WDR-Hörfunkdirektor zur Radiozukunft: Zuhause Internet, unterwegs DAB Plus

24
51
Radio UKW Bild: © jakkapan - Fotolia.com
Bild: © jakkapan - Fotolia.com

Leipzig – Wie sieht die Zukunft des Radios aus? Eine mögliche Variante könnte sein: Zuhause Radioempfang über Internet, unterwegs digital-terrestrisch über DAB Plus, meint WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz. DIGITAL FERNSEHEN hat mit ihm gesprochen.

„Entscheidend für die Frage der Abschaltung ist nicht, ob es einen neuen Ausspielweg gibt. Entscheidend ist, für welchen Weg sich die Menschen mehrheitlich entscheiden. Momentan gibt es mehr als 300 Millionen UKW-Empfangsgeräte auf dem deutschen Markt. Von denen werden sich die Menschen auf absehbare Zeit auch nicht trennen“, sagt Schmitz. Viele würden zu bestimmten Zeiten des Tages Webradio nutzen, etwa am Arbeitsplatz, abends oder im Auto aber trotzdem das UKW-Radio einschalten.

DIGITAL FERNSEHEN: Herr Schmitz, inwieweit verlagert sich Ihrer Meinung nach die Radionutzung Ihrer Hörer immer mehr ins Internet und glauben Sie, dass die Verlagerung in Zukunft noch zunehmen wird? Woran liegt es, dass besonders jüngere Leute zunehmender Radio übers Internet hören?
 
Wolfgang Schmitz: Internet gewinnt als Verbreitungsweg für das Radio kontinuierlich an Bedeutung. Insbesondere zu Hause ist es für viele eine bequeme Alternative zum UKW-Küchenradio. Dazu kommt: Gerade jüngere Menschen haben sich inzwischen daran gewöhnt, mehrere Sachen gleichzeitig zu machen, wenn sie am Rechner sitzen: Sie hören Radio, chatten in Onlineportalen und machen nebenbei vielleicht online ihre Steuererklärung.
 
Viele Jüngere sind es auch gewohnt, direkt zu dem zu kommen, was sie interessiert, also: direkt die Comedy anzuklicken oder die Nachrichten dann zu hören, wenn es ihnen zeitlich passt. Nicht nur diese Zielgruppe erwartet von uns im Netz ergänzende Informationen zu dem, was sie gerade im Radio hören – vielleicht einen kurzen Blick auf die Studio-Webcam. Andere möchten vielleicht Tipps, die sie im Radio bekommen haben, noch einmal nachlesen. Oder sie laden das Feature auf den MP3-Player. Diese Möglichkeiten bietet inzwischen unser Angebot auf dem IPhone, demnächst auch auf anderen mobilen Geräten. Radio wird durch diese ganzen Möglichkeiten vielschichtiger und interaktiver.
 
Allerdings glaube ich nicht, dass damit die „konventionelle“ Radionutzung auf absehbare Zeit abgelöst wird. Für viele Menschen ist Radio weiterhin ein angenehmer Begleiter durch den Tag. Sie wollen sich die Informationen gar nicht selbst zusammensuchen, sondern sind froh, wenn jemand ihnen diese Arbeit abnimmt.
 
DF: Wie viele Teile Ihres Sendearchivs sind bei Ihnen bereits digitalisiert?
 
Schmitz: Die Digitalisierung ist abgeschlossen. Wir haben natürlich noch Bänder im Archiv, die wir bei Bedarf auch noch abspielen könne. Alle neuen Beiträge werden aber digital produziert und gesendet.
 
DF: Welche Programm- und Musikinhalte werden bei Ihnen per Webradio übertragen?
 
Schmitz: Unsere sechs Hörfunkwellen werden per Live-Stream im Netz übertragen. Daneben haben wir aber auch Programmschleifen mit Spezialsendungen, etwa spezielle Musikgenresendungen von Eins Live, fremdsprachige Sendungen von Funkhaus Europa oder unseren digitalen Kinderkanal „Kiraka“. Daneben gibt es inzwischen auch eine Vielzahl an Podcasts, die einzeln angehört oder im Netz heruntergeladen werden können.
 
DF: Wie viele Zuhörer nutzen Ihr Webradio-Angebot im Augenblick?
 
Schmitz: Das unterscheidet sich von Angebot zu Angebot. Am erfolgreichsten ist das junge Radio Eins Live, weil es in der jungen Zielgruppe sehr viele internet-affine Menschen gibt.
 
