczarek fand ich genial.
  2. Ich schließe mich meinem Vorschreiber an, großes Psychospiel im gestrigen Tatort. Nicholas Ofczarek spielte das genial. Mir lief es kalt den Rücken runter.
  3. Was hier unter dem Deckmantel "Tatort" wieder Mal verzapft wurde, spottet erneut jeder Beschreibung. Wenn ich Psychothriller sehen will, dann bestimmt nicht beim Tatort Frankfurt mit seinen abgehalfterten Hauptdarstellern.
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