„Große Kabelnetzbetreiber reduzieren drastisch die eigenen Technikabteilungen“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Leipzig – Das Institut für Elektrotechnik der Hochschule Magdeburg-Stendal erhielt am 22. Oktober ein neues Kabelnetz-Labor.

Das in der deutschen Hochschullandschaft einmalige Labor ermöglicht die Simulation von Signalübertragungen im Kabelnetz. Auch im Zusammenhang mit Anforderungen durch das digitale Fernsehen kann es genutzt werden. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit Dieter Schwarzenau, Professor für Kommunikationstechnik an der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH), über die Vorgeschichte und Projekte, die mit dem neuen Labor realisiert werden sollen.

DIGITAL FERNSEHEN: Herr Prof. Schwarzenau, dem Fachbereich Ingenieurwesen und Industriedesign (IWID) wurde vor ein paar Tagen ein deutschlandweit einmaliges Kabelnetz-Labor, gesponsort von der Firma Nokia Siemens Networks, übergeben. Wie kamen Sie zu dieser Ehre?
 
Dieter Schwarzenau: Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Ich begann meine Laufbahn in der Industrie vor 19 Jahren genau in dieser Branche. Dort hatte ich die Möglichkeit, die Entwicklung der Kabelnetze von reinen Verteilnetzen für Fernseh- und Hörfunkprogramme hin zu leistungsfähigen Telekommunikationsnetzen hautnah zu erleben und, z. B. durch meine Mitarbeit
in entsprechenden europäischen und internationalen Normungsgremien, auch mit zu gestalten.
 
Als ich vor zehn Jahren meine Stelle als Professor für Kommunikationstechnik an der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) antrat, hatte ich die feste Absicht, diese spannende Entwicklung weiter zu verfolgen und im Rahmen meiner Möglichkeiten zu unterstützen. Das Glück wollte es, dass die Magdeburg-City-Com GmbH (MDCC) sich kurze Zeit später entschloss, quasi vor meiner Haustür ein nach modernsten Erkenntnissen gestaltetes Kabelnetz neu zu errichten und gerne bereit war, meine Unterstützung bei der Auslegung dieses Netzes in Anspruch zu nehmen. Bei der Begleitung dieses Projekts wurde mir bewusst, dass zur Errichtung eines qualitative hochwertigen Kabelnetzes neben der weitsichtigen Planung und dem Einsatz geeigneter Komponenten auch die fachgerechte Installation gehört.
 
Bei dem ausführenden Handwerk waren die Anforderungen der neuen Kabelnetztechnik jedoch weitgehend noch unbekannt. Diese Erkenntnis führte zur Gründung des Deutschen Instituts für Breitbandkommunikation, kurz „Dibkom“. Dieses Institut hat in den vergangenen Jahren, dank der engagierten Mitarbeit vieler namhafter Experten, mit der Definition von Ausbildungs- und Qualitätsstandards sowie seinen einzigartigen Fachpublikationen einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht und sich einen sehr guten Ruf in der Branche erarbeitet.
 
Parallel dazu habe ich an der Hochschule begonnen, ein Testnetz für die Ausbildung meiner Studenten und zu eigenen Forschungszwecken aufzubauen. Dabei kamen mir immer wieder kleine und auch größere Spenden von Herstellern und Netzbetreibern zu Gute. Anfang des Jahres war dann die Zeit reif, die apparativen Möglichkeiten der Hochschule mit den Aktivitäten der Dibkom zu kombinieren, was zur Gründung der Dibkom TZ – Technikzentrum GmbH, einem An-Institut der Hochschule, führte.
 
Zur gleichen Zeit stellte Herr Neuberger aus München, ein weiterer Gründungsvater der Dibkom, den Kontakt zur Firma Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG (NSN) her, die ihr großes Münchner Speziallabor für Kabelnetztechnik auflösen wollte. Ausschlaggebend für die Entscheidung, das Labor tatsächlich nach Magdeburg zu verschenken, war letztlich, dass man aufgrund der vielen bisher von diesem Standort ausgegangenen Aktivitäten davon überzeugt war, dass dieses Labor zum Wohle der Branche in der Aus- und Weiterbildung sowie in der Forschung eine Zukunft haben würde. Wir sind natürlich sehr dankbar für diese großzügige Spende, freuen uns aber auch über das daraus ersichtliche Vertrauen. Es ist uns bewusst, dass wir mit dem Labor eine große Verantwortung übernehmen und wir hohe Erwartungen zu erfüllen haben.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Was macht das Kabelnetz-Labor so besonders, welche Forschungsarbeiten sollen damit durchgeführt werden?
 
Dieter Schwarzenau: Für das begonnene Testnetz der Hochschule standen bisher nur herkömmliche analoge Fernsehsignale und rudimentäre Möglichkeiten zur Übertragung von Internet-Diensten zur Verfügung. Das von NSN gespendete Labor schließt nicht nur die letzten Lücken beim Aufbau von Leitungsstrecken, es umfasst auch moderne Einrichtungen zur Realisierung von digitalem Fernsehen und Telefonie.
 
Damit werden wir nach der Integration in das vorhandene System über ein Testnetz verfügen, mit dem wir so ziemlich jede in der Praxis vorkommende Konstellation im Labor nachstellen und untersuchen können. Interessante Forschungsarbeiten wären z. B. Untersuchungen, welchen Einfluss der zunehmende Ersatz herkömmlicher analoger Fernsehkanäle durch digitale Fernsehkanäle auf die Signalqualität hat oder welche Randbedingungen für die Einführung des neuen hochauflösenden Fernsehens erfüllt sein müssen. Aber auch die Erprobung neuer Komponenten in einem bestehenden Netz kann von großer praktischer Bedeutung sein.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich dadurch für die Hochschule?
 
Dieter Schwarzenau: Die Hochschule kann Netzbetreibern und Herstellern nun Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen auf einem sehr hohen Niveau anbieten. Selbst die großen deutschen Kabelnetzbetreiber verfügen über kein vergleichbares Labor und es gibt nur wenige Hersteller, die hier mithalten können.
 
Bei vielen großen Kabelnetzbetreibern ist darüber hinaus zurzeit der Trend zu beobachten, die eigenen Technikabteilungen drastisch zu reduzieren, weil diese kurzfristig kaum etwas zur Rendite des Unternehmens beitragen. Es ist abzusehen, dass daraus sehr bald technische Probleme erwachsen werden, für deren Lösung man dann auf externe Expertise zurückgreifen muss. Da sind wir als eine neutrale und unabhängige Instution mit einer solchen Ausrüstung sicherlich gut aufgestellt . Und ich rechne mir gute Chancen aus, entsprechende Drittmittelaufträge akquirieren zu können.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Welche konkreten Projekte sind in Planung, die mit dem Labor realisiert werden sollen?
 
Dieter Schwarzenau: Das größte Projekt wird zunächst der Wiederaufbau des Labors selbst sein. Wir haben mit sieben Personen zweieinhalb Tage benötigt, um es in München abzubauen und in zwei großen Containern zu verstauen. Die gesamte Einrichtung wiegt ca. 15 Tonnen. Auch wenn ich es kaum erwarten kann, werden wohl mehrere Monate vergehen, bis alles wieder einen sinnvollen Platz gefunden hat. Danach habe ich vor, die Belastbarkeit von Netzen zu untersuchen, wenn nur noch digitale Fernsehprogramme übertragen werden.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Welche Möglichkeiten bietet das neue Labor in Bezug auf das digitale Fernsehen?
 
Dieter Schwarzenau: Wie bereits erwähnt, versetzt uns dieses neue Labor überhaupt erst in die Lage, uns intensiver mit digitalem Fernsehen zu beschäftigen. Es werden dort alle Möglichkeiten vorhanden sein, digitale Fernsehsignale zu erzeugen, sie im Testnetz zu übertragen und ihre Qualität an der Antennensteckdose beim Konsumenten zu untersuchen.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Können Sie sich mit dem neuen Labor von anderen Bereichs-Fachhochschulen in Deutschland abheben? Wenn ja, inwiefern?
 
Dieter Schwarzenau: Es gibt in Deutschland überhaupt nur sehr wenige Hochschulen, an denen sich Kollegen mit Kabelnetztechnik befassen. Die wenigen sind entweder auf Teilbereiche spezialisiert, wie z. B. Prof. Reimers von der Technischen Universität Braunschweig auf dem Gebiet des digitalen Fernsehens (DVB-Projekt), oder sie beschränken sich auf Computer-Simulationen, die wegen fehlender Modelle oft nur unzulängliche Ergebnisse liefern können. Kein einziger verfügt auch nur annähernd über vergleichbare technische Möglichkeiten. Selbst europaweit gesehen wüsste ich keine Hochschule, die über eine solche Ausstattung verfügt.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Wie wird der Aufbau dieser Möglichkeiten in Magdeburg von der Kabelbranche beurteilt?
 
Dieter Schwarzenau: Durchweg positiv. Das erkennt man auch daran, dass sich sehr viele Unternehmen durch Spenden und Sponsorengelder an den Transportkosten für dieses Labor beteiligt haben, wofür wir uns auch an dieser Stelle bedanken möchten.
 
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Prof. Schwarzenau, vielen Dank für das Interview. [mw]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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1 Kommentare im Forum

  1. AW: "Große Kabelnetzbetreiber reduzieren drastisch die eigenen Technikabteilungen" Na ja, so ein Kabelnetz kann auf von 5 Leuten betrieben werden. Geschäftsführer, Techniker, Buchhalter, Marketingleiter, Sekretär.
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