Netflix verbietet Teilen von Abo – Amazon, Apple und Disney bald auch?

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Bild: Pixabay

Die neue Gangart von Netflix gegenüber haushaltsübergreifendem Account-Sharing könnte ein Menetekel für die gegenwärtige Kultur der freundschaftlich geteilten Streaming-Abonnements sein. Die Frage ist nun: Zieht die Konkurrenz bei Amazon Prime Video und Disney+ schon bald nach, oder wartet sie noch?

Das Teilen von Streaming-Accounts war längste Zeit eine Grauzone, in der es sich gut leben ließ: Zwar war allen Netflix-Abonnenten vollkommen bewusst, dass der Anbieter die Nutzung seiner Abonnements auf einen Haushalt beschränken wollte, doch ein Ausbleiben jeglicher Konsequenzen war ein mächtiger Wind in den Segeln der modernen Video-Freibeuterei. Statt Filme und Serien illegal herunterzuladen und auf einschlägigen Plattformen zu verbreiten wie in den 2010er-Jahren, wurden einfach die Netflix-Kosten gedrückt, indem sich ganze Freundeskreise und Großfamilien den Zugang teilten. Das tolerierte Netflix jahrelang zähneknirschend, jetzt aber nicht mehr.

Nun ist maximal noch der zahlende Kunde König bei Netflix – denn dem Streaming-Pionier steht das Wasser bis zum Hals. Teure Produktionen sowie geschätzte hundert Millionen Nutznießer von illegalem Account-Sharing trieben Netflix in die Enge. Wo einerseits Martin Scorsese und Leonardo Di Caprio für Eigenproduktionen engagiert werden und viele keinen Eintritt zahlen, geht am Ende des Tages die Rechnung nunmal nicht auf.

Eigentlich blieb im Dumping-Wettkampf um den Streamingmarkt mit immer mehr teuren Produktionen und großen Wettbewerbern nur die Frage, wer länger die Luft anhalten kann. Klar ist jetzt: Netflix muss als erstes seiner Kundschaft die Daumenschrauben anlegen. Das wird dem taumelnden Riesen, der seit einiger Zeit förmlich verzweifelt um einen besseren finanziellen Ausblick kämpft, nicht nur neue Abo-Abschlüsse bescheren. Manche User-Gemeinschaften werden sich wohl kollektiv verabschieden und auf rein werbefinanzierte Angebote wie Pluto TV oder Amazons Freevee umsteigen. Oder eben vorerst da verbleiben, wo Accounts noch geteilt werden können.

Amazon triumphiert über Netflix – und rudert zurück

Während die Maßnahmen gegen das Teilen von Nutzerkonten nach einer längeren Testphase und einiger Verzögerung auch in Deutschland angekommen sind, bekam Netflix bereits die erste offene Häme von der Streaming-Konkurrenz zu spüren. So triumphierte Amazon Prime Video über Twitter zunächst und ätzte nonchalant gleich in mehreren Sprachen: Hier dürfen die Nutzer weiter ihren Account mit allen teilen, die des Passwortes würdig befunden werden. Interessanter Weise dementierte Amazon diese Meldung gegenüber dem Fachportal Golem.de unter Verweis auf seine Nutzungsbedingungen wieder und löschte den Tweet.

Zuerst triumphierte Amazon Prime Video angesichts der Netflix-Maßnahmen, dann ruderte der Anbieter zurück: Auch bei Amazon ist das Teilen von Passwörtern nicht gestattet – auch wenn der Weltkonzern bisher noch keine aktiven Maßnahmen dagegen ergreift. (Bildquelle: Prime Video DE via Twitter / Screenshot)

Ferner muss man eigentlich nicht allzu genau hinsehen, um zu vermuten, dass der Dammbruch bei Netflix mehr ein Auslöser für größere Veränderungen am Streamingmarkt sein dürfte als ein Einzelfall. Denn wenn selbst Weltkonzerne wie Disney verkatert vom Streaming-Goldrausch die Vermarktungsstrategie für den eigenen Content überdenken müssen, die Zahl an Eigenproduktionen zurückfahren und das Abo-Angebot ausdünnen, machen sich offenbar auch andere ganz große Spieler am Tisch bereit für ein Wendemanöver.

Streaming-Abos mit Werbung nur Tropfen auf heißen Stein

So lange es sich die Konkurrenz leisten kann, wird sie sich erstmal auf die Lauer legen und genau hinsehen, wie der Pionier Netflix die Einführung einer restriktiveren Kundenpolitik verkraftet – und dann erst nachziehen. Der Einzug der Werbung zu den bezahlten Diensten in Form vergünstigter Abonnements mit Reklame wie bei Disney+ und Netflix kann und wird aber auf Dauer bei keinem Streamingdienst das Missverhältnis zwischen horrenden Ausgaben für originären Content und den durch Account-Mehrfachnutzung dezimierten Abo-Einnahmen gerade rücken können.

Nach Jahren der Streaming-Völlerei dürfte das früher oder später für die Kundschaft Mäßigung bedeuten. Es sei denn, man möchte tatsächlich für alle Dienste voll zahlen. Allerdings legen Erhebungen bei der Streaming-Kundschaft nahe, dass in den allermeisten Haushalten die Schmerzgrenze bei zwei kostenpflichtigen Abos spätestens erreicht ist.

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80 Kommentare im Forum

  1. Gute Sache. So kann sich wenigstens jeder nur das leisten, was er sich auch leisten kann. Schwierig in einer Gesellschaft, bei der jeder alles haben mag.
  2. Ich bleibe dabei, dass die Rechnung am Ende nicht aufgeht. Im Ergebnis wird man damit nur die illegale Szene wieder mehr Zulauf bescheren. Bei uns in der Familie hat mein Cousin sich den großen Account geteilt mit seiner Freundin, Sohn, Er selbst und einem Kollegen. Passiert ist nun folgendes. Mein Cousin ist ins kleinste abo gewechselt für 7,99 € Seine Freundin ist raus und hat kein eigenes Abo gemacht. Sein Kollege hat ein neues Abo abgeschlossen für 7,99 € Sein Sohn hat kein neues Abo gemacht. In diesem Fall also ein Verlustgeschäft von 2 € für Netflix. Glaube halt nämlich das viele nicht bereit sind den vollen Preis zu bezahlen.
  3. Als wenn die Leute deshalb darauf verzichten. Letztendlich wird es bzw ist es schon dazu gekommen, dass die ganzen Usenet Anbieter etc wieder Zulauf bekommen werden. Eigentlich hatte man mit dem Angebot die Szene deutlich dezimiert gehabt. Zeigt aber auch wie Krank das System ist. Es gibt kein ewiges Wachstum und das wird auch Netflix und alle anderen einsehen müssen.
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