DF: Welche Rolle wird künftig die regionale Berichterstattung im Radio spielen?
 
Schmitz: Die heutige Welt ist sehr komplex, und die modernen Medien bringen diese Komplexität jeden Tag in unser Wohnzimmer. Gleichzeitig müssen sich Menschen heute auch um vieles kümmern, was ihnen früher abgenommen wurde, schlicht, weil es das Angebot nicht gab. Heute muss ich mich durch Tarifdschungel wühlen, bis ich für mich den besten Telefontarif, die beste Krankenversicherung gefunden habe. An den Hotlines melden sich heute Menschen in Thüringen oder sogar aus dem Ausland, wenn ich in Köln die Service-Nummer wähle.
 
Diese Komplexität und diese Entfremdung lässt den Wunsch nach dem Überschaubaren, dem Nahen steigen. „Heimat“ steht heute hoch im Kurs. Diesem neuen Interesse an der Region tragen wir natürlich Rechnung. Wir haben im Juni 2009 einen neuen Programmbereich Landesprogramme geschaffen und sind gerade dabei, unsere Regionalberichterstattung besser auf­zustellen.
 
DF: Welchen Stellenwert nimmt das Thema „Podcast“ bei Ihnen ein?
 
Schmitz: Podcasts sind eine gute Möglichkeit, mobilen Menschen Radio zur orts- und zeitsouveränen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Von dieser Möglichkeit machen auch immer mehr Hörer Gebrauch. Allerdings sehe ich, wie oben schon erwähnt, Podcasts als Ergänzung zu unseren klassischen Ausspielwegen, nicht als Ersatz.
 
DF: Inwieweit schwächt, Ihrer Meinung nach, Webradio das Medium Radio?
 
Schmitz: Wie bereits erwähnt, gewinnt Internet als Verbreitungsweg für das Radio kontinuierlich an Bedeutung. Allerdings denke ich nicht, dass damit die „konventionelle“ Radionutzung auf absehbare Zeit abgelöst wird. Für viele Menschen ist Radio im Alltag weiterhin wichtig. Viele wollen wollen sich Informationen nicht selbst zusammensuchen.
 
DF: Inwiefern treibt das Webradio die Analogabschaltung im Bereich Radio voran?
 
Schmitz: Entscheidend für die Frage der Abschaltung ist nicht, ob es einen neuen Ausspielweg gibt. Entscheidend ist, für welchen Weg sich die Menschen mehrheitlich entscheiden. Momentan gibt es mehr als 300 Millionen UKW-Empfangsgeräte auf dem deutschen Markt. Von denen werden sich die Menschen auf absehbare Zeit auch nicht trennen.
 
Viele nutzen zu bestimmten Zeiten des Tages Webradio, etwa am Arbeitsplatz, schalten aber abends oder im Auto trotzdem das UKW-Radio ein. UKW wird mittelfristig ein wichtiger Ausspielweg bleiben. Trotzdem müssen wir uns auf die digitale Zukunft des Radios vorbereiten. Die Formel dafür könnte sein: Zuhause Internet, unterwegs digital-terrestrischer Empfang über DAB Plus.
 
DF: Vielen Dank für das Gespräch. [ar]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

Bildquelle:

  • Empfang_Radio_Artikelbild: © jakkapan - Fotolia.com

24 Kommentare im Forum

  1. AW: WDR-Hörfunkdirektor zur Radiozukunft: Zuhause Internet, unterwegs DAB Plus Da irrt der gute Mann....DAB plus ist technisch überholt. Ich bin überzeugt davon das die DRM und DRM+ -Technik das Rennen langfristig machen wird.
  2. AW: WDR-Hörfunkdirektor zur Radiozukunft: Zuhause Internet, unterwegs DAB Plus Ich glaube das keines davon das Rennen machen wird.
  3. AW: WDR-Hörfunkdirektor zur Radiozukunft: Zuhause Internet, unterwegs DAB Plus naja---ähm----an ukw qualität reicht der wdr stream ganz und gar nicht heran...bestenfalls kommt der sat stream in die nähe (ist auch nur mp3 qualität, aber besser weil ohne schluckauf, den der stream DERZEIT hat) ich will gar nicht wissen, wie schlecht der livestream erst wird, wenn alle die wdr in ukw hören, online gehen....hat der keinen techn, direktor, der ihn berät bevor er sowas losläßt?
Alle Kommentare 24 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum