„House of the Dragon“ Folge 9: Falsche Nostalgie

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Olivia Cooke als Alicent Hightower
Foto: 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved

In Folge 9 der ersten Staffel von „House of the Dragon“ entfesselt das „Green Council“ einen Krieg. Es ist auch eine Folge über die Serie selbst.

Hüte dich vor der Bestie unter den Dielen. Ein weiteres Mal schafft sich „House of the Dragon“ eine mehrdeutige Unterwerfung unter gesponnene Schicksalsfäden, die sich längst zum Netz aus Geheimnissen und Lügen verknüpft haben. Sie werden in dieser neunten und vorletzten Episode der ersten Staffel als warnende Prophezeiung angesprochen. Immer wieder leuchten Krisenherde und verborgene Machenschaften kurz auf, die von einzelnen Figuren ignoriert oder übersehen wurden. Die Serie selbst müht sich spürbar daran ab, durch ihre diversen Verschwörungen und Motivationen noch durchzusehen.

Sara Hess, die Drehbuchautorin, hat mit den Folgen 6 und 9 wahrscheinlich die undankbarsten der gesamten Staffel verantwortet, weil sie so viele Hebel in Bewegung setzen, den eigentlich kompakten Stoff mit Abzweigungen verkomplizieren müssen. Mit der zwielichtigen Mysaria taucht da nun etwa eine neue große Spielerin auf, die in der bisherigen Staffel vielleicht 15 Minuten auf dem Bildschirm zu sehen war, und nun plötzlich im Spiel um den Eisernen Thron als Stimme des Volkes mitmischen soll. Irgendwann wird sie wichtig werden, Leserinnen und Leser des Martin’schen Erzählkanons werden das bereits wissen. Das „House of the Dragon“ schielt angestrengt auf seine eigenen Vorherbestimmungen und Determinanten, denen es sich fügen will.

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„House of the Dragon“ verfolgt in Folge 9 nur eine Partei

Dabei schimmert der Kern, den diese erste Staffel erzählt, noch raffiniert durch: die Entzweiung der beiden Freundinnen Rhaenyra und Alicent, die zwischen Opportunismus und Progression handeln und von den starren systemischen Strukturen im wahrsten Sinne übermannt werden. Nun hat auch die filmische Erzählform einen Keil zwischen beide getrieben. Der einen gehört die Bühne, die andere ist gänzlich ausgeblendet. „The Green Council“ entspinnt sich allein in der Hauptstadt der Sieben Königslande und erzählt davon, wie die Gruppe um Königin Alicent den Thron raubt, um Prinz Aegon zum Herrscher zu erklären. Die Reaktion der anderen Partei, die der um die Krone Betrogenen, wird offenbar in der kommenden Woche folgen.

Zu den dräuenden Pianostücken von Komponist Ramin Djawadi verfolgt dieser knapp einstündige Kriegsbeginn die Errichtung einer Gewaltherrschaft, die sich erst verbarrikadiert, um nach und nach unliebsame Gäste und Widersacher auszuschalten. Bezahlt wird mit Geld, Blut und entblößten Füßen als Masturbationsvorlage. Erst zum Schluss geht man an die Öffentlichkeit, um vollendete Tatsachen auszurufen. Präsentiert wird nur das, was ohnehin schon längst bekannt sein dürfte und im Verborgenen wirkte. Uns geht es doch kaum anders als der städtischen Bevölkerung, die da zum Ritual getrieben wird. Wir sollen doch ebenso jede Woche vor den Fernseher getrieben werden, um staunend und jubelnd dem Altbekannten, dem ewig Fortgesetzten beizuwohnen.

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Eine öffentliche Störaktion

Das Unbehagen in der Atmosohäre, die angespannte Stimmung, die Irritation in der Reaktion – das sind spannende Eigensinnigkeiten, die sich diese selbstreflexive Episode erlaubt. Mit Bedeutungsträgern, Dolch, Schwert, Krone, Wappen zelebriert man die Krönung. Das Volk soll an die alte, ruhmreiche Herrschaft der Targaryens erinnert werden, plant Alicent Hightower bei Nacht und Nebel. Man verkauft die Ausgeburt des lange vergifteten Machtkonstrukts als Glanz und Gloria, um die Menschen zu besänftigen, das System unter neuer Führung zu erhalten. Doch es frisst sich selbst, dieses System, das ist aus den vergangenen Wochen nun hinlänglich bekannt. Durch ebensolches Gebaren. Und so wird das neue alte Regime von seinem Selbst heimgesucht und der Wahrheit, der erklärten Thronfolge, die es an sich reißen will.

Die anfänglichen Bilder eines nächtlichen, gespenstischen, menschenleeren Ortes werden in den letzten Minuten dieser neunten Episode mit Menschenströmen, Staub und Chaos gefüllt. Eine digital aufbereitete Masse in der Auflösung. Unter den Dielen lauert die Identität hinter der Targaryen-Maske, die sich die Thronräuber aufzusetzen versuchen. Sie warnt mit einer öffentlichen Störaktion, um sich dann in die Lüfte zu erheben und den Krieg zu eröffnen. Es ist die falsche Nostalgie, die da unter den Dielen lauert. Eine Entfesselung bekannter Gewaltmuster. Sie entlarvt die Inszenierung der Mächtigen, aber auch die ihrer Strippenzieher hinter den Kameras. Ihre brachiale, überkünstlich erscheinende Tricktechnik durchkreuzt die eigene Illusion.

Aegon und Aemond Targaryen
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Spektakel, das sich selbst vertagt

Sie hätte die Chance gehabt, dieses Konglomerat an verschwörerischen Aktionen, dieses wimmelnde Figurenensemble auszulöschen, den Kanon zu durchkreuzen, den Umsturz zu wagen. Ein Feuerstoß hätte genügt. Doch hier bricht in erster Linie das reine Spektakel hervor, das sich natürlich aus dem Staub macht, um sich selbst zu vertagen, eine Wiederkehr zu initiieren. Es würde im Mord seines Anderen auch die eigene dramaturgische Existenzberechtigung auslöschen. Es taucht allein auf, um die Fronten zu klären. Und es will uns vorgeben, wem wir vor dem Bildschirm eigentlich die Treue zu schwören haben.

In den sozialen Netzwerken diskutiert man bereits über die innere Logik dieses Charakter- und Girlboss-Moments, mit dem „House of the Dragon“ hier beschließt. Mithin, es ist sowieso zwecklos, denn er folgt keiner psychologischen, sondern der erzählökonomischen Logik einer Untergangsgeschichte, die sich selbst über Jahre hinweg ausschlachtet und dafür zwangsweise weiter verzögern muss. In Folgen wie dieser mit ihrem konfusen Hin und Her tritt diese Mechanik offen zu Tage. Vielleicht ist der interessante Teil von „House of the Dragon“ mit Kriegsbeginn nun abgeschlossen? Vielleicht geht er bald in Getöse unter.

Mit der angekündigten zweiten Staffel wird sich die mitunter erstaunlich schwelgerische Dekadenzerzählung womöglich zum aktionsgetriebeneren Kriegsepos wandeln, das von Gewalt und Schauwerten durchzogen sein dürfte. Vernichtungstrieb als Entertainment. Die bloße Schaulust schleicht sich längst an das bisher Entwickelte an. Und wir sollen voraussichtlich in über einem Jahr nicht minder nostalgisch und besänftigt an den Pomp des Gewohnten zurückdenken, vor diesem Spektakel zittern, mitfiebern, das uns da erneut präsentiert wird, bis dann immer wieder die doppelsinnige, düstere Realität unter den eingezogenen Böden durchbricht.

„House of the Dragon“ ist seit dem 22. August bei Sky zum Streamen verfügbar. Jeden Montag erscheint eine neue Episode. Weitere Infos zur Ausstrahlung gibt es hier.

Alle Besprechungen zu „House of the Dragon“ im Überblick

Eine Vorschau zum bevorstehenden Staffelfinale kann man hier sehen:

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3 Kommentare im Forum

  1. Die Kritik schwebt mal wieder in viel zu verkopften Höhen für so eine Serie. Ich fand die Episode insgesamt sehr stimmungsvoll inszeniert. Ich habe das Buch zwar erst im Sommer gelesen, ertappe mich aber immer wieder dabei, dass ich eine grobe Änderung gegenüber dem Buch sehe, dann aber beim Nachschlagen sehe, dass dies tatsächlich von mindestens einem der meist drei teils gravierend voneinander abweichenden fiktiven Chronisten, auf die sich das Buch meist beruft, gedeckt wird. Z.B. hatte ich in Erinnerung, das Lord Beesbury im Kerker verschwindet statt sofort getötet zu werden, und dann irgendwann als tot gilt, tatsächlich war das aber die Version des Grünen-freundlichen Chronisten, während er bei den anderen Beiden von Criston Cole auf unterschiedliche Arten sofort getötet wurde. Ähnlich bei Aegon, von dem ich nicht mehr in Erinnerung hatte, dass er die Krone zunächst garnicht wollte. Eine gravierende Änderung allerdings zeigt mal wieder, dass Drehbuchautoren oft deutlich schlechter sind als Bestsellerautoren und es mit der Logik nicht so haben: Rhaenys ist im Buch nicht in KL. Dass sie gerade während der Krönung zu ihrem Drachen unter den Dragonpit gelangen kann, ok, dass sie dann aber mit diesem Drachen den Boden und die Kuppel dieses extra zum Einsperren von Drachen gebauten Gebäudes durchbrechen kann, nicht sehr logisch. Die Höhe ist aber, dass sie die Grünen explizit verschont und damit wissentlich die Chance vertut, diesen ganzen blutigen Krieg und zigtausende Tote zu vermeiden (auch ihren eigenen durch Aegon und Daeron, was sie nicht wissen, aber befürchten kann), ist absolut bar jeder Logik. Ebenso bescheuert fand ich die in der Kritik erwähnte Erfindung von Larys Strongs Fußfetisch (ganz tiefenpsychologisch: Er hat einen Klumpfuß, also steht er auf zarte Damenfüße) als Motivation für seine Treue zu den Grünen. Im Buch ist seine Motivation und seine durchaus wechselnde Loyalität ein Rätsel, er scheint nur das zu tun, was er nicht für sich, nicht für eine der Parteien, sondern für das Reich als sinnvoll erachtet. Das machte ihn erst interessant, nun ist er irgendein Perverser.
  2. Ich habs so verstanden das Rhaenys nach dem Gespräch mit Alicent im 4-Augengespräch im Zimmer zwar schon glaubt, das Alicent ehrlich ist das sie Viserys geehrt hat und ihre Kinder liebt, aber eben noch flunkert was die Thronfolge angeht um eben ihren Nachwuchs auf den Thron zu bringen. Das sie den Drachen nich alles fressen oder verbrennen lässt ist abgewendet worden wie sich Alicent in dem Augenblick vor schützend vor Aegon stellt, dort glaubt Rhaenys Alicent wirklich erst das sie es Ernst meint was Viserys ihr erzählt haben will. Wir Zuschauer wissen das die Prophezeihung nicht ihr bzw Aegon galt sondern Rhaenyra und ihrem Nachwuchs, Alicent aber eben in diesen wirren Moment nicht. Gehe stark davon aus das Rhaenys im Gespräch mit Rhaenyra aufgreifen wird.
  3. So hab ich das auch verstanden. Das ist aber ziemlich unglücklich, weil die ganze Verbindung zu GoT über diese Prophezeiung nicht im Buch ist. Die Prophezeiung hat Danny im "House of the Undying" gesehen, dort hatte sie eine Erscheinung, in der jemand, der Aegon I. oder ihr älterer Bruder Rhaegar sein könnte, bei der Geburt seines Sohnes diese Prophezeiung ausspricht. Mit dem dummen Dolch hat das in den Büchern auch nichts zu tun. Rhaenys war wie gesagt im Buch nicht in KL. Rhaenys ist im Buch eine der entschlossensten Vertreterinnen der Schwarzen, jetzt hat sie hier auf einmal Verständnis für Alicent. Man kann sie auf keinen Fall soweit ändern, dass sie gar nicht gegen Alicent kämpfen will.
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